Olaf Meister (GRÜNE): 

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt - Chancen für Sachsen-Anhalt durch bundespolitischen Kurswechsel“ - so lautet der Titel der Regierungserklärung. Das klingt nach Aufbruch.

Das, was konzeptionell dazu bekannt ist, ist aber eher der Versuch der CDU, an wirtschaftspolitische Ansätze anzudocken, die bereits länger auf dem Tisch liegen und im Bund leider durch sie selbst bisher blockiert wurden. Insofern kann man den formulierten bundespolitischen Kurswechsel als Selbstkritik verstehen. Als solche nehme ich das natürlich auch gern an.

Gut ist, dass der nötige Kurswechsel jetzt tatsächlich kommen kann, mit Hilfe der Grünen, Stichwort: Reform der Schuldenbremse, Mittel für Infrastruktur und Transformation. Sie haben im Bund   und dann auch wir in Sachsen-Anhalt   das Geld und die Handlungsspielräume, die wir in der Ampel nicht hatten.

Die industriepolitischen Strategien von Industrie- bzw. Transformationsstrompreis über das Förderinstrument von Klimaschutzverträgen bis hin zu den Förderungen von E Autos und energieeffizientem Bauen   all das liegt vor  , harren der Umsetzung. Wir brauchen die Förderung für Zukunftstechnologien, den Ausbau der Infrastruktur und ja, auch die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Zu dem Redebeitrag der AfD. Dieses „Klimaideologie“ - ja, es ist bekannt, dass das Ihre Position ist. Aber Sie haben wirklich keine Antwort auf dieses Problem.

(Jan Scharfenort, AfD: Das ja herbeitrampoliert wird!)

Sie sind diesbezüglich völlig blank und verharren schlicht in diesen alten Technologien und tun hier dann so, als wäre das der innovative Fortschritt.

Dass die CDU nun, da endlich mit tatkräftiger grüner Unterstützung wieder finanzielle Spielräume bestehen, auf der Bundesebene diese Konzepte aufgreift, ist schön.

(Zuruf von Jan Scharfenort, AfD)

Gegebenenfalls lässt sich daraus für die unmittelbare Zukunft ableiten, dass Kooperation und inhaltliches Ringen um den Weg zum Ziel für unser Land hilfreicher sind, als gegeneinander in populistische Frontstellungen zu gehen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Doch was sehen wir in Sachsen-Anhalt? - Bisher wurde regelhaft aus der CDU-Fraktion - schön, dass der Kollege Thomas das gerade auch brachte - mit dem Finger auf Berlin gezeigt, insbesondere auf Habeck. Es hieß: Der soll doch endlich mal in den Ausschuss kommen. Was für eine sinnlose Forderung, die uns über Jahre tatsächlich im Ausschuss begleitet hat.

Es wurde gerade dargelegt, wie die Kollegin Reiche, Ihre hochgeschätzte CDU-Wirtschaftsministerin im Bund, über den Kollegen Habeck denkt und wie sie ihn gelobt hat. Ich finde, das ist tatsächlich dann auch eine Erwähnung wert.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Eine Landesregierung, die bei Bildung, Fachkräften und Innovationen Reformen vermissen lässt, handelt falsch. Wenn man sich mal die Gründungsförderung anguckt, dann sieht man bei den Hochschulen die Abrisse, die es da regelmäßig gab. Das ist ein ganz schwieriges Thema.

Und dann gab es eine CDU, die auf der Bundesebene bisher gegen jede Maßnahme, auch gegen jede klimapolitische Maßnahme, vorgegangen ist, wenn Sie populistisch gegen GRÜNE Stimmung machen konnte. Stichworte „Atomkraft“ und „Heizungsgesetz“   auch das war schon Thema   beides sind Wahlversprechen, die abgegeben wurden und bei denen wir wissen, wie das ausgeht.

Die Atomkraft wird natürlich nicht wieder angeschaltet. Das ist ja völliger Unfug. Der Atomfusionsreaktor ist wirklich in die ferne Zukunft gerichtet und eine ganz hohle Nummer. Auch das Heizungsgesetz werdet Ihr nicht abschaffen; wir werden es sehen.

Die heutige Regierungserklärung war erfreulich sachlich   das hatte ich anders erwartet  , wenn auch Aufbruchsstimmung nicht zu verspüren war. Also zumindest kam die bei mir nicht an. Die Einbringungsrede der FDP war schon    

Also der Jutebeute ist doch ein Tiefpunkt. Also, jetzt den Bündnisgrünen oder den Kollegen der anderen Fraktionen vorzuwerfen, dass man eine Deindustriealisierung wünsche, mit einem Jutebeutel um die Ecke käme und dass das die Zukunft wäre, war wirklich eine krasse Nummer.

Planetare Grenzen haben wir tatsächlich formuliert. - So, ja. Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass man das betont. Die gibt es. Das als Kritik anzubringen

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

bei einem Papier, das ist jenseits der Vorstellungskraft.

Es wird in der Zukunft schwerer, dieses Magdeburg-Berlin-Spiel zu spielen und die Spiegelgefechte dann hier vor Ort als eigenen politischen Erfolg, als simuliertes Handeln zu verkaufen. Dabei liegt der Ball auf dem Elfmeterpunkt. Mit dem Klima- und Transformationsfonds stehen bei der neuen Bundesregierung Milliarden für grüne Industriepolitik bereit.

Mit dem damaligen Strompreispaket hat die Ampel unter den damals finanziell sehr eng begrenzten Möglichkeiten gezielt die Industrie auch in Ostdeutschland entlastet. Das hat mich bei dem FDP-Vortag total verblüfft. Ich meine das Werben für den Industriestrompreis.

Lieber Kollege Silbersack, Sie waren hier an diesem Pult ein Gegner dessen. Also ich bin auch der Auffassung, einen Meinungswandel kann man machen, natürlich; die Dinge ändern sich. Aber dann sollte man es zumindest kenntlich machen und nicht genau mit demselben Verve exakt die entgegengesetzte Position vertreten.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE) 

Das finde ich unsportlich.

Mit dem Solarpaket 2 wurden Investitionen in die regionale erneuerbare Energieerzeugung angeschoben. Sachsen-Anhalt kann profitieren, wenn die neuen Möglichkeiten auf der Bundesebene klug und nachhaltig genutzt werden und nicht etwa für Steuergeschenke draufgehen.

Dazu gehört aber auch, dass auf der Landesebene die richtigen Weichen gestellt werden. Das erfordert Mut zur Veränderung, Mut zur langfristigen Planung und den Willen, nicht nur die Gegenwart zu verwalten, den kurzfristigen billigen Punkt zu machen und am Status quo festzuhalten, sondern die Zukunft zu gestalten.

Das Festhalten am Althergebrachten und das Bedauern über die lästigen Veränderungen - Stichworte Wärmepumpe, Wasserstoff, die vielen anderen Wandel - sind das Gegenteil davon. Greifen wir bspw. den Wandel zur Elektromobilität auf. Der trifft gerade auch die Automobilzulieferindustrie im Land hart. Es handelt sich hierbei nicht um einen Restrukturierungsprozess, sondern um einen sehr umfassenden disruptiven Wandel der gesamten Branche. Auch das ist hier ein Thema.

Auch hier im Haus gibt es Stimmen, die das nicht einsehen wollten und es noch vor kurzer Zeit als absurd abtaten, dass es da einen Wandel geben sollte, sodass man nicht darauf eingeht. Hier könnte das Land mit einem Sofortmaßnahmeplan zur Transformation der Verbrennerzuliefererindustrie zur E-Auto-Zuliefererindustrie proaktiv ansetzen.

Um den erhofften Rückenwind aus Berlin zu nutzen, bedarf es hierzulande nicht nur Überschriften. Es braucht eine nachhaltig orientierte Wirtschaftspolitik, die Strukturwandel, Innovation und regionale Wertschöpfung in den Mittelpunkt stellt.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Das heißt, Zukunftsindustrien zu stärken, gezielte Förderung von Klimaschutztechnologien, erneuerbare Energie, grüne Wasserstoffwirtschaft und Kreislaufwirtschaft und vor allem Investitionen in Wissenschaft, Forschung und Bildung zu tätigen.

Ja, letztlich muss dann ein Unternehmen konkret selbst investieren; natürlich, es ist Marktwirtschaft. Und es ist bitter, wenn es dann nicht erfolgt, Stichwort „Intel“. Wir müssen tatsächlich mit langem Atem dranbleiben und bereit sein, dafür auch Geld in die Hand zu nehmen. Und wir dürfen die Flächen nicht leichtfertig in andere dann hindernde Nutzungen bringen.

Die Ansiedlungspolitik muss nicht nur den nächsten Logistiker mit eher weniger Wertschöpfung adressieren, sondern Industrie- und Forschungsförderungen, die auf Nachhaltigkeit und regionale Anbindung setzt. Der Strukturwandel nach dem Braunkohleausstieg verlangt dauerhafte Unterstützung für ehemalige Braunkohleregionen, unter anderem mit gezielten Investitionen in Infrastruktur, Wissenschaft und Innovation.

Daneben gilt es ganz zentral, unseren regionalen Mittelstand, welcher im Land hauptsächlich von kleinen Unternehmen geprägt ist, nicht zu vergessen. Zu dessen Stärkung braucht es Unterstützung bei der Lösung des Fachkräftemangels, eine Entbürokratisierung, eine Vereinfachung bei Förderzugängen, Unterstützung bei der Digitalisierung und auch bei der klimafreundlichen Umrüstung, also die klassischen Brot- und Butterthemen der Wirtschaftspolitik und der Wirtschaftsförderung.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Mit Blick auf die Infrastruktur brauchen wir weiterhin den Ausbau von Glasfaser- und Breitbandinternet, der Schienen- und Nahverkehrsverbindungen und bei den Straßen und Brücken Sanierung vor Neubau. Das, was da vor uns liegt, sollte allen bekannt sein. Auch hier wurde das finanzielle Tor aufgestoßen, um die Dinge möglich zu machen, die erforderlich sind.

Zu all dem gehören Menschen; denn Innovation und Fachkräfte gehören zusammen. Wir brauchen eine Offenheit gegenüber neuen und vielleicht auch mal schrägen Ideen und Menschen von hier und von anderenorts, die dies hier modern denken wollen.

Die Gründungskultur zu fördern bedarf der Unterstützung von Startups, insbesondere im Tech-, Sozial- und Nachhaltigkeitsbereich. Es geht darum, Veränderungen nicht als lästige Erscheinung zu begreifen, sondern als Chance für unseren Standort, bei neuen Entwicklungen mit dabei zu sein.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Auch in diesem Bereich reden wir über die Fachkräftegewinnung, über die bessere Anerkennung ausländischer Abschlüsse, über attraktivere Bedingungen für junge Menschen. Dafür brauchen wir ein Klima der Offenheit und Toleranz. Der Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt hat eine Zukunft. Er hat sie aber nur dann, wenn wir investieren, in Menschen, in Netze, in Infrastruktur, in neue Technologien und in Nachhaltigkeit. Zukunft gibt es nicht im Rückspiegel.

Diese Zukunft entsteht nicht durch einen Kurswechsel hin zu einem erfolglosen Versuch der Beibehaltung des Status quo, sondern nach einer erfolgreichen Bewältigung des Wandels. Dafür braucht es eine Landesregierung und eine Bundesregierung, die dabei unterstützen. Wir erwarten gezielte Investitionen in klimafreundliche Industrie, moderne Infrastruktur und regionale Innovationen. Sachsen-Anhalt hat das Potenzial, um eine erfolgreiche Modellregion des umfassenden Strukturwandels zu werden. Aber dafür braucht es eben nicht nur warme Worte. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Meister. - Es gibt eine Nachfrage von Herrn Lizureck von der AfD-Fraktion. - Herrn Lizureck.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Muss das sein?)


Frank Otto Lizureck (AfD): 

Wie ich es schon vorhin auch von Ihren Vorredner gehört habe, haben wir hier ein großes Fachkräfteproblem. Und niemand, auch Sie nicht, hat quasi das Problem benannt, das hier im Land besteht; nämlich, dass die Zahl der Schüler ohne Schulabschluss in den letzten Jahren frappierend gestiegen ist. Wir haben jetzt den höchsten Stand in der Geschichte Deutschlands. Und wenn man über den Fachkräftemangel spricht, dann muss man doch einfach mal sehen, dass diese Problematik hier eine große Rolle spielt. Warum haben Sie denn das nicht erwähnt?

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE, lacht)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Meister.


Olaf Meister (GRÜNE): 

Ich bin überrascht über die Nachfrage, weil ich Ihnen recht gebe. Das ist mir, glaube ich, bei allen Nachfragen, die wir hier in den vergangenen Jahren hatten, noch nie vorgekommen. Tatsächlich sind Schüler ohne Schulabschluss ein wichtiger Punkt. Ich meine also, dass wir diese Zahl wieder senken.

Ich habe das nicht eindeutig angesprochen; da gebe ich Ihnen recht. Ich habe es bei Investitionen in Bildung mit erwähnt. Das war so mein Punkt, den ich mit erwähnt habe, weil ich meine, tatsächlich gehört es zur Wirtschaftsförderung mit dazu, dass ich in Bildung investiere. Und das meint auch dieser Punkt. Da haben Sie recht, ja.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Lizureck.


Frank Otto Lizureck (AfD): 

Ja, eine Nachfrage. Investitionen in Bildung sind natürlich richtig. Aber wichtiger wäre vielleicht mal, die Art der Bildung zu ändern, weil so, wie wir den Schulunterricht abbilden, hat der nicht zum Erfolg geführt. Also müsste man doch eigentlich mal schlussendlich etwas an den Ursachen ändern.

(Zuruf von der Linken: Längeres gemeinsames Lernen!)


Olaf Meister (GRÜNE): 

Ja, ich gebe Ihnen erneut recht. Vermutlich sind wir anderer Meinung, wenn es darum geht, was man ändern müsste. Aber da haben Sie inhaltlich recht. Tatsächlich ist die Bildungspolitik ein Feld, bei dem ich Reformen für nötig halte. Das hatte ich erwähnt. Also ich meinte Reformen im Bildungsbereich.

Wir als GRÜNE haben jetzt ein Papier auf den Weg gebracht, das z. B. das längere gemeinsame Lernen beinhaltet. Es geht also darum, die ersten sechs Klassen gemeinsam lernen zu lassen. Und es enthält diverse weitere Punkte, bei denen ich meine, dass tatsächlich Dinge dabei sind, die in diese Richtung gehen und die auch bei der Wirtschaftsförderung hilfreich sind.