Olaf Feuerborn (CDU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle eine Frage an die Landesregierung. Bei den Koalitionsverhandlungen im Bund hat die Landwirtschaft ein zentrales Thema eingenommen, und zwar aufgrund der Bauernproteste im Winter des Jahres 2023/2024.
Ich stelle der Landesregierung die Frage: Worin sieht die Landesregierung die Potenziale für die zukünftige Politik in Bezug auf die Entwicklung der Landwirtschaft in unserem Land und welche Folgen ergeben sich daraus?
Des Weiteren interessiert mich, welche Potenziale für die Landwirtschaft im Zusammenspiel mit der Politik auf der europäischen Ebene gesehen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit im Land zu stabilisieren. - Vielen Dank.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Minister Schulze, bitte.
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist eine sehr kluge Frage, über die es sich durchaus lohnen würde, die letzten 30 Minuten zu reden. Ich werde versuchen, die wesentlichen Punkte kurz und knapp zu erläutern, und zwar überwiegend mit Blick auf Sachsen-Anhalt.
Ich habe an den Verhandlungen teilgenommen, im Übrigen auch die Kollegin Frau Franziska Kersten vonseiten der Sozialdemokraten. Die Verhandlungsergebnisse waren durchaus gut, auch für Sachsen-Anhalt.
Ich will einzelne Punkte nennen, die unser Bundesland betreffen und die im Koalitionsvertrag hinterlegt sind, die es vorher so nicht gab und die uns helfen werden. Eine Frage, die die Landwirte in den letzten Jahren immer wieder gestellt haben, lautet: Was passiert mit ihren Ackerflächen, speziell mit den Flächen, die im Besitz des Staates sind, also konkret den Flächen, die im Besitz der BVVG sind? Sie alle wissen, dass das nicht nur bei der letzten Regierung immer wieder ein Thema war, sondern leider Gottes bereits über viele Jahrzehnte hinweg im Fokus steht. Wir Länder hatten wenig Einfluss.
In der letzten Legislaturperiode war die Situation sogar so, dass die neu zu vergebenden Pachtflächen ausschließlich an eine spezielle Klientel der Landwirtschaft verpachtet werden durften und die konventionell wirtschaftenden Betriebe dies nicht mehr machen konnten. Wir haben uns im neuen Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass diese Flächen, die jetzt noch zur Verfügung stehen, die also noch in der Hand der BVVG sind, zukünftig in die Hände der Länder zurückkommen. Das heißt nicht, dass wir sie jetzt geschenkt bekommen, und das heißt auch nicht, dass wir sie kaufen müssen, sondern wir werden dafür einen Modus finden. Wir werden auf diese Flächen jetzt wieder einen Zugriff haben.
Ich habe in Erinnerung, dass mir der Staatsminister Robra, der eine sehr lange Erfahrung in der Landesregierung Sachsen-Anhalts hat, mitgeteilt hat, dass es so etwas noch nie gegeben habe. Das wurde immer versucht, aber man hat es nicht hinbekommen. Das war - das will ich durchaus sagen - eine gute Zusammenarbeit der Länder. Till Backhaus, der Kollege aus Mecklenburg-Vorpommern, und ich haben es gemeinsam vorgeschlagen und der Bund hat mitgemacht.
Ein weiterer Punkt, den ich durchaus für wichtig halte, ist, dass wir zukünftig für Bauern, für Landwirte in Sachsen-Anhalt, die in der Tierhaltung tätig sind, eine Sicherheit geben werden. In jedem Jahr - darüber wird im Landtag immer wieder diskutiert - sinkt die Zahl der Tierhaltungsunternehmen. Wir haben immer weniger Kühe und auch die Zahl der anderen Tierarten nimmt immer weiter ab. Das hat einen Grund: Es gibt keine bzw. zu wenig Planungssicherheit, bspw. im Hinblick auf den Neubau von Ställen.
Deswegen ist im Koalitionsvertrag vereinbart worden - das wollen wir auch in Sachsen-Anhalt nutzen , dass zukünftig eine Planungssicherheit über 20 Jahre hinweg besteht. Wenn also ein Stall unter den aktuellen Herausforderungen und gemäß der aktuellen Gesetzgebung gebaut werden soll, also bspw. unter Einhaltung des Emissionsschutzrechts und unter Beachtung des Wunsches, offene Ställe zu bauen, dann wird die Basis zukünftig für einen sehr langen Zeitraum erhalten.
Wir möchten zudem versuchen, einen ganz kleinen Teil des auf den Weg gebrachten Sondervermögens für den Neubau und die Ertüchtigung von Stallanlagen in Deutschland und damit auch in Sachsen-Anhalt vorzusehen.
Ich will ein weiteres Thema nennen, das mir persönlich sehr wichtig ist. Wir haben in Sachsen-Anhalt - das wissen Sie - sehr große Ackerflächen. Zu meinen Kollegen aus Westdeutschland habe ich immer ein wenig im Spaß gesagt, dass bei uns das Vorgewende genauso groß ist wie deren ganze Fläche. Das ist vielleicht übertrieben, aber es ist eine Herausforderung, wenn wir darüber diskutieren, welchen Wert ein Hektar hat - nicht in Euro und Cent, sondern wenn es darum geht, die künftige Gemeinsame Agrarpolitik auszuhandeln.
Die Frage war auch, wie es dann in Europa aussieht. Die Ausgestaltung bzw. der Rahmenplan kommt aus Deutschland. Wir müssen dafür kämpfen - das haben wir im Koalitionsvertrag zumindest angedeutet und werden das jetzt fortführen , dass ein Hektar in Sachsen-Anhalt genauso viel wert ist wie ein Hektar in Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen. Das ist eine Aufgabe, die nicht ganz einfach wird. Sie kennen das Thema Kappung und Degression. Diese Thematik haben wir in den Koalitionsgesprächen thematisiert und im Koalitionsvertrag entsprechend verankert.
Das sind drei ganz konkrete Beispiele, die uns wichtig sind. Es gibt noch einige weitere. In Sachsen-Anhalt haben wir uns in unserer Koalition auf verschiedene Themen geeinigt. Ein Teil davon findet sich im Koalitionsvertrag auf der Bundesebene wieder, z. B. die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht. Darin sind sich SPD und CDU/CSU einig.
Es gibt viele, viele Themen, die sich auf die Landesebene übertragen lassen. Wichtig ist jetzt, dass wir uns gemeinsam aufmachen, die Dinge schnell umzusetzen und - das hat der Abg. Feuerborn zu Recht gesagt die Themen, die bei den Protesten der Bauern genannt und zu großen Teilen durch das zuständige Ministerium der vormaligen Regierung nicht angegangen wurden, auf den Weg zu bringen.
An dieser Stelle ist mir ein Thema sehr wichtig und diesbezüglich möchte mit Blick auf die Verhandlungen einen Dank an die Sozialdemokraten richten. Jeder einzelne der 194 Punkte zum Bürokratieabbau, die von Cem Özdemir größtenteils als nicht umsetzbar bewertet wurden bzw. wollte er sie nicht umsetzen, steht nunmehr im Koalitionsvertrag. Also wir haben sie nicht alle aufgeschrieben; vielmehr haben wir gesagt, dass diese 194 Punkte - das sind die Vorschläge aller Bundesländer - jetzt neu bewertet bzw. neu angeschaut und gemeinsam mit den Bundesländern umgesetzt werden müssen. Das ist im Bereich der Landwirtschaft der größte Beitrag zum Bürokratieabbau in den letzten Jahrzehnten. Das hilft dann auch den Bäuerinnen und Bauern. - Vielen Dank.