Andreas Silbersack (FDP):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, dass wir mit unserer Kampagne „#moderndenken“ etwas richtig Gutes für das Land Sachsen-Anhalt getan haben. Diese Kampagne bildet alles ab, was dieses Land ausmacht. Sie bildet Geschichte ab, sie bildet Zukunft ab, sie verbindet Geschichte mit Zukunft. Und es ist eine erfolgreiche Kampagne.

In dieser Kampagne sind all die Orte, die Sie, Herr Dr. Tillschneider, benennen, benannt. Insofern erschließt sich mir inhaltlich nicht, warum dieser Antrag gestellt wird.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Sie hätten sich diese Kampagne tatsächlich einmal anschauen müssen, dann hätten Sie vielleicht festgestellt, dass das, was Sie hier tun, völlig überflüssig ist. Aber das ist offensichtlich nicht wirklich Ihr Ansatz.

Das Goethe-Theater in Bad Lauchstädt   das vielleicht zum allgemeinen Erkenntnisgewinn   ist im Jahr 2006 in Rudolstadt als Festspiel der deutschen Sprache gegründet worden und ist im Jahre 2007 auf Drängen von Hans-Dietrich Genscher nach Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt gekommen.

Friedrich Nietzsche hat durch diese Landesregierung ein Nietzsche-Zentrum in Naumburg bekommen. Das heißt, Friedrich Nietzsche wird geehrt, nicht nur in Röcken, sondern auch in Naumburg und an anderen Orten.

Bismarck wird genauso geehrt. Er wird nicht irgendwo vergraben, er ist Teil unserer Geschichte. Wir können stolz sein auf diese deutsche Geschichte.

Und wenn Sie über Quedlinburg sprechen - in unserer Kampagne steht dazu: Sachsen-Anhalt ist Kernland der deutschen Geschichte. Insofern würde ich mich, wenn ich es nicht besser wüsste, fragen: Was wollen Sie eigentlich?

Richtig ist, dass wir nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum heutigen Tag mit dem Begriff der Nation durchaus unsere Schwierigkeiten haben. Wir haben manchmal auch sehnsüchtig auf die Franzosen geschaut oder auf die Engländer

(Kathrin Tarricone, FDP: Italiener!)

- oder die Italiener  , wenn sie ihre eigene Nation gefeiert haben. Ich selbst gebe zu, dass ich mich auch freue, wenn ich die deutsche Fahne schwingen kann und die Nationalhymne singen kann, überhaupt keine Frage,
(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

weil ich mich als Deutscher fühle mit einer deutschen Geschichte, auf die ich stolz bin.

Aber   und da wird es eben gefährlich, da ist der Wendepunkt   die Geschichte hat gezeigt   nicht nur der Zweite Weltkrieg, sondern auch der Erste Weltkrieg und die Zeiten davor  : Wenn ich eine Überhöhung, wenn ich eine krankhafte, psychotische Wahrnehmung der eigenen Nation definiere, dann wird das zu einem Problem für das eigene Volk und für den Rest der Welt.

Insofern glaube ich   Sie wählen Ihre Worte, die Sie aufschreiben, immer sehr genau  , dass Ihr Antrag letztlich ein Trojanisches Pferd ist. Wer die Geschichte von Troja gelesen hat, der weiß, wie es lief: Die Soldaten waren in einem hölzernen Pferd, das nach außen hin nach Frieden aussah, aber drinnen war Krieg. Und der Krieg, den Sie anzetteln, ist in einzelnen Worten erkennbar.

(Nadine Koppehel, AfD: Das Trojanische Pferd haben wir doch schon!)

Allein der Begriff „deutsch denken“ geht auf Adolf Hitler zurück,

(Oh! bei der AfD - Daniel Rausch, AfD: Leute! Nein! - Weitere Zurufe von der AfD: Das gibt’s ja wohl nicht! - Das ist Fanatismus! - Hendrik Lange, Die Linke: Ja, das müsst ihr mal durchlesen!)

der in seiner Reichenberger Rede 1938 an die Hitlerjugend genau diese Begrifflichkeit gewählt hat.

(Zuruf von der AfD: Ja, alles geht auf Hitler zurück!)

Denken Sie gut darüber nach, was Sie sagen und was Sie denken und was Sie den Menschen in diesem Land mitteilen wollen.

(Felix Zietmann, AfD: Denken, deutsch, deutsch denken - das kommt alles von Adolf Hitler! Unfassbar! - Christian Hecht, AfD: Sie sollten nicht die Sprache von Hitler verwenden, wenn Sie hier sprechen! Der hat nämlich auch Deutsch gesprochen! - Daniel Rausch, AfD: Ja, genau! - Christian Hecht, AfD: Das ist ja unfassbar!)

Wenn ich an die Debatte zu „Irrweg der Moderne“ denke, da haben Sie selbst davon gesprochen. Der Begriff geht auf den Rassenideologen Paul Schultze-Naumburg zurück,

(Daniel Rausch, AfD: Wen Sie alles kennen! - Christian Hecht, AfD: Sie kennen sich aber gut aus!)

der in seinem Buch „Kunst und Rasse“ im Jahre 1928 genau diese Wortwahl getroffen hat. Das heißt, Sie machen mit Ihren Reden nichts anderes, als Teile der Bevölkerung, Teile Ihrer Wähler, die Sie abgreifen wollen, emotional mitzunehmen und das dann anzureichern mit Begrifflichkeiten, die aus den 30er-, 40er-Jahren stammen.

(Nadine Koppehel, AfD: Und Sie reichern Deutschland mit Antisemiten an! - Zuruf von Lothar Waehler, AfD)

Und das ist auch der Vorwurf, den ich Ihnen mache. Da machen Sie nicht fahrlässig, das machen Sie bewusst.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU, bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN)

Wenn Sie uns ein neues Logo verpassen wollen, und dieses Logo angelehnt ist an den völkischen Flügel der AfD,

(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja, wir wissen das! - Dr. Falko Grube, SPD: Wir haben das gemerkt!)

der immer zu seinem Preußenfest zusammenkommt, dann habe ich das Gefühl, Sie wollen uns für dumm verkaufen. Sie sind der Rechtsausleger, und zwar so weit rechts, dass er eben nicht mehr im politischen Spektrum dieser Bundesrepublik Deutschland stattfinden darf. Das muss ich Ihnen deutlich sagen.

(Beifall bei der Linken und bei der SPD)

Sie haben schon die Verunglimpfung des Bauhauses auf eine Art und Weise vorgenommen, dass es mich persönlich geschaudert hat. Sie haben nicht begriffen, was deutsche Geschichte bedeutet: Verantwortung. Unsere Aufgabe als Politiker ist es doch, die schwierige Geschichte, die Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg mit der Zukunft und einem gesunden Nationalstolz zu verbinden.

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

Aber das wollen Sie gar nicht. Das wollen Sie gar nicht! Sie gehen auf diese psychotische Weise, auf diese krankhafte Art und Weise an diese Sache heran, die uns letztlich im Zweiten Weltkrieg ins Verderben stürzte.

Ich sage Ihnen etwas: Ich war am 9. Mai im KZ Stutthof und habe mir dort einmal die Berichte von den Ärzten durchgelesen. Stutthof liegt in Ostpreußen, also dort, wo Sie im Grunde genommen auf Ihrer Ostpreußenfeier immer die Fahne aufhängen, dort, wo Sie wähnen: Vielleicht wird das wieder unsere Heimat werden.

All das ist unerträglich. Es ist unerträglich und es muss hier gesagt werden. Und Sie müssen unseren polnischen Freunden sagen: Wollen Sie die Grenzen von 1938 oder

(Zurufe von der AfD)

stehen Sie zu den Grenzen, die es seit 1945 gibt?

(Dr. Jan Moldenhauer, AfD: Das ist so absurd, Herr Silbersack!)

- Das ist nicht absurd. Das ist einfach Realität.

(Zurufe von der AfD)

- Nein, nein, nein. Das ist alles     Wenn Sie am Ende Ihres Antrags schreiben, wir sollen die Hemmungen verlieren, dann ist das eine Aufforderung. Sie wollen uns auffordern, dass wir unsere Hemmungen gegenüber der eigenen Geschichte verlieren. Sind Sie wahnsinnig?

(Dr. Jan Moldenhauer, AfD: Sie sind das! - Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Weitere Zurufe von Dr. Jan Moldenhauer, AfD)

Ich werde jedenfalls unseren polnischen Freunden immer sagen, dass Geschichte Geschichte ist und Geschichte auch akzeptiert werden muss.

(Christian Hecht, AfD, lacht)

Und allein die Tatsache, dass Donald Trump sich Grönland oder Kanada einverleiben will, berechtigt uns noch lange nicht,

(Zuruf von Felix Zietmann, AfD)

vor der deutschen Geschichte hier die Oder-Neiße-Grenze infrage zu stellen.

(Zurufe von der AfD - Christian Hecht, AfD, lacht)

Und genau das wollen Sie durch die Hintertür erreichen, meine Damen und Herren,

(Christian Hecht, AfD: Ja, die AfD ist auch am Dritten Reich schuld!)

indem Sie die deutsche Reichsstraße einfordern. Die deutsche Reichsstraße endet eben nicht an den Grenzen des Landes Sachsen-Anhalt. Die geht weiter, die geht bis nach Ostpreußen. Sie haben es ja vorhin gesagt: Ihr Ostpreußen- oder Ihr Preußenfest, bei dem Sie im Grunde genommen alles     Die Grenzen kenne ich auch. Ich habe auch einmal Geschichte studiert.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Silbersack, 


Andreas Silbersack (FDP):

All das führt uns ins Verderben.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

bald länger als die Ministerin am Reden.


Andreas Silbersack (FDP):

Und ich möchte - das sei mir gestattet, das muss ich einfach auch pointiert darstellen - nicht   ich sage das, weil Sie auch davon gesprochen haben  , dass Schulen und Straßen umbenannt werden müssen. Ich möchte nicht den Tag erleben, am dem es in Halle an der Saale eine Reinhard-Heydrich-Straße gibt. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von Felix Zietmann, AfD - Weitere Zurufe von der AfD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Silbersack, es gibt eine Intervention von Herrn Dr. Tillschneider.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ich will jetzt intervenieren, weil ich es nachher in den fünf Minuten nicht mehr schaffe, auf alles einzugehen, was hier so zusammenkommt.

Wissen Sie, Herr Silbersack, wenn Sie mit dem Vorwurf, irgendwas sei psychotisch oder krankhaft, um sich werfen, dann ist das sehr gewagt. Sie haben eben aus unserem Antrag herausgelesen, wir wollten die Oder-Neiße-Grenze korrigieren. Ich kann Ihnen nur ganz schwer folgen. Ich sage nur angesichts Ihres Vorwurfes psychotisch-wahnhaft: Glashaus - Steine.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Dr. Tillschneider, das weise ich zurück. Und wenn Sie das jetzt noch weiter ausführen, 


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ja. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

dann gibt es einen Ordnungsruf.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Nein.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Den kündige ich hiermit an.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ja. 

(Unruhe bei der AfD) 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Mit „Glashaus und Steine“ und dann gegenüber Herrn Silbersack - das weise ich hier zurück. 


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ja. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Und das mache ich auch für ihn.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Gut. - Manchmal hilft ja auch der Blick von außen. Elon Musk hat in einer grandiosen Rede beim Wahlkampfauftakt der AfD in Halle gesagt:

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Die AfD kommt! - Sebastian Striegel, GRÜNE, lacht)

Ihr Deutschen sollt nicht immer nur euch schuldig fühlen. Es ist gut, Deutscher zu sein. Ihr könnt auch mal stolz sein, 


Andreas Silbersack (FDP): 

Na ja. 


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Deutscher zu sein.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD)

Und wenn wir über Krankhaftes, Psychotisches und nicht Normales reden, dann glaube ich doch eher, dass unser Sonderverhältnis zu unserer Geschichte 80 Jahre nach Kriegsende vielleicht eher nicht normal ist im Vergleich zu dem, was die anderen Nationen praktizieren. Und wir wollen im Grunde nicht mehr und nicht weniger als eine Normalisierung unseres Verhältnisses zu unserer Nation.

Und wissen Sie, ich bin mir ganz sicher, dass wir damit durchdringen werden;

(Zuruf von der SPD) 

denn die Zeit spielt für uns, Vergangenheit vergeht. Es gibt Kräfte, die wollen die Vergangenheit instrumentalisieren, die wollen sie krankhaft lebendig halten, um ihr politisches Spiel damit zu spielen. Aber das wird auf Dauer nicht bestehen bleiben. Vergangenheit vergeht.

(Beifall bei der AfD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Silbersack, wollen Sie reagieren? - Bitte.


Andreas Silbersack (FDP):

Ja. Also offensichtlich haben Sie mir nicht zugehört. Ich habe hier gesagt, dass die Deutschen seit 1945 natürlich ein schwieriges und belastetes Verhältnis zu ihrer eigenen Geschichte und auch zur Nation haben.

(Zuruf von der AfD: Ja!)

Das ist doch überhaupt keine Frage. 

(Zuruf von der AfD: Das ist die Frage!)

Natürlich bin ich auch jemand, der sich für Nationalstolz einsetzt. Aber Sie überschreiten genau diese Grenze. Das, was eigentlich die Franzosen und die Italiener positiv gewandt machen, überzeichnen Sie. Sie wollen genau das Gegenteil.

Und wenn Sie Ihren Vortrag nicht so angereichert hätten mit diesen Themen, die genau in eine Richtung zielen und einen Anschluss bilden an den Antrag mit dem Titel „Irrweg der Moderne“    

Es ist eine Richtung. Es ist immer dasselbe. Sie nagen immer, Sie versuchen es, der stete Tropfen höhlt den Stein. Es geht immer in die eine Richtung. Sie wollen relativieren, Sie wollen Türen öffnen. Sie wollen im Grunde genommen den rechten und den Rechtsaußen-Flügel der AfD bedienen und sozusagen diese Ressentiments, die da sind, weiter betreiben. Das ist Ihr Problem.

Und deshalb kann ich Ihnen nur sagen: Wir haben eine gute Kampagne. Wir sind auch für einen Stolz dieser Nation. Aber wir sind gegen etwas, was ein Wiederaufflammen des Nationalsozialismus in diesem Land fördert.