Hendrik Lange (Die Linke):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Wir haben in dieser Sitzungsperiode gleich drei hochschulpolitische Debatten mit ganz unterschiedlichem Charakter. Bei einer Aktuellen Debatte muss man immer auch ein bisschen orakeln, wohin einen die Antragstellenden führen wollen. Nach der Anmerkung von Herrn Tullner zu Pécs in der letzten Sitzung schwante mir schon, dass hier längst vertriebenen Geistern wieder neues Leben eingehaucht werden könnte, nämlich Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer. - Na, willkommen in den 1990er- und 2000er-Jahren.
(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Da war noch alles in Ordnung! - Zurufe von Marco Tullner, CDU, und von Guido Heuer, CDU)
Das sind Uraltrezepte, die nicht funktioniert haben und zu Recht in der Geschichte der Hochschulpolitik verschwunden sind.
(Zustimmung bei der Linken)
Was an einer solchen Debatte aktuell sein soll, das können wahrscheinlich wirklich nur Konservative sagen.
(Olaf Meister, GRÜNE, lacht)
Meine Damen und Herren! Warum sind wir dafür, dass an unseren Hochschulen jeder Mensch ohne Gebühren studieren kann? - In erster Linie schließen Studiengebühren Menschen aufgrund ihrer sozialen Situation vom Studium aus. Das gilt auch und besonders für Menschen aus dem Nicht-EU-Ausland. Für die Familien dieser Studierenden ist es ohnehin ein riesiger Aufwand, einem jungen Menschen das Studium in Europa zu ermöglichen. Der Lebensunterhalt muss nachweislich gesichert werden, die Papiere müssen besorgt und der Aufwand im Studium muss bezahlt werden. Insbesondere Studierende aus ärmeren Ländern stellt das vor große Herausforderungen.
Es ist aber klug, genau an dieser Stelle anzusetzen; denn wenn ein junger Mensch in Deutschland studiert und dann mit seinem Wissen in seinem Heimatland hilft, dann ist das ein guter Beitrag Deutschlands zur Entwicklungshilfe.
Meine Damen und Herren! Es ist auch klug, für internationale Studierende attraktiv zu sein, weil sie unsere Hochschulen bereichern, kulturell und intellektuell, aber auch, weil jeder Studierende in den Hochschulstädten ein Wirtschaftsfaktor ist. Wir wollen Innovation durch Offenheit. Menschliche Entwicklung, wissenschaftlicher Fortschritt, technologische Erneuerung - all das lebt seit Jahrhunderten vom Austausch, vom Wandern von Ideen, vom Lernen voneinander.
Die Geschichte der Wissenschaft ist die Geschichte globaler Mobilität. Wer hier eine Grenze zieht, eine Gebührenschranke für junge Menschen aus Ghana, Brasilien oder Indien, der zerstört das, was Hochschulen eigentlich ausmacht - Internationalität als Innovationsmotor.
(Beifall bei der Linken)
Meine Damen und Herren! Ich stelle mir die Frage, was folgender Satz bedeutet.
„Derzeit studieren ausländische Staatsangehörige aus Nicht-EU-Staaten in Sachsen-Anhalt kostenfrei - ohne die Verpflichtung, nach dem Studium im Land zu verbleiben oder die Kosten der Ausbildung in anderer Form zu kompensieren.“
(Eva von Angern, Die Linke: Ja! So ist es! - Olaf Meister, GRÜNE, lacht - Zuruf von der CDU)
Zunächst einmal: Die akademische Wanderung das hat der Minister gesagt ist doch im Wissenschaftsbetrieb ganz normal und wird geradezu gefordert.
(Eva von Angern, Die Linke: So soll es sein!)
Zudem gibt es hier gar nicht genügend adäquate Stellen. Oder wollen Sie die Menschen zwingen, fünf Jahre lang jeden Job anzunehmen, Hauptsache, sie arbeiten hier die Kosten ihrer Ausbildung ab?
(Felix Zietmann, AfD: Das haben sie doch mit uns auch gemacht! Ganz einfach!)
Auf einen solchen Satz, wie er in der Begründung zu dem Antrag der CDU steht, muss man wirklich erst einmal kommen.
(Beifall bei der Linken)
Meine Damen und Herren! Wir haben in der letzten Anhörung im Ausschuss gehört, dass wir vor ganz anderen Herausforderungen stehen. Die Hochschulen in Sachsen-Anhalt stehen nicht nur demografisch unter Druck, sondern auch strukturell.
(Florian Schröder, AfD: Die kriegen alles umsonst! Unfassbar!)
Die Zahl der Studienanfänger*innen im Land ist rückläufig, während bundesweit zuletzt ein leichter Anstieg zu verzeichnen war. Der langfristige Trend zeigt: Die Hochschulen in Sachsen-Anhalt verlieren an Masse, wenn sie nicht in Attraktivität investieren.
Eine weitere Dimension kommt hinzu: der Generationswechsel im Lehrkörper. Die Hochschulrektorenkonferenz hat jüngst darauf hingewiesen, dass in den nächsten zehn Jahren rund ein Drittel der Professor*innen bundesweit altersbedingt ausscheiden wird. In Ostdeutschland fällt dieser Umbruch sogar noch drastischer aus.
Wer also jetzt von strategischer Steuerung im Sinne des Debattenantrags spricht, der muss genau hier ansetzen, nicht bei Zugangshürden für Studierende, sondern bei einem professionellen und personell stabilen internationalen Hochschulsystem. Das heißt auch, dass der Finanzminister dabei nicht auf die Hochschulbudgets geiern darf. Vielmehr muss endlich mehr in Qualität investiert werden, wenn die Studierendenzahlen leicht fallen.
(Beifall bei der Linken)
Meine Damen und Herren! In der Innovationsstrategie des Landes heißt es, der Zugang zum internationalen Wissenstransfer, die Einbindung internationaler Fachkräfte und Talente sowie die Stärkung zukunftsweisender Standorte seien zentrale Entwicklungsfelder. Doch wo ist die Umsetzung? Welche landesweiten Programme zur Integration internationaler Studierender in regionale Arbeitsmärkte wurden geschaffen? Welche Maßnahmen zur gezielten Ansiedlung internationaler Talente gibt es außerhalb der Papierform?
Statt diese Lücken zu schließen, sollen nun ausgerechnet jene belastet werden, die überhaupt erst bereit sind, hierherzukommen, oder mit Zwang zum Hierbleiben gedrängt werden. Das, was die CDU hier vorschlägt, ist der absolut falsche Weg, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der Linken)
Wenn Sachsen-Anhalt im Wettbewerb um Köpfe, Ideen und Lösungen bestehen will, dann braucht es Hochschulen, die Talente anziehen, nicht abschrecken. Es braucht eine Politik, die Transformation vom Menschen aus denkt, und es braucht eine Innovationspolitik, die Vielfalt nicht für ein Risiko, sondern für eine Ressource hält, meine Damen und Herren.
Aber wir wollen nicht bei der Kritik stehen bleiben. Wir wollen gestalten. Deswegen sagen wir: Es gibt Alternativen, und zwar klügere.
Warum investieren wir nicht gezielt in regionale Innovationsstipendien für internationale Studierende, die ihre Abschlussarbeit in Kooperation mit Unternehmen und/oder Kommunen in Sachsen-Anhalt schreiben?
Warum fördern wir nicht interdisziplinäre Forschungszentren, die gesellschaftliche Probleme gemeinsam mit Partnern aus Kultur, Wirtschaft und Zivilgesellschaft lösen, und dafür gezielt internationale Talente einbinden? Die internationale Graduiertenakademie ist ein Schritt in diese Richtung, schafft aber kein strukturelles Rückgrat für diese Strategie.
Warum schaffen wir nicht ein Welcome-to-stay-Programm, das ausländischen Absolventen nach dem Abschluss ein Jahr lang eine Übergangsfinanzierung bietet, damit sie hier im Land Fuß fassen, inklusive Berufsberatung und Anbindung an das lokale Netzwerk?
(Beifall bei der Linken - Zuruf von der AfD: Steuerreduzierung!)
Das Welcome-Center in Sachsen-Anhalt bietet erste Ansätze, müsste dafür aber deutlich spezifischer für die Hochschulabsolventinnen ausgelegt werden.
Warum nicht ein digitales Transfernetzwerk, das Hochschulen und regionale Start-ups, gemeinwohlorientierte Unternehmen und internationale Studierende zusammenbringt, um Ideen zu entwickeln, die konkret hier gebraucht werden, in Zeitz, in Salzwedel, in Mansfeld-Südharz?
(Kathrin Tarricone, FDP: Jawohl, Mansfeld-Südharz!)
Der International Start-up Campus, getragen von dem Universitätsverbund Halle-Leipzig-Jena, ist ein Modellprojekt, das wir landesweit denken sollten.
Und warum nicht ein landesweites Talentvisum, das nicht auf Herkunft, sondern auf Motivation, Perspektive und Beitragspotenzial zielt - unbürokratisch, menschlich und strategisch? Darin läge tatsächlich eine echte strategische Steuerung, um Talente zu binden, statt sie abzukassieren, um Offenheit zu organisieren, statt sie zu begrenzen, um Transformation zu ermöglichen, statt bloß Ressourcen zu verwalten.
Wir sagen ja zur Zukunft unserer Hochschulen - offen, international, intelligent gesteuert, nicht engstirnig.
Aber klar ist auch: All das wird seine Innovationskraft nur entfalten, wenn wir weiterhin die Freiheit von Forschung und Lehre verteidigen.
Trump zeigt, wie das Gegenteil brutal umgesetzt wird, und Tillschneider träumt davon.
(Lachen bei der AfD - Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Ja!)
Wenn das, was er sich vorstellt, nämlich Rechtsextremisten - er verklärt sie gern als Patrioten - aus ganz Deutschland nach Sachsen-Anhalt zu holen,
(Zuruf von Felix Zietmann, AfD)
nur im Ansatz Erfolg hat, wird dieses Land unsicher für jeden und jede, der bzw. die auf Weltoffenheit und Toleranz in dieser Gesellschaft angewiesen sind.
(Beifall bei der Linken und bei den GRÜNEN - Felix Zietmann, AfD: Geh mal nachts durch den Park!)
Mit der AfD verkümmert unser Land zu einem wertlosen, geschichtsvergessenen braunen Fleck,
(Beifall bei der Linken und bei den GRÜNEN - Lachen und Oh! bei der AfD - Lothar Waehler, AfD: Herr Lange! - Zuruf von Frank Otto Lizureck, AfD)
und wir werden das verhindern.
(Beifall bei der Linken und bei den GRÜNEN)
Darum betone ich am Ende meiner Rede:
(Frank Otto Lizureck, AfD: Das ist doch unfassbar!)
Die AfD ist eine rechtsextremistische Partei, die Rassismus verbreitet
(Oh! bei der AfD)
und unsere Demokratie aushöhlen und durch ein autoritäres System ersetzen will.
(Zuruf von Nadine Koppehel, AfD)
Die AfD gehört verboten. - Sie dürfen applaudieren.