Stefan Gebhardt (Die Linke): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will vorwegschicken, dass ich mich im Wesentlichen vielem anschließen kann, was Kollege Hövelmann gesagt hat und was die Ministerin gesagt hat. Ich will versuchen, so wenig wie möglich zu wiederholen in der Argumentation zu diesem Antrag der AfD-Fraktion.

Ich will beginnen mit einem Zitat der Holocaustüberlebenden und kürzlich leider verstorbenen Margot Friedländer. Sie sagte: Wir müssen gegen das Vergessen kämpfen, damit sich die Schrecken der Vergangenheit nicht wiederholen. - Ich glaube, dass dieser Satz für alle Demokraten eine Verpflichtung sein muss und dass schon deshalb dieser Antrag, der vor Geschichtsrevisionismus und Nationalismus strotzt, abgelehnt werden muss.

(Beifall bei der Linken - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich will versuchen, mich mit zwei Punkten auseinanderzusetzen, die in dem Antrag formuliert sind, zum einen mit Punkt 3 Buchst. h: „Die Landesregierung führt einen „Stolz-Pass“ ein, […]“. Die Ministerin hat ihre Assoziation hierzu schon kundgetan. Eine ähnliche hatte ich auch, als ich das las.

Ich weiß, ehrlich gesagt, auch nicht, warum man Touristen, die nach Sachsen-Anhalt kommen, stempeln gehen lassen möchte. Der ganze Absatz ist unsinnig. Bis heute hat sich mir nicht erschlossen   das steht auch nicht in der Begründung  , was sie dann sind. Sind sie dann stolze Passdeutsche, die wir hier erleben dürfen?

(Lachen bei der Linken und bei den GRÜNEN)

Der Vorteil soll darin bestehen, dass sich dann der Eintritt umso stärker vergünstigt, je mehr Stempel man erworben hat. Wir müssen aber bedenken, dass viele Einrichtungen, auf die Sie abzielen, wie z. B. der Magdeburger Dom

(Dr. Katja Pähle, SPD: Der ist schon frei!)

oder die Taufkirche von Martin Luther, schon jetzt ohne Eintritt zugänglich sind.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja! - Sebastian Striegel, GRÜNE: Er kann das nicht wissen, er war nie da!)

Wir sind froh, dass wir in Sachsen-Anhalt viele Kulturstätten haben, die preislich Gott sei Dank so gestaltet sind, dass sich auch Kinder, Jugendliche, Schülerinnen, Schüler oder Geringverdiener einen Besuch leisten können. Darauf können wir in unserem Land sehr stolz sein, finde ich.

(Zustimmung bei der Linken, bei der SPD und von Jörg Bernstein, FDP)

Deswegen ist dieser Passus, den Sie aufgeschrieben haben, einfach absurd.

Der zweite Punkt ist auch nicht lustig, sondern wirklich gefährlich. Ich zitiere aus Punkt 3 Buchst. b: 

„Weiterhin sind anstelle der sogenannten Gedenkstättenfahrten, die zurzeit an den Schulen in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung durchgeführt werden, Exkursionen zu historischen Stätten, die einen Bezug zu den jeweiligen Themen aufweisen, durchzuführen.“

Ich will erst einmal sagen, dass Schülerinnen und Schüler sehr regelmäßig zu deutschen historischen Stätten fahren.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD) 

Allein in meiner Heimatstadt Hettstedt fährt man regelmäßig ins Mansfeld-Museum 

(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja!)

und bestaunt dort den Nachbau der ersten deutschen Dampfmaschine Watt‘scher Bauart. Man fährt in das Humboldt-Schlösschen. Man hat bei uns in der Nähe das Geburtshaus von Novalis. Das haben Sie auch völlig vergessen, Novalis aufzuführen. Mit Romantik haben Sie wahrscheinlich nicht so viel am Hut, das ist eher die Bastion meiner Partei.

(Marco Tullner, CDU: Das darf so nicht stehen bleiben! - Weitere Zurufe von der CDU und von Kathrin Tarricone, FDP)

Aber es gibt sehr viele historische Stätten. Die Luthergedenkstätten in Eisleben werden regelmäßig von Schülerinnen und Schülern besucht. Das, was Sie hier fordern, findet also statt. Das Einzige, was neu wäre, ist, dass wir den Besuch von Gedenkstätten quasi untersagen.

(Zuruf von der AfD: Das steht doch gar nicht drin!)

Hier steht nämlich   das wäre dann die Beschlusslage  , die sollen nicht mehr stattfinden. Das kommt quasi einer Untersagung gleich. Wir würden es künftig Schülerinnen und Schülern untersagen, an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. In diesem Zusammenhang will ich noch einmal auf Folgendes hinweisen: Der Zweite Weltkrieg forderte 60 Millionen Todesopfer, darunter allein 27 Millionen Opfer aus der Sowjetunion. 

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

Darüber hinaus töteten die Nazis 17 Millionen Menschen bewusst, ermordeten sie, darunter 6 Millionen Jüdinnen und Juden und 5,7 Millionen nichtjüdische sowjetische Zivilisten. Wer daran nicht mehr erinnern will, der muss sich den Vorwurf des Geschichtsrevisionismus

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Ach, Blödsinn!)

und des Nationalismus eindeutig gefallen lassen.

(Beifall bei der Linken - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich will die letzten Minuten meines Redebeitrags deshalb dazu nutzen, an die Gedenkveranstaltung zum 8. Mai im Landtag zu erinnern. Die AfD-Fraktion war die einzige Fraktion, die der Gedenkveranstaltung am 8. Mai nicht beigewohnt hat.

(Dr. Falko Grube, SPD: Warum wohl? - Sebastian Striegel, GRÜNE: Ja, es war keine Unruhe drin!)

Ich möchte unseren Landtagspräsidenten zitieren, der dort eine bewegende Rede gehalten hat. Ich zitiere Gunnar Schellenberger:

Arbeiten wir für eine gerechte Friedensordnung in Europa und der Welt, für die Aussöhnung mit allen vom Krieg Versehrten und für eine aufrichtige Erinnerung an den beispiellosen Krieg, an den Terror, an die Vertreibung und den Völkermord, die in Deutschland vor 86 Jahren begannen.

Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, der wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren. Wir lernen aus unserer eigenen Geschichte, wozu der Mensch fähig ist. Deshalb dürfen wir uns nicht einbilden, wir seien nun als Menschen anders oder besser geworden.

Das sind die Worte unseres Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, gesprochen am 8. Mai vor 40 Jahren zur Hälfte dieser Wegstrecke. Sie sind 40 Jahre später aktueller denn je, weil nichts von all dem Guten, das seither gewachsen ist, auf ewig gesichert ist.

Und dass nichts Gutes für ewig gesichert ist, zeigt Ihr Antrag. Daher werden wir ihn mit voller Überzeugung zurückweisen und ablehnen.