Tobias Krull (CDU): 

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Großen Anfrage, mit der wir uns heute beschäftigen, geht es um die Situation von Einelternfamilien und Alleinerziehenden in Sachsen-Anhalt. Die Begriffsdefinition wurde heute hier bereits mehrfach debattiert. 

Um es gleich am Anfang für die CDU-Landtagsfraktion deutlich zu machen: Für uns ist eine gute Familienpolitik eines der Kernelemente unserer politischen Agenda. Wir wollen Familien die bestmöglichen Rahmenbedingungen bieten.

(Zurufe von der AfD)

Dabei achten wir auch auf die nachhaltige Finanzierbarkeit. Denn eine dauerhafte finanzielle Handlungsfähigkeit ist ebenso eine Frage der Nachhaltigkeit und einer guten Familienpolitik. 

Dass Alleinerziehende und Einelternfamilien vor besonderen Herausforderungen stehen, ist unbestritten. Dass ihr Anteil in Sachsen-Anhalt mit 30 % an der Gesamtzahl von Familien relativ hoch ist, ist ebenfalls unbestritten. 

Die Beantwortung des umfangreichen Fragenkatalogs der Großen Anfrage macht aber auch deutlich, dass uns verschiedene statistische Daten fehlen. Die Ursachen hierfür sind unterschiedlich. Aber man muss tatsächlich auch die Frage stellen, ob man für politische Entscheidungen die Daten jeweils en détail braucht. Ich würde das so nicht unterschreiben. 

Bei Alleinerziehenden sind Frauen deutlich in der Überzahl. Es gibt relativ wenige alleinerziehende Männer; aber es gibt sie.

(Guido Heuer, CDU: Ich war einer!)

- Mein Fraktionsvorsitzender war ein solcher. 

(Zuruf von Guido Heuer, CDU)

Wie bereits dargestellt, wollen wir als CDU-Landtagsfraktion alle Familien unterstützen und dabei die besonderen Herausforderungen für Alleinerziehende gesondert berücksichtigen. Fraglich ist, ob es dafür immer gesonderter Unterstützungs- und Förderungsmaßnahmen bedarf oder ob nicht bereits vorhandene Programme qualifiziert bzw. weiterentwickelt werden können. 

Die meisten Sozialleistungen orientieren sich am vorhandenen Einkommen bzw. Vermögen. Wenn Alleinerziehende also nur über ein Einkommen verfügen, sind sie voraussichtlich schneller antragsberechtigt als Familien mit Doppeleinkommen. 

In verschiedenen Gesprächen und Austauschformaten wurde eines immer wieder deutlich: Die Menschen wünschen sich, dass ihre Daten zentral an einem digitalen Ort verwaltet werden und damit allen staatlichen Behörden zur Verfügung stehen, auch für die Beantragung von Sozialleistungen. 

Wenn Betroffene immer wieder die gleichen Daten in Formulare eintragen müssen, ist das nicht nur ermüdend für sie selbst, sondern produziert auch einen erheblichen bürokratischen Aufwand. Wenn wir das Schlagwort des Bürokratieabbaus wirklich mit Leben erfüllen wollen, haben wir hier eine gute und lohnenswerte Gelegenheit, dies in der Realität umzusetzen. 

Bereits vor der Geburt steht Alleinerziehenden, aber nicht nur diesen, ein umfangreiches Beratungs- und Unterstützungsangebot zur Verfügung - angefangen von den Schwangerschaftsberatungsstellen über Stiftungen, wie „Familie in Not - Sachsen-Anhalt“, bis hin zu Familienberatungsstellen. Dieses umfangreiche Netzwerk von Angeboten wird maßgeblich vom Land Sachsen-Anhalt finanziert. Auch für spätere Lebensphasen gibt es ein vielfältiges Beratungs- und Unterstützungsangebot. Eine besondere Herausforderung stellt dabei sicher die Erreichbarkeit dar. 

Was in Magdeburg, Halle (Saale) und Dessau-Roßlau im Regelfall unproblematisch ist, kann in ländlich geprägten Regionen wie der Altmark oder dem Landkreis Mansfeld-Südharz schwierig sein. Digitale Angebote sind in diesem Zusammenhang eine wichtige Ergänzung. 

Persönlich möchte ich darauf hinweisen, dass wir bereits bei der Sexualaufklärung junger Menschen in unserem Land im Sinne der Wissensvermittlung aktiv werden müssen. 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz aller berechtigten Kritikpunkte am aktuellen Kinderförderungsgesetz ist festzuhalten: Der Umfang des Betreuungsanspruchs, der mit der Geburt des Kindes beginnt, gilt auch im bundesweiten Vergleich als vorbildlich. 

(Zustimmung)

Unter anderem im Rahmen der Netzwerke „Frühe Hilfen” und durch Familienhebammen werden junge Eltern, insbesondere auch Alleinerziehende, von Anfang an unterstützt.

Mit dem Anspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen, den wir in Sachsen-Anhalt bereits heute durch entsprechende Hortangebote realisieren, unterstützen Grundschulen und Träger der Horte Alleinerziehende bei der Gestaltung ihres Alltags. 

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist zweifellos eine besondere Herausforderung für Alleinerziehende, den Spagat zwischen der Betreuung des Kindes, der eigenen Berufstätigkeit und der eigenen Erholung zu schaffen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

In der Realität fällt aufgrund der begrenzten Ressourcen gerade dieser letzte Punkt häufig weg. Das hat fast automatisch negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen. 

Mit den geschilderten Entlastungsangeboten und mit weiteren Maßnahmen wollen und werden wir Alleinerziehende in ihrem Leben stärken. Dabei kann der Austausch mit anderen Alleinerziehenden im Rahmen von Gesprächsmöglichkeiten ein wichtiger Baustein zur Bewältigung der Herausforderungen sein. 

Um es noch einmal klarzustellen: Wir setzen darauf, dass beide Elternteile ihrer Verantwortung nachkommen und ihren Beitrag leisten. Im Rahmen der Großen Anfrage wurde das Thema des Unterhaltsvorschussgesetzes aufgegriffen. Die damalige Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes und damit die Entfristung dieser Leistung waren absolut richtig und notwendig. Es bleibt aber zweifelsohne eine Daueraufgabe, dafür zu sorgen, dass Unterhaltspflichtige tatsächlich ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen. 

Es sei mir die persönliche Bemerkung gestattet, dass ich keinerlei Toleranz für Menschen habe, die sich ihren aus der Elternschaft resultierenden Verpflichtungen bewusst entziehen, bspw. durch Einkommens- und Vermögensverschleierung oder eine reduzierte Erwerbstätigkeit.

(Beifall bei der CDU)

An dieser Stelle darf natürlich auch die Situation der Kinder nicht unerwähnt bleiben. In belastenden Lebenssituationen sind es häufig sie, die die Folgen sichtbar und unsichtbar zu tragen haben. Dabei geht es nicht nur um monetäre Aspekte. Es geht auch um emotionale Situationen, insbesondere wenn sich Eltern nicht einvernehmlich getrennt haben. Ich denke, jede und jeder hier im Saal kennt Beispiele, in denen eine beendete Beziehung in einem Rosenkrieg endete, und das häufig zulasten der Kinder, die dann in manchen Fällen in diesen Konflikten durch die Erwachsenen für die jeweiligen Interessen instrumentalisiert werden. 

Den Jugendämtern und ggf. auch den beteiligten freien Trägern kommt hierbei eine bedeutsame Rolle zu. Die überparteiliche Wahrnehmung der Interessen der Kinder muss das Fundament jeder Entscheidung sein; denn das Kindeswohl muss immer oberste Priorität haben. 

(Zustimmung)

Ich möchte jetzt zu dem Thema der beruflichen Qualifikation bzw. Berufsausübung kommen. Das Land ist bereits aktiv geworden, um Alleinerziehende beim Erwerb eines qualifizierten Berufsabschlusses zu unterstützen. Dieser Berufsabschluss ist Voraussetzung für sehr vieles. Daneben sind aber auch die Ausbildungsbetriebe, Behörden und beteiligten Bildungseinrichtungen gefordert, im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die Belange von Alleinerziehenden einzugehen. Zum Beispiel sind die Hochschulen im Land aktiv, um alleinerziehende Studentinnen und Studenten bei der Bewältigung ihres Studiums und der Ermöglichung eines Studienabschlusses zu unterstützen. Wir können es uns als Land gar nicht erlauben, die Chance zur Gewinnung qualifizierter Fach- und Arbeitskräfte ungenutzt zu lassen. 

Dass Alleinerziehende überdurchschnittlich oft von Teilzeitbeschäftigung betroffen sind, ist allgemein bekannt. Manchmal ist es eine bewusste Entscheidung, aber mindestens ebenso häufig eine Notwendigkeit. Wir müssen also für die Rahmenbedingungen sorgen, damit auch Alleinerziehende, wenn sie es wollen, in Vollzeit arbeiten können. 

Das steigert nicht nur das Erwerbseinkommen, das ebenfalls positive Auswirkungen auf die Alterssicherung hat, sondern sorgt auch für eine Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe.

(Zustimmung bei der CDU - Marco Tullner, CDU: Sehr richtig!)

In Zeiten des Arbeits- und Fachkräftemangels muss es auch im Interesse der Arbeitgeber liegen, hierzu einen Beitrag zu leisten. Das wird sicherlich einer Behörde oder einem größeren Unternehmen leichter fallen als einem kleinen Handwerksbetrieb.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen und wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass Familien insgesamt und Alleinerziehende im Besonderen die Unterstützung durch unser Land erhalten, die sie verdienen. Unser Land muss attraktiv sein für Familien, die hier schon wohnen, und für diejenigen, die hierherkommen, um sich ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und sich durch Erwerbseinkommen ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Den vorliegenden Entschließungsantrag möchten wir als Koalition in den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung überweisen, um uns noch weiter mit diesem Thema auseinanderzusetzen; denn, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ob alleinerziehend oder in der klassischen Familie lebend - die Probleme und Herausforderungen, denen sich diese Menschen stellen müssen, müssen auf unserer politischen Agenda bleiben, und sie sind es auch. Wir werden dafür sorgen, das Bestmögliche für diesen Personenkreis zu tun. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)