Konstantin Pott (FDP): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sachsen-Anhalt droht ein langsames Ausbluten. Neulich erst kamen die neuen Prognosen für die Bevölkerungsentwicklung in Sachsen-Anhalt heraus. Bis 2040 wird ein Verlust von ca. 320 000 Menschen erwartet, womit die Bevölkerungszahl des Landes deutlich unter die 2 Millionen-Marke sinkt. 

Wir müssen diese Entwicklung aber nicht abwarten   wie das Kaninchen vor der Schlange  , sondern wir können auch ganz aktiv dagegen angehen. Gerade die internationalen Entwicklungen bieten große Chance für uns. Donald Trump kürzt Forschungsgelder, verweigert ausländischen Studentinnen und Studenten Aufenthaltsgenehmigungen und greift ganz willkürlich in die Wissenschaftslandschaft in den USA ein - ein Land, das bis dato für internationale Wissenschaftler häufig das gelobte Land war. 

Aber nicht nur in den USA, sondern auch in vielen anderen Ländern hat sich in den letzten zehn Jahren die Freiheit der Wissenschaft negativ entwickelt, darunter auch westliche Demokratien, z. B Finnland. Laut Academic Freedom Index ist die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit nur gering bspw. in Deutschland, das damit zu den 20 % der Länder gehört, in denen Wissenschaftler noch frei forschen können. 

Wie kann Sachsen-Anhalt angesichts der immer stärker werdenden Einschränkungen in der Wissenschaftslandschaft in der Welt internationalen Studentinnen und Studenten und Wissenschaftlern eine Chance auf freie Forschung bieten und das Land außerdem in Wissenschaft und Wirtschaft voranbringen? Wie kann Sachsen-Anhalt internationale Studierende langfristig an das Land binden? Diese Frage ist von großer Bedeutung; denn unsere Zukunft hängt maßgeblich von einer offenen, innovativen und vielfältigen Wissenschafts- und Bildungslandschaft ab. 

(Beifall von der FDP)

Internationale Studentinnen und Studenten sind wertvoll für unser Land. Sie bringen nicht nur ihre kulturelle Vielfalt und neue Perspektiven mit, sondern tragen auch wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung, zur Innovation und zu internationalem Austausch bei. Unsere Hochschulen profitieren von ihrer Kreativität und ihrem Engagement, und wir profitieren, wenn alles gut geht, von Fachkräften, die nach ihrem Studium in unserem Bundesland bleiben. 

Doch in einer Zeit, in der die Wissenschaftsfreiheit in einigen Ländern eingeschränkt wird und in der die AfD mit ihren Parolen nicht unbedingt für Offenheit in der Wissenschaft sorgt, gibt es neue Herausforderungen. Studierende aus Ländern, in denen die akademische Freiheit bedroht ist, können sich verunsichert fühlen oder nach Alternativen suchen. Und hier liegt eine große Chance für Sachsen-Anhalt. Wir müssen proaktiv um die internationalen Studentinnen und Studenten werben. Wir müssen die Vorzüge eines Studiums in Sachsen-Anhalt bewerben und wir müssen ihnen dafür eine sichere und offene Umgebung bieten. 

(Beifall bei der FDP)

Wie können wir also dafür sorgen, dass sich internationale Studentinnen und Studenten, insbesondere aus Ländern mit eingeschränkter Wissenschaftsfreiheit, für Sachsen-Anhalt begeistern lassen? - Wir müssen in meinen Augen die hiesigen hervorragenden Forschungs- und Studienangebote deutlich besser herausstellen und unsere Hochschulen weiterhin als Orte der Innovation und der Freiheit positionieren. 

Das bedeutet, exzellente Forschungsprojekte, moderne Studiengänge und eine offene akademische Kultur zu fördern. Die Auszeichnung der Universität Halle mit dem Exzellenz-Cluster ist ein großes Pfund, mit dem wir jetzt endlich auch aktiv werben können. Das sollten wir auch tun, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP, und bei der SPD)

Mit gezielten Kommunikations- und Marketingkampagnen sollten unsere Stärken im In- und Ausland sichtbar gemacht werden, etwa durch internationale Ansprachen, aber auch durch Partnerschaften mit unterschiedlichen internationalen Akteuren. 

Wir brauchen in Sachsen-Anhalt auch eine Willkommenskultur für Fachkräfte und für die Menschen, die hier anpacken wollen. Aktuell ist der Eindruck, den wir dabei leider immer wieder erwecken, alles andere als positiv. Zu deutlich sind teilweise die Signale aus der Gesellschaft, dass auch internationale Studentinnen und Studenten nicht erwünscht sind. Aber nur mit in- und ausländischen Fachkräften können wir Sachsen-Anhalt voranbringen. 

Für internationale Studenten ist es wichtig, sich willkommen und gut betreut zu fühlen. Deshalb brauchen wir die richtigen Rahmenbedingungen, die dazu führen, dass sich die Menschen hier gut aufgenommen fühlen, und die eine gelingende Integration fördern. Letztlich muss es sich auch für internationale Studierende lohnen, hier Leistungen zu erbringen, sich mit Unternehmen zu vernetzen und vielleicht auch selbst erfolgreich ein Unternehmen zu gründen.

Ich möchte an dieser Stelle auf einen Aspekt eingehen, der mir persönlich sehr wichtig ist und der mich sehr umtreibt. Ich war neulich bei einer Veranstaltung an der Universität Halle, bei welcher es um Antisemitismus an Hochschulen ging und darüber diskutiert wurde. Die Erfahrungsberichte, die dort vorgetragen wurden, haben mich, ehrlich gesagt, schockiert. Ich kannte natürlich einzelne Vorfälle auch an Hochschulen in Sachsen-Anhalt. Aber wenn jüdische Studenten nicht mehr ohne Sorge in die Uni oder in die Hochschule gehen können, wenn versucht wird, sie vom wissenschaftlichen Diskurs auszuschließen, dann werden wir uns dagegenstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Antisemitismus hat an unseren Hochschulen keinen Platz. Deshalb bin ich auch dem Großteil der Hochschulen dankbar dafür, dass sie dort klare Kante gezeigt haben und antisemitischen Veranstaltungen kein Raum geboten wird.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN) 

Doch die Gewinnung ausländischer Studierender ist nur der erste Schritt. Es reicht nicht aus, dass die wissenschaftlichen Talente aus dem In- und dem Ausland hier studieren. Sie müssen auch im Land bleiben. Absolventen bringen Innovationen voran und entwickeln neue Geschäftsmodelle. Sie stärken durch ihre Steuern den öffentlichen Haushalt und natürlich in erster Linie auch die Wirtschaft des Landes. 

Derzeit ist Sachsen-Anhalt aber der größte Bildungsverlierer in Deutschland. Was heißt das genau? Das heißt nicht etwa, dass hier die dümmsten Menschen leben oder studieren, sondern dass in keinem anderen Bundesland derzeit mehr Studenten nach ihrem Abschluss das Land wieder verlassen. 63 % aller Hochschulabsolventen verlassen das Land Sachsen-Anhalt nach Beendigung des Studiums. 

Wir zahlen also dafür, dass andere Bundesländer gut ausgebildete Fachkräfte bekommen. Langfristig muss es unser Ziel sein, dass Sachsen-Anhalt zum Bildungsgewinner wird.

(Beifall bei der FDP) 

Mir ist wichtig, an dieser Stelle zu betonen, dass wir an den Zahlen sehen können, dass wir eine attraktive Hochschullandschaft haben. Wir müssen also jetzt Strategien entwickeln, damit die jungen Menschen nicht nur hier studieren, sondern auch langfristig hierbleiben wollen. Dazu, wie wir das erreichen können, haben wir als Freie Demokraten mehrere Vorschläge. Beispielsweise   ich glaube, das ist der wichtigste Punkt   ist die Förderung von Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen wichtig. 

Studenten, die schon zu einem frühen Zeitpunkt in ihrem Studium an ein Unternehmen gebunden werden oder sich vernetzen können, bleiben eher im Land. Das bietet nicht nur einen Vorteil für die Studenten, sondern auch für die Unternehmen; denn sie können dadurch schon frühzeitig während des Studiums Studenten als Mitarbeiter an sich binden und müssen dann nicht mehr lange Auswahlprozesse vornehmen oder lange nach Fachkräften suchen. Ich glaube, wenn wir in diesem Bereich die Akteure enger vernetzen und zusammenbringen, dann wäre das ein massiver Fortschritt für die Wissenschaftslandschaft in Sachsen-Anhalt und natürlich auch für die Wirtschaft.

Wir sollten bspw. auch Praktika- oder Trainee-Programme und Jobangebote in regionalen Unternehmen fördern, um den Übergang vom Studium in den Beruf zu erleichtern und somit attraktive Karriereperspektiven zu schaffen. 

Sachsen-Anhalt bietet eine hohe Lebensqualität. Günstige Mieten, eine breite Kulturlandschaft und eine schöne Natur. Diese Aspekte sollten wir ebenfalls aktiv bewerben und in unsere Angebote integrieren. 

Natürlich können auch Gründungsförderung und Innovationszentren Studenten ermutigen, ihre eigenen Ideen umzusetzen und hier im Bundesland zu bleiben und ein Unternehmen zu gründen. Wir brauchen also auch in diesem Bereich bessere Rahmenbedingungen für Ausgründungen aus den Hochschulen. Dafür müssen wir die Bedingungen noch weiter verbessern. Ich glaube, da haben wir auch noch Luft nach oben. 

Abschließend möchte ich an Sie appellieren: Die Herausforderungen sind nur gemeinsam zu bewältigen, wir brauchen daher eine enge Vernetzung. Hochschulen, Wirtschaft, Politik und die Gesellschaft müssen Hand in Hand gehen und arbeiten, um Sachsen-Anhalt zu einem Ort zu machen, an dem Wissenschaftsfreiheit gelebt wird, Innovation gedeiht, Unternehmen sich ansiedeln und unser Land weiter nach vorn bringen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. 

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der SPD) 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Vielen Dank, Herr Pott. Es gibt eine Nachfrage, und zwar von Herrn Rausch senior, sofern Sie diese zulassen. - Ja. - Herr Daniel Rausch, bitte. 


Daniel Rausch (AfD): 

Sehr geehrter Herr Pott, Sie sprachen von Antisemitismus an der Universität in Halle. Ich möchte gern nachfragen: Aus welcher Ecke oder aus welchem Spektrum kommt denn der Antisemitismus dort?


Konstantin Pott (FDP): 

Das kann ich ganz offen sagen. Beispiele, die dort genannt wurden, waren Aktionen der Students for Palestine, die dort teilweise Blockaden durchgeführt haben und dafür gesorgt haben, dass jüdische Studentinnen und Studenten nicht in die Universität gehen konnten.

(Zuruf von der AfD: Unglaublich! - Weitere Zurufe von der AfD)

Das sind Berichte, die dort vorgetragen wurden. Ich glaube, dem müssen wir uns aktiv entgegenstellen.