Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem vorliegenden Antrag wird die Landesregierung gebeten, ein verbindliches Einladungs- und Meldewesen für Früherkennungsuntersuchungen nach dem Modell Niedersachsens aus dem Jahr 2009 einzuführen.

Viele von Ihnen werden sich wahrscheinlich noch daran erinnern, warum diese Untersuchungen damals bundesweit in den Fokus der fachpolitischen Diskussion gelangten. Der Hintergrund waren seinerzeit bundesweit Aufsehen erregende dramatische Fälle von Kindeswohlgefährdung in Bremen bzw. in Hamburg.

Alle Verantwortlichen haben danach den Kinderschutz massiv gestärkt, Frühwarnsysteme etabliert, den Schutzauftrag der Jugendämter konkretisiert und eben auch die Kooperation mit dem Gesundheitswesen ausgebaut. So gibt es seit dem Jahr 2012 ein Bundeskinderschutzgesetz, in welchem erstmals gesetzlich verankert wurde, dass Eltern ab der Schwangerschaft und bis zum dritten Lebensjahr ihrer Kinder über die frühen Hilfen systematisch unterstützt werden. Seitdem gibt es in allen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten aktive Netzwerke, in denen alle beteiligten Professionen mitarbeiten.

Wir haben den Kinderschutz in den Kitas verbessert. In jeder Einrichtung in Sachsen-Anhalt gibt es eine Kinderschutzfachkraft, in jedem Jugendamt ebenso. Es ist auch eine Schutzregelung im Gesetz über die Kammern von Heilberufen eingefügt worden. Der interkollegiale Austausch zwischen Ärztinnen und Ärzten trägt zur Erkennung und Vermeidung von Kindeswohlgefährdungen bei.

Und auch die Vorsorgeuntersuchungen spielen eben eine nicht unwichtige Rolle. Allerdings sind sie auch nur ein Baustein von vielen weiteren Instrumenten des präventiven Kinderschutzes. Leider werden nicht alle Untersuchungen durchgängig und konsequent von den Eltern wahrgenommen. Hier setzt aber das Einladungs- und Erinnerungssystem, das viele Krankenkassen haben, an.

Nach einer Auswertung der AOK Sachsen-Anhalt für die Jahre 2016 bis 2023 nehmen deren Versicherte insbesondere in den ersten Lebensmonaten und -jahren die gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen rege in Anspruch. Ich habe hier mal ein Beispiel für ein solches Schreiben mitgebracht.

(Ministerin Petra Grimm-Benne hält ein Schriftstück hoch)

An den Untersuchungen U 3 bis U 6 - ich bitte einfach noch einmal darum, zuzuhören, damit Sie das jetzt auch mitbekommen - nahmen durchschnittlich etwa 92 % teil. Wir sehen bei den Untersuchungen U 7 bis U 9 - das haben wir Ihnen auch in der Antwort auf die Kleine Anfrage beantwortet -, dass die Inanspruchnahme abnimmt. Aber es sind immer noch 78 % feststellbar.

Es gibt viele gute Argumente dafür, dass die Teilnahme an U-Untersuchungen freiwillig bleiben sollte, etwa, dass die Gesundheitsdaten aller Kinder zentral erfasst und möglicherweise weiterverarbeitet werden, was Datenschutzbedenken aufwirft.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Diskussion hier im Hohen Haus, die wir in den Jahren 2008 und 2009 geführt haben. Insbesondere auch das und gerade das, was die Kinderärzte und die Jugendärzte dazu gesagt haben, kann noch einmal in dem Protokoll über die Anhörung nachgelesen werden. Aber im Ergebnis hat sich damals der Landtag gegen eine entsprechende Regelung ausgesprochen.

Aber ich denke, dass die Regierungsfraktionen heute vorschlagen werden, Ihren Antrag zu überweisen. Dann können wir ja noch mal gucken, ob sich die damalige Diskussion hier noch mal fortsetzt oder ob es ein Umdenken gibt.

Ich denke mal, bei 92 % und 78 % sollte man gucken, wer muss sozusagen die ganzen Daten aufnehmen. Und wir haben im Prinzip schon eine Art Erinnerungsschreiben, die Sie ja so erwarten, über die Krankenkassen. Ich persönlich denke, wir haben da im Augenblick ein sehr gutes System, was wir möglicherweise nicht verbindlich machen sollten.

Aber das ist meine persönliche Auffassung. Möglicherweise kommen Parlament oder Ausschuss zu einer anderen Auffassung. - Herzlichen Dank für das Zuhören.