Tagesordnungspunkt 5

Aktuelle Debatte

Folgen der neuen US-amerikanischen Zollpolitik für Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktion SPD - Drs. 8/5503


Die Redezeit je Fraktion beträgt zehn Minuten. - Herr Hövelmann, bitte.


Holger Hövelmann (SPD): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Der Handel war stets der Vertilger des Krieges, der Entwurzler des Vorurteils, der Verbreiter der Wissenschaft. - So schrieb es im Jahr 1887 einer der berühmtesten US-amerikanischen Ökonomen, Henry George. Er schrieb das nicht, weil er den durch Handel reich Gewordenen einen Gefallen tun wollte. In seinen Arbeiten ergründete er immer wieder, wie ein Wirtschaftssystem funktionieren muss, damit alle davon profitieren können. Georges Aussage in Bezug auf den Handel war klar: Freier Handel garantiert für jeden Menschen Wohlstand.

Gerade Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen, mitten in der Europäischen Union, merkt das jeden Tag sehr deutlich. Der freie Austausch von Waren, Wissen und Arbeitskraft macht die EU zu einem Giganten der Weltwirtschaft und uns - das darf man sagen - zum reichsten Land Europas. 

Der vermeintliche Schutz der eigenen Wirtschaft vor auswärtiger Konkurrenz durch Zölle ist hingegen gefährlich. Der Verbraucher muss am Ende für alle Produkte, die er konsumiert, höhere Preise zahlen. Die Unternehmen fallen durch die Abschottung des Marktes bei Innovation und Wettbewerb zurück. 

Offenbar sind Georges Worte leider ausgerechnet in seinem Heimatland in Vergessenheit geraten. Die Anfang April von Präsident Trump verkündeten weltweiten Importzölle für die in die USA eingeführten Waren haben ein fatales Signal gesendet. Die größte Wirtschaftsmacht der Erde, Import- und Exportmacht, zieht Handelsbarrieren hoch, zumal die erhobenen Zölle offensichtlich wenig innere Logik haben. Dass mit den australischen Heard Island and McDonald Islands ein ausschließlich von Pinguinen und Seelöwen bewohntes Gebiet erfasst wird, mag man, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch amüsant finden. Ernster ist es dann aber schon, wenn es einen armen Kleinstaat wie Lesotho trifft. 

Zwar ergibt sich gerade eine Verschnaufpause. Die Zölle für die EU sind zunächst für 90 Tage ausgesetzt, die für China - das wissen wir seit gestern - für 90 Tage deutlich reduziert. Aber die Unsicherheiten bleiben. Denn wir haben seit Anfang April gesehen, was diese Handelsbarrieren zunächst für Schäden in den USA angerichtet haben. Die Börsenkurse großer Unternehmen sackten ab. Wer in Amerika eine Altersversorgung erhält, der weiß, was Börsenkurse dafür bedeuten.

Entgegen allen Versprechungen und Behauptungen sanken die US-amerikanischen Verbraucherpreise nicht. Sie stiegen weiter an. US-amerikanische Landwirtschaftsverbände berichteten von Absatzschwierigkeiten im wichtigen China-Geschäft sowie beim Kauf von landwirtschaftlichen Geräten. Vergangene Woche landeten in den US-amerikanischen Häfen die ersten Containerschiffe, welche aufgrund der Zölle nur noch zur Hälfte gefüllt waren. Die Anfang des Jahres noch optimistischen Wachstumsprognosen für die USA erwarten jetzt sogar eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung. 

Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, könnten wir im fernen Sachsen-Anhalt fragen: Was interessieren uns solche Nachrichten aus einem fernen Land jenseits des Atlantik? - Doch so einfach stellt sich es leider nicht dar. Es ist eine Binsenweisheit, dass in der modernen Weltwirtschaft alle Staaten voneinander abhängig sind. Wenn sich die größte Volkswirtschaft der Welt vom internationalen Markt abkoppelt, dann hat das natürlich auch Folgen für Sachsen-Anhalt. In der reinen Außenwirtschaftsstatistik stehen die USA auf Platz 9 der sachsen-anhaltischen Exportländer. Schon allein deswegen droht unserem Wirtschaftsstandort bei einem fortgesetzten Handelskonflikt ein empfindlicher Schlag. Alle direkt in die USA exportierenden Unternehmen werden durch gestiegene Kosten und reduzierte Bestellungen heftige Umsatzeinbußen erleben. 

Sachsen-Anhalt - das wissen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren - ist auch ein wichtiger Standort für die Herstellung von Zwischenprodukten. Wenn die großen deutschen Automobilhersteller weniger Fahrzeuge verkaufen, dann sinken auch die Umsatzzahlen hiesiger Zulieferer, und das in einer Zeit - darüber haben wir heute Morgen gesprochen  , in der unsere Unternehmen bereits genügend andere Schwierigkeiten zu bewältigen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist die Situation. Was können wir tun? - Sachsen-Anhalt kann seinen Teil dazu beitragen, den Handelskonflikt oder dessen Folgen abzufedern. Die Hans-Böckler-Stiftung hat jüngst aufgezeigt, dass sich mit dem neuen Sondervermögen Infrastruktur des Bundes die Folgen einer schwächelnden Exportwirtschaft deutlich abschwächen ließen. Wenn die Milliarden schnell umgesetzt werden, heimische Unternehmen dadurch mehr Aufträge erhalten und die Binnennachfrage angekurbelt wird, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir schon viel Sicherheit gewonnen.

An dieser Stelle werbe ich noch einmal für den Vorschlag meiner Fraktion, die Mittel aus dem Sondervermögen zur Erhöhung der kommunalen Investitionspauschale zu nutzen. 

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Geld käme dann direkt dort an, wo es gebraucht wird, nämlich in den Städten und Gemeinden. 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Interesse des Landes Sachsen-Anhalts sollten wir uns auch für die Umsetzung weiterer Freihandels- und Partnerschaftsabkommen einsetzen. 

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Sie werden sich erinnern, dass wir als SPD-Fraktion im vergangenen Jahr die Stärkung unserer Außenwirtschaft, insbesondere mit demokratischen Wertepartnern, in den Landtag eingebracht haben. Darauf müssen wir aufbauen.

Südamerika, Afrika, Kanada, Japan, Indien, Australien, die südostasiatischen Staaten: All das sind nicht nur wichtige Absatzmärkte, sie können auch in einer sich verändernden Welt wichtige politische Partner sein. 

Wir begrüßen daher ausdrücklich das Vorhaben im Koalitionsvertrag des Bundes, unter anderem das Mercosur-Abkommen zügig ratifizieren zu lassen. Wir wissen, dass es gegen solche Abkommen immer Vorbehalte gibt, weil sie bspw. in der Landwirtschaft den Konkurrenzdruck erhöhen. Ich darf aber daran erinnern, dass die gleichen Vorbehalte schon vor 20 Jahren bei der EU-Osterweiterung bestanden; übrigens auch in meiner Partei. Entgegen aller damaligen Befürchtungen hat sich der europäische Freihandel für Unternehmer und Verbraucher auf beiden Seiten unter dem Strich nachhaltig als Gewinn herausgestellt. 

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

In Sachsen-Anhalt Exportstatistik belegen unsere EU-Nachbarn übrigens die Plätze 1 bis 8. Der freie europäische Handel ist für unser Bundesland die vielleicht wichtigste wirtschaftliche Säule. 

In der aktuellen Lage wäre es natürlich das Beste, wenn zwischen der Europäischen Union und den USA ein faires Handelsabkommen erzielt würde. Die Tür auf europäischer Seite - das konnten wir hören - steht dafür weit offen. Ich befürchte allerdings, dass sich unser Verständnis von fair von dem Verständnis von Präsident Trump unterscheidet. 

Auch auf vermeintlich günstige Angebote mit China sollten wir mit Vorsicht reagieren. Wenn sich der Strom der eigentlich für die USA gedachten chinesischen Exportgüter jetzt in Richtung Europa verlagert, dann hat unsere Wirtschaft nicht nur ein Konkurrenzproblem; denn an fairen Handelsbeziehungen auf Augenhöhe besteht auch in der Volksrepublik nicht wirkliches Interesse. Das sehen wir bei den sogenannten seltenen Erden, deren Export derzeit von China extrem stark kontrolliert wird. Die Gefahr ist hoch, dass unsere Industrie, ähnlich wie bei russischem Gas, in eine neue Abhängigkeitsfalle gerät. 

Auch deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es sinnvoll, die Handelsbeziehungen zu anderen Regionen der Erde deutlich auszubauen. Wenn wir als rohstoffarmes Land wichtige Vorprodukte aus vielen unterschiedlichen Quellen beziehen, sind wir sehr viel schlechter erpressbar und sehr viel besser aufgestellt. 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich vor ein paar Wochen ein international tätiges Unternehmen in meinem Wahlkreis besuchte, habe ich den Geschäftsführer gefragt, wie er denn mit den aktuellen US-Zöllen umgeht. Damals war die Meldung noch ganz frisch. Er hat relativ entspannt geantwortet; übrigens ist dieses Unternehmen einer der Weltmarktführer auf seinem Gebiet. Vielleicht könnte seine Antwort auch für uns ein Stück weit ein guter Leitfaden sein. Er hat gesagt: Er beobachtet die Lage gelassen, aber aufmerksam. Er bereitet sich auf alles Absehbare und Vorhersehbare vor. Er spricht mit seinen Kunden. Er verhandelt mit seinen Geschäftspartnern und tut das, was er tun kann, um das Geschäft weiter erfolgreich zu tätigen. 

Vielleicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird man im Weißen Haus die Worte von Henry George lesen und sich vielleicht auch zu Herzen nehmen; aber selbst wenn nicht: Wir haben die Mittel und die Möglichkeiten, unsere Unternehmen in Sachsen-Anhalt vor den Folgen dieser falschen Zollpolitik zu schützen. Wir müssen Sie nur nutzen. Lassen Sie uns das gemeinsam tun. - Herzlichen Dank.