Olaf Meister (GRÜNE):
Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Es dürfte nicht überraschen, dass wir Bündnisgrünen für soziale und ökologische Mindeststandards bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sind.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Die Kunst des Vergabegesetzes besteht hinsichtlich dieser Aspekte in der Frage: Was kann, was sollte man insoweit regeln, um die entsprechenden sozialen und ökologischen Ziele der öffentlichen Hand zu erreichen? Aber auch: Was sollte vor dem Hintergrund von Bürokratielasten und zügigen Beschaffungsverfahren lieber außerhalb des Vergaberechts geregelt werden?
Die Koalition hatte im Jahr 2022 in einem an der Grenze zum Absurden liegenden Hopplahopp-Gesetzgebungsverfahren unausgegorene Kompromisse ohne Anhörung ins Gesetzesblatt gekippt. Herr Gallert ist eben kurz darauf eingegangen, wie das im Ausschuss vonstattenging, also wirklich eine schwarze Stunde des Ausschusses. Dass da nun eine Reparatur ansteht, ist folgerichtig. Ein Gesetz, das nicht praxistauglich ist, wird zur Belastung für Unternehmen und Verwaltung und schadet am Ende auch den sozialen Zielen, die es eigentlich verfolgt. Das Ergebnis war ein Gesetz, das in der Anwendung zu Bürokratieunsicherheiten und zu zum Teil nicht nachvollziehbaren Ergebnissen geführt hat.
Der jetzige Entwurf belässt es aber nicht bei einer Reparatur. Gestern sagte der Fraktionsvorsitzende der CDU, es gehe um die faktische Aussetzung des Landesvergabegesetzes. Das ist ehrlich, wenn mich auch die bewusste, triumphierende öffentliche Demütigung des Koalitionspartners, der das ganz stark gemacht hat in der Vergangenheit, befremdet hat, bei einem Tagesordnungspunkt, bei dem es gar nicht um das Gesetz ging.
Nach dem Gesetzentwurf bleibt nicht viel von der sozialen Komponente; eine ökologische gab es ohnehin nicht. Sowohl Herr Thomas als auch Herr Gallert sind auf die Schwellenwerte und die entsprechenden Folgen eingegangen.
Mit Sorge betrachten wir darüber hinaus die erhebliche Ausweitung der sehr einfachen Vergaben. Der eigentliche Sinn des Vergaberechts sind die Korruptionsvermeidung und die Sicherung des Wettbewerbs.
Zu dieser 100 000 €-Schwelle. Ich glaube, der Minister war es, der das Beispiel brachte: Dann kann der Bürgermeister auch dem Tischler aus dem Nachbardorf den Auftrag geben. - Das konnte er bisher auch machen.
(Ulrich Thomas, CDU: Was ist denn daran schlimm?)
- Die Frage bei dem Punkt ist: Er kann das machen, aber das wird dann passieren, wenn sich der Tischlermeister besonders gut mit dem Bürgermeister auskennt. Das ist doch logo.
(Ulrich Thomas, CDU: Das sind doch unbelegte Behauptungen!)
- Das ist keine unbelegte Behauptung. - Wir machen ein Gesetz, das allgemeingültig ist, das diese Regeln hat.
(Zustimmung bei den GRÜNEN - Guido Heuer, CDU: Was sagen Sie über den Bürgermeister? Ehrlich!)
- Du weißt doch gar nicht, welchen Bürgermeister ich jetzt gemeint haben könnte.
(Guido Heuer, CDU: Jeden Bürgermeister!)
Nein, wir regeln das hier generell. Wir haben in dem Gesetz Korruptionsdinge zu regeln, und ihr sagt: Na ja, das wird dann eben so gemacht, das ist freihändig. 100 000 € - das ist eine Riesensumme für eine kommunale Vergabe; das wisst ihr. Insofern ist insbesondere das, finde ich, ein Punkt, den man betrachten muss, auch bei der weiteren Verfahrensweise. Das wird, wenn es falsch läuft, auf Dauer teuer. Es ist verheerend für den Rechtsfrieden, nämlich für den Tischlermeister in dem anderen Dorf, der sich dann nicht mitgenommen fühlt, und für das Vertrauen in die ordnungsgemäße Verwaltung.
Zumindest sollte der Gesetzentwurf diesmal ordentlich verhandelt werden. Dazu bedarf es erst einmal einer Anhörung. Die Begründung zu dem Gesetzentwurf auch darauf ist Kollege Gallert eingegangen hat mich an eine Nebelkerze erinnert; wenn man es liest, weiß man nicht, was tatsächlich die Rechtswirkung ist. Das ist bei anderen Gesetzentwürfen anders. Es ist ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen und insofern kann man daran durchaus andere Maßstäbe anlegen. Trotzdem meine ich, das muss jetzt ordentlich durchgeführt werden.
Dazu braucht es eine Anhörung der Beteiligten, der Akteure: Unternehmen, Verbände, Gewerkschaften und Kommunen. Insbesondere Kommunen und ihre Spitzenverbände sind hierzu anzuhören. Ich sage das so ausführlich, weil wir bei den bisherigen Gesetzgebungsverfahren tatsächlich die Erfahrung gemacht haben, dass es nicht klappte, und weil heute in den verschiedenen Reden wieder ein enormer Zeitdruck aufgebaut wird. Das tut einem Gesetz, wie wir gesehen haben, nicht gut.
Insgesamt stehen wir diesem Gesetzesvorhaben ausgesprochen kritisch gegenüber. Einer Überweisung werden wir jedoch zustimmen. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Herr Meister. - Es gibt eine Kurzintervention von Herrn Heuer.
Guido Heuer (CDU):
Sehr geehrter Herr Meister! Ich halte hier einmal für das Protokoll fest: Sie unterstellen den Bürgermeistern, wenn sie sich mit jemandem gut verstehen, was auf Dörfern übrigens nicht ungewöhnlich ist,
(Olaf Meister, GRÜNE: Ja, eben!)
einfach nur Korruption und Vetternwirtschaft. Sie schaden mit dieser Aussage der lokalen Wirtschaft. Sie haben es also lieber das auch einmal aus ökologischer Sicht , dass für einen Auftrag mit einem Umfang bis zu 100 000 € ein Unternehmen aus Bayern nach Sachsen-Anhalt kommt. Die fahren über die Autobahn und dabei wird CO2 freigesetzt. Das muss man ehrlich sagen.
Eines haben Sie hier bewiesen: Sie sind die Partei, die die Bürger und die Amtsträger vor Ort kontrollieren will, ohne dass diese selbst entscheiden können. Das hat wieder bewiesen, wofür die GRÜNEN stehen.
(Zustimmung bei der CDU und von Andreas Silbersack, FDP)
Olaf Meister (GRÜNE):
Nein, nein, in keiner Weise. Wir stehen für das Rechtsstaatsprinzip,
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
und das Rechtsstaatsprinzip hat eben zur Folge, dass es, wenn ich mit öffentlichen Mitteln umgehe das sind Steuermittel , ordentlich zu passieren hat.
(Tobias Rausch, AfD: Wie war denn das bei Northvolt? - Zuruf von Daniel Roi, AfD)
Mit derselben Begründung könntest du fordern: Die Landeshaushaltsordnung ist grober Unfug, das ist eine Bevormundung des Finanzministeriums - wieso machen wir denn das? Die werden doch ordentlich mit Geld umgehen. - Ja, natürlich erwarte ich, dass die Leute ordentlich mit Geld umgehen. Trotzdem muss ich Regeln aufstellen.
Zu unseren Bürgermeistern: Ich vertraue den Bürgermeistern. Das sind ordentliche Leute, die sind gewählt, die sind eingebettet in ihre kommunalen Strukturen. Trotzdem weiß ich, dass es in der Vergangenheit auch Korruptionsvorgänge gegeben hat. Das ist ganz normal, wenn ich eine Verwaltung ab einer bestimmten Größe habe. Das ist logo. Es wird mit Geld umgegangen, da spielen Gewinninteressen eine Rolle, und darauf muss ich als Gesetzgeber reagieren, ich muss das antizipieren und sagen: Was mache ich denn, um das zu vermeiden?
Aber von 15 000 € ich glaube, so viel war es bisher; bei einem so kleinen Wert finde ich es okay, das so zumachen auf 100 000 € zu gehen und zu sagen, das findet jetzt hier praktisch nicht mehr statt, das ist krass. Lasst uns einmal in einer Anhörung mit Leuten, die Korruptionsvermeidung machen die können wir dann einladen , darüber reden, ob das tatsächlich eine gute Idee ist oder ob man da nicht etwas tun sollte, um unsere öffentlichen Finanzen und auch die Interessen der Wettbewerber dabei geht es doch um die Unternehmer zu schützen. Das ist doch der Witz.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Frau Dr. Pähle hat sich bei Ihrem letzten Wort gemeldet. Sie hat es richtig gut auf die Reihe gekriegt, just in time. - Bitte.
Dr. Katja Pähle (SPD):
Vielen Dank, Herr Vorsitzender. - Werter Kollege Meister, das, was mich ein bisschen stört, ist Ihre Darstellung, dass bei freihändiger Vergabe irgendwie gar keine Regeln gelten. Erstens. Nach meinem Verständnis bedeutet auch eine freihändige Vergabe, dass es Angebote braucht, eine beschränkte Anzahl, aber es muss Angebote geben.
(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)
Zweitens. Auch bei kommunalen freihändigen Vergaben auf der Grundlage von drei Angeboten ist es in den seltensten Fällen um nicht zu sagen: in gar keinem Fall der Allmächtigkeit des Bürgermeisters oder des Landrates anheimgestellt. Vielmehr gibt es dazu oftmals auch Gremiensitzungen, Sitzungen des Gemeinderates, des Stadtrates oder des Vergabeausschusses.
Soweit ich weiß, werden Ausgaben auch auf der kommunalen Ebene, auch unter dem Schwellenwert von 100 000 €, den Sie so stark kritisiert haben, durch Rechnungsprüfungsämter etc. pp. immer wieder hinterfragt.
(Zuruf: Genau so!)
Deswegen habe ich jetzt die Frage: Ich kann die Kritik an der Stelle ja nachvollziehen, aber meinen Sie nicht auch, dass Sie mit dieser Darstellung, das öffne einem Handeln nach Gutdünken auf der kommunalen Ebene Tür und Tor, nicht doch über das Ziel hinausgeschossen sind?
(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)
Olaf Meister (GRÜNE):
In meiner Darstellung bin ich auf die Darlegungen der Vorredner eingegangen, in denen das so gesagt wurde ich habe das zitiert : Der Bürgermeister macht das. Das ist das Bild, das tatsächlich gezeichnet wird.
Diese Regelung mit den drei Angeboten ist in der Praxis natürlich so eine Sache. Wer mit Unternehmern spricht, der weiß, dass man als Unternehmer auch einmal gebeten wird: Kannst du mal ein Angebot in der Sache? Der meint das vielleicht nicht ganz ernst.
(Zuruf von Alexander Räuscher, CDU)
Es stellt sich dann die Frage: Ist das tatsächlich ein Angebot, das sich am Wettbewerb orientiert? Dieses freihändige Vergabeverfahren hat dabei eine Unschärfe.
(Zuruf von Alexander Räuscher, CDU)
Bei kleinen Werten kann ich das völlig akzeptieren; das ist okay, weil es dabei tatsächlich um Entbürokratisierung geht. Umso höher die Beträge werden, umso kritischer muss man es, meine ich, sehen. Bei diesem Wert stellt sich vor allem bei kleinen Kommunen die Frage: Welche Vergaben liegen denn noch darüber? Ich bin skeptisch, dass es eine sinnvolle Regelung ist, das so drastisch zu erhöhen. Bei der bisherigen Regelung mit 50 000 € hatte man sich etwas gedacht. Wenn es nur 25 000 € gewesen wären und man es jetzt angesichts der Inflation Aber das wirklich bewusst zu streichen das ist ja der Sinn des Gesetzes: raus damit , dazu habe ich meine Zweifel.
Das sollten wir uns in einer Anhörung angucken. Ich würde mich freuen, wenn wir Leute einladen, die sich mit Korruptionsbekämpfung auskennen und die einmal einschätzen, ob das ein Problem ist. - Danke.