Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die solidarische Pflichtversicherung ist schon seit Jahren ein zentrales Anliegen meines Kollegen Prof. Willingmann. Erst kürzlich hat er sich bei der Umweltministerkonferenz mit den Kollegen der anderen Länder und dem neuen Bundesumweltminister dazu intensiv ausgetauscht. Ich bin deshalb auch überzeugt davon, dass er diese Rede sehr selbst gehalten hätte. Sie wissen, dass er heute im Bundesrat ist.

Ich übernehme die Rede dennoch sehr gern; denn die Frage, wie wir Bürgerinnen und Bürger künftig besser gegen klimabedingte Schäden absichern, ist auch für das Sozialressort von zentraler Bedeutung, geht es doch gerade in Katastrophenfällen um ganze Existenzen, die dann auf dem Spiel stehen.

Punkt 1 Ihres Antrages stellt fest, dass Extremwetterereignisse wie Starkregen und Überflutungen infolge des Klimawandels zunehmen und immense Schäden verursachen. Das ist völlig richtig und wissenschaftlich breit belegt. Ich möchte das an einem ganz aktuellen Beispiel verdeutlichen. 

Am 23. Mai dieses Jahres kam es im Landkreis Harz zu einem heftigen Starkregenereignis. Innerhalb von nur 15 Minuten fielen stellenweise bis zu 50 mm Regen mit massiven Folgen für Orte wie Zilly, Berßel, Dardesheim und Anderbeck. Mehrere Hundert Einsatzkräfte waren im Einsatz, um die plötzlich auftretenden Überflutungen zu bekämpfen und die Schäden zu beseitigen.

Solche Ereignisse häufig sich, und leider gewöhnen wir uns viel zu schnell daran. Doch als politisch Verantwortliche dürfen wir uns daran nicht gewöhnen. Wir müssen Vorsorge treffen, und das auf allen Ebenen.

Die Menschen dürfen mit den finanziellen Folgen von Hochwasser und Starkregen nicht länger alleingelassen werden. Eine solidarisch ausgestaltete Pflichtversicherung ist ein geeigneter Weg, um dem entgegenzuwirken.

Zwar gibt es in Deutschland bereits die Möglichkeit, sich gegen Elementarschäden zu versichern, doch die Realität sieht ernüchternd aus. Die Versicherungsdichte liegt bundesweit nur bei rund 50 %. In besonders gefährdeten Gebieten, in denen die Policen ohnehin höher sind, ist sie teilweise sogar noch geringer.

Das ist kein neues Problem. Bereits nach den Hochwasserereignissen in den Jahren 2002 und 2013 wurde intensiv über eine Pflichtversicherung diskutiert. Verfassungsrechtliche Bedanken haben es damals verhindert, dass eine bundeseinheitliche Regelung eingeführt wurde. Die Folge war: Der Staat sprang ein, oft sehr großzügig, auch für Haushalte, die keine Versicherung abgeschlossen hatten. Das ist zwar menschlich nachvollziehbar, aber es ist langfristig weder finanzierbar noch gerecht.

Nach der Flutkatastrophe im Jahr 2021 wurde durch ein Rechtsgutachten des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen bestätigt, dass eine Pflichtversicherung rechtlich durchaus möglich ist. Genau deshalb möchte ich an dieser Stelle Folgendes betonen: Wir begrüßen Ihren Antrag, aber wir sind in der Sache schon einen entscheidenden Schritt weiter.

In der Folge des Hochwasserereignisses im Jahr 2021 an der Ahr und anderen Gewässern mit einem bilanzierten Schaden von mehr als 40 Milliarden € haben sich die Umweltministerkonferenz sowie die Ministerpräsidentenkonferenz wiederholt intensiv mit dem Thema befasst. Mein Kollege Prof. Willingmann hat sich hierbei mit großem Nachdruck für eine tragfähige Lösung eingesetzt, zuletzt bei der letzten Umweltministerkonferenz am 15. Mai 2025. Die Beschlüsse, die dort gefasst wurden, sind wichtig und wegweisend, greifen sie doch die Ansätze im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung auf und konkretisieren diese.

Lassen Sie mich kurz darauf eingehen. Erstens. Im Neugeschäft der Wohngebäudeversicherungen sollen Policen künftig nur noch mit einer Elementarschadenkomponente angeboten werden.

Zweitens. Auch im Bestandsgeschäft sollen alle Policen zu einem bestimmten Stichtag entsprechend erweitert werden.

Drittens. Sollte sich zeigen, dass dieses freiwillige System nicht ausreichend Wirkung entfaltet, ist ausdrücklich vereinbart, die Einführung einer Pflichtversicherung weiterzuverfolgen. Dies ist ein wichtiger Punkt, da damit die Möglichkeit eröffnet wird, zu einem späteren Zeitpunkt den Prozess zu bilanzieren und die Möglichkeit einer sozialverträglichen Pflichtversicherung im Bereich der Wohngebäude wieder konkret in die Diskussion zu bringen.

Mit dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung und den Beschlüssen der Umweltministerkonferenz ist damit der politische Rahmen gesetzt. Nun geht es darum, diesen Prozess durch die Bundesregierung konsequent weiterzuführen, die Ergebnisse zu evaluieren und, falls notwendig, die Pflichtversicherung gesetzlich zu verankern.

Ich freue mich   das kann ich noch einmal sagen  , dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Sachlage weitgehend so einschätzt, wie wir das tun. Der Unterschied liegt weniger in der Zielsetzung als in der Bewertung des richtigen Zeitpunktes und der Vorgehensweise. Ja, wir brauchen eine solidarische Absicherung für alle Menschen in Deutschland gegen die Folgen des Klimawandels, aber wie brauchen sie rechtssicher, sozial ausgewogen und vor allen Dingen politisch mehrheitsfähig. Die nächsten Monate werden dabei entscheidend sein. Als Land bringen wir uns aktiv in die weitere Ausgestaltung ein mit dem klaren Ziel, für mehr Resilienz, mehr Gerechtigkeit und mehr Sicherheit zu sorgen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.