Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Olaf Meister! Das ist eine wirklich wichtige Thematik. Deswegen danke ich dafür, dass wir heute hier im Landtag von Sachsen-Anhalt im Plenum über die Automobilindustrie und speziell die Automobilindustrie in Sachsen-Anhalt sprechen können.
Ich will etwas vorweg sagen, weil ich manchmal das Gefühl habe, es findet ein Abgesang statt nach dem Motto: Unsere Produkte sind schlecht und nicht mehr wettbewerbsfähig. Ich selbst bin Ingenieur, aus der Automobilindustrie kommend. Darauf bin ich stolz, das sage ich ganz offen. Ich habe gerade mit einem Unternehmen, bei dem ich damals hier in Sachsen-Anhalt meine Arbeit zum Studium geschrieben habe, gesprochen. Natürlich stehen die Unternehmen Herausforderungen gegenüber, aber nichtsdestotrotz haben wir auch heute noch top motivierte Mitarbeiter. Diese Mitarbeiter haben gute Ideen, wie wir diese Transformation gestalten können.
Natürlich reden wir auch - Sie haben es gesagt - über Transformation hin zu anderen Antriebsformen. Aber es ist so, dass es nicht nur in Europa, sondern in der gesamten Welt auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiterhin Fahrzeuge mit Diesel- oder Ottomotor geben wird, die entsprechende Teile brauchen, auch aus Sachsen-Anhalt. Deswegen haben wir diesen Prozess zu begleiten. Ich will auch sagen, dass das nicht in irgendeiner Form erst mit heute oder morgen beginnt. Mein Kollege Armin Willingmann hat bspw. schon im Jahr 2017 das Kooperationsnetzwerk „MobileE“ in der Trägerschaft von MAHREG gegründet. Wir als Landesregierung sind also schon viele Jahre entsprechend mit dabei.
Uns war wichtig, im Bereich der GRW-Förderung auch genau auf das Thema Transformation zu schauen. Wir haben verschiedene Unternehmen in Sachsen-Anhalts Automobilzulieferindustrie, die diese Transformation und neue Produkte auf den Weg gebracht haben. Sie haben Investitionen getätigt, die wir mit unseren Fördermitteln gerade für die kleine und mittelständische Wirtschaft unterstützt haben. Damit haben wir auch dafür gesorgt, nicht nur Arbeitsplätze zu sichern, sondern manchmal sogar neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das hilft uns dann, wenn es darum geht, eine Zukunft auch für die Menschen zu bieten, die viele Jahre lang gesagt haben: „Ich bin bei einem Zulieferer beschäftigt; unsere Hauptkunden sind bspw. VW, Daimler, Porsche oder BMW.“ Wenn man vielleicht in den Medien liest, die Absätze sind nicht mehr so groß wie in der Vergangenheit, dann macht man sich natürlich Sorgen. Wenn man dann sieht, es werden neue Produkte auf den Weg gebracht, dann zeigt das auch eine gewisse Sicherheit.
Wir haben aber auch die eine oder andere Großansiedlung zu verzeichnen. Sie konnten heute lesen - ich finde, das ist eine tolle Nachricht, das will ich hier einmal erwähnen , dass Daimler Truck, das in den nächsten Monaten eröffnet, jetzt auch noch einen Großauftrag der Bundeswehr bekommen hat.
(Zustimmung bei der CDU und von Andreas Silbersack, FDP)
Am Ende des Tages zeigt das, dass die Ansiedlungen, die wir vornehmen und die eigentlich ein bisschen als Ankerpunkt gedacht sind, noch weitere Früchte tragen werden. Dort haben wir auch, im Verhältnis betrachtet in kleinem Rahmen, finanziell mit unterstützt. In Halberstadt wird ein Gesamtvolumen in Höhe von 500 Millionen € investiert. Das ist durchaus eine Hausnummer. Dort werden perspektivisch mehr als 600 Arbeitsplätze neu geschaffen. Auch das sind Themen, die uns in diesem Bereich helfen.
Der Automobilzuliefergipfel wurde angesprochen. Diesen fand ich persönlich auch deshalb wichtig, weil wir immer wieder sagen: Man kann Politik nicht vom Schreibtisch in Magdeburg aus machen; denn es ist wichtig, letztlich auch mit den Playern zu sprechen. Er kam sehr positiv an. Auch die Medien haben erwähnt, dass er zur richtigen Zeit stattfand. Am Ende des Tages ist das aber - wir haben das mit Frau M. vom VDA durchgeführt - ein Punkt von vielen. Wir werden das nicht nur wiederholen, sondern so etwas immer wieder auch in kleinerem Rahmen veranstalten, ohne dass das vielleicht jedes Mal in den Medien zu lesen ist.
Ich will noch auf einen Sachverhalt hinweisen, der hier im Land manchmal untergeht. Es gibt den Ausschuss der Regionen und dort hat der zuständige Vertreter Sachsen-Anhalts - in dem Fall war ich das - eine Berichterstattung gehabt.
(Zustimmung von Stefan Ruland, CDU, Ulrich Thomas, CDU, und von Andreas Silbersack, FDP - Ulrich Thomas, CDU, lachend: Wir erinnern uns!)
- Na ja, ich war Abgeordneter in Brüssel, aber in dem Fall geht es um den Ausschuss der Regionen. - Manchmal wird das so gesehen, „na ja, da hört man mal zu“, was auch immer. Dort haben wir ein großes Thema zur Diskussion gehabt, bei dem ich die Verantwortung trug. Im Jahr 2023 ging es um technologieoffene europäische Übergangsstrategien und die territoriale Folgenabschätzung. Ich bin der Meinung, es ist tatsächlich ein großes Thema, gerade im ländlichen Raum, wenn ein Zulieferer, der vielleicht mehrere Hundert Mitarbeiter hat, in der Größenordnung perspektivisch nicht mehr existieren wird. Was bedeutet das dann für die jeweilige Region? Das heißt, wir machen uns schon seit vielen Jahren nicht nur Gedanken, sondern haben das eine oder andere bereits auf den Weg gebracht.
Aktuell arbeiten 25 500 Menschen in der Automobilzulieferindustrie in Sachsen-Anhalt. Unser Ziel ist es, dass all diese Menschen nicht nur weiterhin eine Perspektive in diesem Bundesland haben, sondern dass idealerweise auch deren Kinder und Enkel vielleicht in dieser Branche oder in ähnlichen Branchen hier in Sachsen-Anhalt ihre Zukunft sehen. - Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Herr Minister. Frau Richter-Airijoki möchte gern eine Frage stellen. - Oder wollen Sie für Herrn Schmidt reden?
Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):
Nein, ich möchte eine Frage stellen.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Eine Frage, gut.
Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):
Vielen Dank, Herr Minister, für diesen prägnanten Überblick. Sie erwähnten einen Großauftrag der Bundeswehr, und Sie haben in den Medien vorgeschlagen, dass Automobilzulieferer in Sachsen-Anhalt zukünftig auch für die Rüstungsindustrie produzieren, was in Anbetracht der Zeitenwende natürlich naheliegt.
(Ulrich Siegmund, AfD: Zeitenwende!)
Dabei gibt es natürlich auch die langfristigen Perspektiven zu bedenken, auch das Entstehen einer Pfadabhängigkeit. Das heißt, ein einmal eingeschlagener industrieller Pfad muss dann auch langfristig eingehalten werden. Es entstehen Exportabhängigkeiten. Man muss die Industrie entsprechend auslasten, auch langfristig.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Würden Sie die Frage stellen? Sie brauchen die Zeit jetzt nicht zu verlängern, bis Herr Schmidt anwesend ist.
Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):
Nein. - Meine Frage ist: Wie bewertet die Landesregierung die langfristigen industriepolitischen, ethischen und sicherheitspolitischen Folgen eines solchen Kurswechsels
(Ulrich Siegmund, AfD: Oh, Leute, ey!)
mit Blick auf Pfadabhängigkeiten, Exportabhängigkeiten und die Rolle des Landes als zivil ausgerichteter Wirtschaftsstandort? - Danke.
(Zuruf von Stefan Ruland, CDU)
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Sehr geehrter Herr Präsident. - Das erinnert mich ein bisschen an die Situation, wenn wir als Landesregierung manchmal eine Kleine Anfrage bekommen mit 25 Fragen, sodass man denkt, das ist durchaus eine größere Anfrage.
Das, was Sie gefragt haben, ist vielleicht eine Debatte, die man einmal führen kann. Ich will auf einen Punkt eingehen. Schauen Sie, ich war Vertriebsleiter in einem Maschinenbauunternehmen mit etwa 150 Mitarbeitern. In meinem Team haben damals etwa 25 Leute gearbeitet. Die Hauptkundschaft war natürlich die Automobilindustrie. Aber auch dieses Unternehmen, in dem ich tätig war, hat sich auf viele andere Bereiche spezialisiert. Das ist das, was ich meinte: dass ein Automobilzulieferer dort, wo es möglich ist Wir bauen ja nicht, wie bspw. bei der Nemak Wernigerode, ausschließlich Zylinderköpfe oder gießen andere Dinge. Vielmehr gibt es manchmal Unternehmen, die in ihrer Teilefertigung ein sehr kleines Teil bauen, das man in abgewandelter Form vielleicht auch in anderen Bereichen einsetzen kann. Das ist das, was ich meinte: Wir müssen verstärkt darauf schauen, dass wir ein breiteres Spektrum an Kundschaft bekommen.
Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das müssen die Unternehmen nicht von einem Politiker hören. Dort arbeiten in der Regel sehr kluge und sehr weise Leute.
(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Kathrin Tarricone, FDP)
Unser Punkt ist eigentlich, dass wir Dazu fällt mir gerade ein Beispiel aus Wernigerode ein. Wir haben gesagt: Wir können an einer Stelle eine Förderung geben, wenn ihr eine Zielführung habt und sagt, wir haben in den letzten 20 Jahren etwas gefertigt und wollen jetzt 20 %, 30 % des Umsatzes mit anderen Dingen erzielen, wir wollen insoweit investieren usw. Das ist das, was ich meinte. Deswegen ist es am Ende des Tages ist unsere Aufgabe, vernünftige Rahmenbedingungen zu schaffen. Das ist das eine. Das andere ist, den Leuten die Sicherheit zu geben, dass sie eine Landesregierung haben, die hinter ihnen steht. Das ist das, was ich hier die ganze Zeit tue. - Danke.