Kristin Heiß (Die Linke):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD nimmt heute den am 2. Juni bekannt gewordenen Referentenentwurf zum Anlass, über das Infrastrukturfinanzierungsgesetz zu reden. Wir wollten bereits vor drei Wochen gern über das Thema sprechen und haben dazu im Finanzausschuss angefragt. Es gab schon fast tumultartige Szenen, als wir uns erdreistet haben zu fragen: Wie ist denn das mit dem Zeitplan, den uns der Herr Richter heute netterweise dargelegt hat?
(Stefan Ruland, CDU: Den hatten wir noch nicht vorliegen, Frau Heiß!)
Und: Wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung der Schuldenbremse? Darum hat es uns gefreut, dass Sie dann heute doch über das Thema sprechen wollten, eben nur drei Wochen später.
(Guido Kosmehl, FDP: Mit Herrn Dr. Schmidt legt man sich auch nicht an!)
Aber kommen wir zu dem Referentenentwurf selbst. Immerhin ist das der Grund für diese schöne Debatte heute. Dieser Entwurf enthält tatsächlich einige Neuigkeiten. So haben wir erfahren, dass jetzt klar definiert ist, in welchen Bereichen der Bund zusätzlich investieren will, wie hoch der Anteil für die kommunalen Investitionen sein soll und wie mit dem Zusätzlichkeitskriterium umgegangen werden soll.
Im Vorfeld haben sich die Finanzminister bereits darüber verständigt, dass man über den Königsteiner Schlüssel verteilt das ist für uns als Sachsen-Anhalt natürlich viel besser als eine reine Verteilung über die Wirtschaftskraft , sodass wir etwas mehr Geld bekommen. Die Minister haben offenbar erkannt, dass die Investitionen in die Länder und Kommunen wirklich dringlich sind.
Wie genau die Gelder an die Kommunen gelangen sollen, das sollen die Länder selbst entscheiden. Der Minister hat gerade gesagt, das sei alles noch sehr vage - wie vieles andere auch. Wir befinden uns noch mitten im Prozess. Daher kann es momentan auch nur Zwischenstände geben. Übrigens würden wir als Opposition uns sehr freuen, wenn wir in diesem Prozess vom Finanzministerium regelmäßig informiert und mitgenommen werden würden - aber das nur am Rande.
(Beifall bei der Linken)
Daher, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ist es schön, dass wir heute über den Inhalt eines Dokumentes sprechen, das Ihrer Bundesregierung vorliegt, uns als Opposition in einem Landesparlament aber nicht gerade in die Postfächer geflogen kommt,
(Dr. Falko Grube, SPD: Ist doch gut, dass wir es euch erzählen! Da erwarten wir mehr Dankbarkeit! - Zuruf von Stefan Gebhardt, Die Linke)
schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass wir diese Debatte vor nicht einmal 48 Stunden beantragt haben. Wozu führt das? - Das führt dazu, dass wir gestern am Rande des Plenums festgestellt haben, dass man mit unterschiedlichen Versionen dieses Referentenentwurfs arbeitet. Eine stammt vom 2. Juni, eine stammt vom 4. Juni. Ob diese Versionen deckungsgleich sind - keine Ahnung. Ich hatte keine Zeit mehr, das zu prüfen. Aber Kollege Dr. Schmidt hat gestern festgestellt, es gibt offensichtlich vier verschiedene Versionen.
Wenn wir also das nächste Mal über ein so wichtiges Thema sprechen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und auch von der gesamten Koalition, dann wäre es sehr hilfreich, wenn die Unterlagen für uns alle einfach zugänglich wären,
(Beifall bei der Linken)
wir einen einheitlichen Sachstand hätten und mehr Zeit hätten, um uns damit zu befassen.
Nachdem wir uns das seit vorgestern und nebenbei im Plenum angelesen haben, haben wir aber doch noch einige Fragen. Unabhängig davon, dass uns allen natürlich bewusst ist, dass dieser Gesetzentwurf noch diverse Änderungen durchlaufen wird, dass er auch noch durch Bundestag und Bundesrat laufen wird und noch nicht einmal durchs Kabinett gelaufen ist, haben wir folgende Fragen.
Inwiefern ist neben den Investitionen in Baumaßnahmen auch die Förderung von Personal möglich? Wie wir hörten, gibt es im Land schon Abfragen zu Personalbedarfen. Ich habe in dem Gesetzentwurf selbst nichts zum Thema Personal gefunden. Glauben Sie wirklich, dass die Verwaltung des Landes es schafft, den im Referentenentwurf vorgegebenen Anteil von einem Drittel des Budgets bis 2029 zu binden? Sachsen-Anhalt, das Land, das immer ewig braucht, um in Gang zu kommen, wenn es um EU-Förderperioden oder um das Corona-Sondervermögen geht, soll das schaffen? Das können wir uns kaum vorstellen. Aber es klingt ambitioniert. Wir sind gespannt.
Wird es im Bereich der Digitalisierung jetzt einen Verschiebebahnhof weg vom Corona-Sondervermögen hin zum Infrastrukturvermögen geben? Wird der kommunale Anteil im Land im Verhältnis 60 : 40, also per gesetzlicher Mindestquote, ausgereicht, oder hat das Finanzministerium vielleicht vor, den kommunalen Anteil zu erhöhen? Wir können uns z. B. eine Verteilung im Verhältnis 70 : 30 zugunsten der kommunalen Familie vorstellen. Immerhin beträgt der Anteil der Kommunen an den Sachinvestitionen von Ländern und Kommunen im Flächenland insgesamt 76 %. Ja, die Kommunen brauchen händeringend diese Investitionen, auch um in Zukunft handlungsfähig zu sein.
Die öffentliche Infrastruktur muss besonders gestärkt werden. Das betrifft Krankenhäuser, Schulen, Kitas, soziale Treffpunkte, soziale Einrichtungen. Kommunale Gesundheitsversorgung ist immer auch ein Teil der Strukturpolitik. Gerade im ländlichen Raum sind die Kliniken extrem wichtig und haben eine übergeordnete Bedeutung. Allein hierfür fehlen 200 Millionen € pro Jahr.
Wir als Land müssen sicherstellen, dass die zusätzlichen Mittel, die für die Wärmenetzplanung der Kommunen eingesetzt werden, eben nicht aus dem Länderanteil, sondern weitgehend aus dem Bundesbudget finanziert werden, damit die Kommunen auch tatsächlich entlastet werden können.
Auch die digitale Infrastruktur bedarf diverser Investitionen. Statt in die technische Ausstattung von Ministerien zu investieren oder riesige KI-Farmen in die Peripherie zu stellen, bedarf es Investitionen in die Infrastruktur, die tatsächlich ankommen. Was die Bevölkerung und auch die Wirtschaft benötigen, ist eine belastbare und flächendeckende digitale Infrastruktur, also einen zielgerichteten Breitbandausbau und eine flächendeckende Mobilfunkabdeckung.
(Beifall bei der Linken)
Mit der gezielten Förderung aus dem Sondervermögen können wir auch im Sinne der Innovationsfähigkeit und Bildung etwas erreichen. Das ist überhaupt die Grundvoraussetzung für KI und Quantencomputing. Unabhängig von unserer Aufzählung ist es natürlich total sinnvoll, vor Ort nach den Bedarfen zu fragen. Wie wir aus der kommunalen Familie gehört haben, gab es auch bei den Landkreisen bereits Abfragen zu den Investitionsbedarfen. Das finden wir gut und richtig.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein Sondervermögen, welches über zwölf Jahre bedient werden soll, kann aber den jahrzehntelang angewachsenen Investitionsstau und die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen nicht heilen.
(Beifall bei der Linken)
Daher müssen wir zeitnah und schnell darüber sprechen, wie wir die strukturellen Probleme in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen langfristig lösen können, anstatt alle zehn Jahre mit der Gießkanne loszulegen.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das wäre mal eine Maßnahme!)
Um die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen zu stärken, bedarf es entsprechender weiterer Reformen. Das heißt aber auch, dass wir eben nicht nur die Aufgaben und Ausgaben nach unten abwälzen, sondern d. h. auch, dass wir die Einnahmesituation von Landkreisen und von Kommunen verbessern müssen. Das zeigen nicht erst die Rechtsstreite beim Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des kommunalen Finanzausgleichs und auch des vertikalen Finanzausgleichs. Die kommunale Familie ist durch die unausgeglichene Finanzsituation in ihrer Autonomie stark eingeschränkt, auch weil sie von jährlich schwankenden Zuweisungen abhängig ist.
Eine Stärkung wäre bspw. auch durch eine Gemeindewirtschaftssteuer, die Erhebung einer Vermögensteuer oder einer Übergewinnsteuer auf Digitalkonzerne möglich. Allein das würde dem deutschen Staat jährlich bis zu 70 Milliarden € zusätzliche Einnahmen erbringen. Auch davon profitiert Sachsen-Anhalt.
Anstatt mit der Gießkanne in der Hand von Sondervermögen zu Sondervermögen zu denken, anstatt alle paar Jahre die Körperschaftsteuer zu senken und immer wieder den Effekt zu erwarten, dass endlich die Wirtschaft boomt, hätte man einfach eine sinnvolle Reform oder gar die Abschaffung der Schuldenbremse umsetzen können.
(Beifall bei der Linken)
Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sondervermögen hin oder her, wir werden den Prozess mit Interesse und kritischem Blick verfolgen. Aus dem Umgang mit dem Corona-Sondervermögen haben wir gelernt, dass die Landesregierung mit diesem Instrument die Mitwirkung des Parlaments gern ein wenig einschränkt.
(Dr. Falko Grube, SPD: Die Linke will das Geld nicht!)
Das werden wir so nicht mitmachen.
Zum Ende meiner Rede noch eine kleine Anekdote: In der Mittagspause traf ich bei meinem Spaziergang zufällig einen Landrat. Er sprach mich gleich an und fragte, wie es denn eigentlich mit den Infrastrukturgeschichten weitergehe.
Er äußerte sich gleich sehr kritisch gegenüber dem Finanzministerium und bat uns, dem Finanzminister ein bisschen Dampf zu machen. - Ich verspreche: Das tun wir. - Herzlichen Dank.