Tagesordnungspunkt 22

Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Studierende während der Pflichtpraktika 

Antrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/5321

Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN- Drs. 8/5351

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP- Drs.8/5353


Einbringer für die Fraktion Die Linke ist Herr Lange. - Sie haben das Wort.


Hendrik Lange (Die Linke):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, ein Mensch geht jeden Wochentag in Vollzeit arbeiten.

(Ulrich Siegmund, AfD: Stellen Sie sich vor?)

Zusätzlich hat er die Aufgabe zu reflektieren, was während seiner Arbeitszeit geschehen ist, und sich theoretisch und praktisch auf die nächsten Tage vorzubereiten. Stellen Sie sich vor, dass dies eine anspruchsvolle Arbeit mit Menschen ist, die einen richtig fordert. Jetzt stellen Sie sich vor, dass diese Person nicht einen Cent Entlohnung bekommt, und das über sechs Monate.

(Zuruf von der AfD: Frechheit!)

Im Gegenteil: Um über die Runden zu kommen, geht diese Person nach der Arbeit oder an den Wochenenden jobben. Meine Damen und Herren! Willkommen in der Realität der Studierenden der Sozialen Arbeit.

(Beifall bei der Linken und bei der AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben anhand der Behandlung einer Petition sowohl im Petitionsausschuss als auch im Wissenschaftsausschuss diese Situation analysiert, und ich gebe zu, dass ich diesen Antrag für meine Fraktion heute auch deswegen einbringe, weil weder ein Handeln des Wissenschaftsministers noch ein Handeln der Koalition erkennbar wurde. Nun kann man über die Zuständigkeit des Wissenschaftsministers sicherlich geteilter Meinung sein, aber schon das Signal, er würde es schnellstmöglich mit der Sozialministerin besprechen, um Lösungen zu erarbeiten, hätte mich milde gestimmt. Aber dergleichen war nicht zu vernehmen. Aber dafür ist das Thema zu wichtig, und darum beraten wir es heute erneut im Landtag.

Meine Damen und Herren! Es geht bei den Studierenden der Sozialen Arbeit nicht um Menschen, die aus Dudeldei lustig vor sich hin studieren. Es geht um an vielen Stellen unserer Gesellschaft händeringend gesuchte Fachkräfte, sei es bei der Schulsozialarbeit oder beim Streetwork, sei es bei Beratungsstellen oder Stellen der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen, sei es für die Betreuung von Begegnungsstätten für Jung und Alt. Sozialarbeiter*innen trifft man überall, und ihre Arbeit wird gebraucht. Darum ist es so wichtig, die Fachkräfte gut auszubilden und schon während des Studiums die Bedingungen attraktiv zu gestalten.

Meine Damen und Herren! Jedem, der die eingangs geschilderten prekären Lebensbedingungen während der Pflichtpraktika kennt, ist klar: Da muss sich etwas ändern. Wir und die Landesregierung haben schnell reagiert, als es um das Praktische Jahr der Ärztinnen und Ärzte ging. Das war verhältnismäßig einfach, da wir den direkten Zugriff auf die Uniklinika haben. Bei den Studierenden der Sozialen Arbeit ist der Handlungsdruck nicht minder groß, die Lösungen sind aber nicht ganz so einfach. Der Verband der kommunalen Arbeitgeber empfiehlt, solche Praktika mit 1 000 € zu vergüten. Das ist ein richtiger Schritt, und Kommunen, die sich das leisten können, werden diese Form der Fachkräftebindung und des fairen Umgangs mit der geleisteten Arbeit wählen. Gleichwohl gibt es keinen Rechtsanspruch der Studierenden.

Meine Damen und Herren! Schwieriger wird es bei den freien Trägern, die die Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern für den Staat erbringen. Weil es sich im Ausschuss etwas missverständlich anhörte, möchte ich hier noch einmal ganz klar betonen, dass die freien Träger keine Bittsteller sind. Sie erbringen in hoher Qualität die Leistungen, zu denen der Staat gesetzlich verpflichtet ist. Ihre Finanzierung erfolgt aber nach knapp bemessenen Kriterien, sodass eine Entschädigung der Praktikant*innen oft eine Überforderung darstellt. Das gilt insbesondere für kleine Träger.

Meine Damen und Herren! Die Linke möchte mit diesem Antrag erreichen, dass auf der Bundesebene Regelungen getroffen werden, die es allen Trägern, die Studierenden einen Praktikumsplatz bieten, ermöglicht, eine tarifgerechte Entlohnung dieser Arbeit vorzunehmen.

(Beifall bei der Linken)

Die Anerkennungspraktika sind in der Regel im Anerkennungsgesetz des Landes geregelt und deswegen Pflicht. Im Gegensatz zu den Anerkennungsjahren nach dem Studium erfolgen die Praktika während des Studiums. Im Anerkennungsjahr wäre eine tarifgerechte Entlohnung der übliche Weg. In der studienintegrierten Anerkennungspraktikumsphase ist die gleiche Arbeit zu leisten, beim Lebensunterhalt sagt man den Studierenden jedoch: Sieh zu, wie du über die Runden kommst. - Das ist ungerecht; das muss sich ändern.

(Beifall bei der Linken)

Meine Damen und Herren! Die Situation ist so ernst, dass wir nicht auf den Bund warten sollten. Wer weiß, was die Regierung zur Priorität macht, wenn sie ins Handeln kommt. Darum greifen wir den Impuls des DBSH auf, um für eine schnelle, landesweite Lösung einen runden Tisch zu installieren, an dem das Problem der Pflichtpraktika lösungsorientiert diskutiert wird.

Wir haben in den Landtag bereits den Vorschlag eingebracht, einen Landesfonds zur Finanzierung von Pflichtpraktika einzurichten. Aus diesem können dann beispielsweise Gelder in Höhe des Vorschlags des Verbands der kommunalen Arbeitgeber an die Studierenden gezahlt werden. Das wäre ein pragmatischer Umgang, der allen Seiten hilft und der auch aus dem Land heraus deutlich macht, dass die Fachkräfte von morgen nicht im Regen stehen gelassen werden.

(Beifall bei der Linken)

Meine Damen und Herren! Der letzte Punkt des Antrags zielt darauf ab, weitere Studiengänge, in denen diese Praktikumssituation auftritt, sichtbar zu machen, um auch hierfür Lösungen zu erarbeiten. Die eigentliche Lösung des Problems heißt elternunabhängiges existenzsicherndes BAföG. Die Zahl der BAföG-Berechtigten sinkt seit Jahren. Leider hat die Koalition unseren Vorstoß, den wir hier bereits eingebracht haben, sich auf der Bundesebene dafür einzusetzen, abgelehnt, obwohl das im Koalitionsvertrag steht. Ich frage mich ganz ehrlich, warum Sie da so zögerlich sind. Sie haben noch ganz andere Projekte, die Sie auch umsetzen; warum können Sie dann nicht einmal eine Bundesratsinitiative starten? Jetzt mit der neuen Bundesregierung haben Sie doch die nächste Chance dazu.

(Beifall bei der Linken)

Es ist also nicht erkennbar, ob Schwarz-Rot im Bund auch nur ansatzweise diesen Weg der Vernunft beschreiten wird - es wäre aber an der Zeit. Der Vorschlag von Frau Dr. Pähle im Ausschuss, wenigstens während der Zeit der Pflichtpraktika eine solche Leistung zu erhalten, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Sie haben das zumindest auch als Aufforderung in Ihren Alternativantrag geschrieben; na gut, mal sehen, wie groß die Wogen werden, die das auslöst.

Meine Damen und Herren! Studierende sind der wissenschaftlich gebildete Nachwuchs und damit Teil der Zukunft unserer Gesellschaft. Sorgen wir endlich dafür, dass die prekäre Lebenssituation vieler Studierender endet! Unser Antrag ist der richtige Vorstoß in diese wichtige Diskussion. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken - Zuruf von Marco Tullner, CDU)

Am Ende meiner Rede möchte ich betonen, dass die AfD eine rechtsextreme Partei ist, die Rassismus verbreitet und unsere Demokratie durch ein autoritäres, faschistisches System ersetzen will.

(Lachen bei der AfD - Jawohl! von der AfD - Weitere Zurufe von der AfD)

Die AfD gehört verboten! - Sie dürfen applaudieren.