Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Imagekampagnen sind immer Geschmackssache. Die einen finden sie genial, die anderen sind eher skeptisch. So verhält es sich auch mit unserer Landeskampagne „#moderndenken“. Ich glaube, das ist auch ganz normal. Wir erinnern uns an die vorhergehende Imagekampagne „Wir stehen früher auf“. Das ist deutschlandweit und international erst belächelt worden, aber später fand man das sogar ganz gut;
(Zustimmung bei der CDU und von Guido Kosmehl, FDP)
das hat man heute noch im Kopf. Oder denken Sie an Baden-Württemberg. „Wir können alles außer Hochdeutsch“ war auch so eine Kampagne, die sich bis heute in unseren Köpfen festgesetzt hat. Auf jeden Fall aber bieten solche Kampagnen reichlich Diskussionsstoff. Das soll so sein, das ist auch ihr Zweck.
Liebe Abgeordnete! Nun hat die AfD-Fraktion einen Vorschlag gemacht und möchte „#moderndenken“ durch „#deutschdenken“ ersetzen. Hierbei scheint mir in mehrfacher Hinsicht ein Missverständnis vorzuliegen; denn „#moderndenken“ schließt „#deutschdenken“ ja keineswegs aus,
(Angela Gorr, CDU: Im Gegenteil!)
- im Gegenteil -; vielmehr schließt es das ein.
Interessant ist es auch, dass im AfD-Antrag z. B. auf Otto I. in Magdeburg oder auf Eike von Repgow verwiesen wird - wir haben es eben gehört - oder auf den Sachsenspiegel. In diesem Zusammenhang wird gefordert, dass diese in den Lehrplänen der Schulen zu berücksichtigen seien. Ich weiß gar nicht, ob Sie sich schon einmal mit unseren Lehrplänen auseinandergesetzt haben.
(Zuruf: Nein!)
Offensichtlich nicht. Ich kann sie Ihnen gern auch alle geben; darin können Sie alles nachlesen. All diese Dinge finden in unseren Lehrplänen statt. Ich kann nur empfehlen, noch einmal einen Blick in die Lehrpläne zu werfen. Denn natürlich finden sich diese Landesthemen sehr, sehr ausführlich in diesem Curriculum wieder, ebenso wie Martin Luther und die Reformation sowie Anhalt-Dessau mit seinem Fürsten Franz. Deutsche Geschichte findet also sehr wohl im Unterricht statt.
(Zustimmung von Thomas Staudt, CDU, von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Guido Kosmehl, FDP)
Und so ist es mit vielem, das in diesem Antrag genannt wird. Es gibt das Festspiel der deutschen Sprache in Bad Lauchstädt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die AfD das initiiert hat. Die Landesregierung hat das initiiert und unterstützt und nicht die AfD.
(Zuruf von Christian Hecht, AfD)
Und Sie stellen das heute noch so dar, als wäre das ihr Ding gewesen.
Es gab und es gibt große Ausstellungen im Bereich unserer Landesgeschichte, aktuell zur Geschichte des Bauernkrieges. Es gab das Luther-Jubiläum und vieles mehr. Was das Weltdokumentenerbe Merseburger Zaubersprüche anbelangt: Ich kenne einen Abgeordneten, unser Sven Czekalla - der sitzt jetzt gerade nicht hier -, der sich intensiv dafür einsetzt, dass die Merseburger Zaubersprüche in das Weltdokumentenerbe aufgenommen werden. Ich kann mich nicht daran erinnern - und ich weiß es auch nicht -, dass sie bisher irgendeine Initiative in dem Bereich ergriffen hätten.
Die Landesregierung denkt also sehr wohl deutsch. Und natürlich steht bei ihr das Wohl der Sachsen-Anhalterinnen und der Sachsen-Anhalter und unserer heimischen Unternehmen an erster Stelle. Aber wir benötigen mehr als nur Selbstvergewisserung. Wir müssen über den eigenen Tellerrand hinausschauen. Wir möchten, dass unsere Kinder ihr Dorf oder ihre Stadt und Sachsen-Anhalt kennen und auch lieben. Wir wollen aber auch, dass sie sich in der Welt auskennen. In Artikel 27 Abs. 1 unserer Landesverfassung steht - ich zitiere :
„Ziel der staatlichen und der unter staatlicher Aufsicht stehenden Erziehung und Bildung der Jugend ist die Entwicklung zur freien Persönlichkeit, die im Geiste der Toleranz bereit ist, Verantwortung für die Gemeinschaft mit anderen Menschen und Völkern und gegenüber künftigen Generationen zu tragen.“
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir Unternehmen aus dem Ausland, die zu uns kommen, um hier zu investieren, benötigen. Dazu hatten wir gestern eine Debatte. Wir benötigen qualifizierte Zuwanderung für den Arbeitsmarkt.
(Zustimmung von Marco Tullner, CDU)
Wir werben um Wissenschaftler und junge Menschen, die an unsere Hochschulen kommen sollen, um hier zu studieren und zu lehren.
(Marco Tullner, CDU: Sehr richtig!)
Wir möchten, dass Touristen aus aller Welt zu uns kommen und sich hier wohl und willkommen fühlen.
(Zustimmung von Andreas Schumann, CDU, und von Lars-Jörn Zimmer, CDU)
All dies lässt sich allein mit „#deutschdenken“ - so richtig es ist, unser Land immer im Blick zu haben - nicht abbilden,
(Marco Tullner, CDU: Das stimmt!)
wohl aber mit „#moderndenken“.
Deutschland und Sachsen-Anhalt sind eingebettet in Europa. Sie sind eingebettet in den weltweiten Standortwettbewerb. Mit dem Rückzug auf uns selbst kommen wir nicht weiter, gibt es keine Zukunft für unser Land.
Verehrte Abgeordnete! Ob es der Zukunft unseres Landes zuträglich ist, die Fahrten zu den Gedenkstätten, die an die Verbrechen des Nationalsozialismus erinnern, einzustellen, wie es die AfD in ihrem Antrag fordert, ist ebenfalls zu bezweifeln.
(Zustimmung von der CDU und von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Andreas Silbersack, FDP)
Ich möchte daran erinnern, das machen die Schülerinnen und Schüler auf freiwilliger Basis. Es gibt bei uns keinen Zwang, die Gedenkstätten zu besuchen. Das gilt erst recht, wenn dazu noch ein „Stolz-Pass“ eingeführt werden soll. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich in der Schule „Ich bin stolz, Jungpionier zu sein“ singen musste. Das will ich nicht wieder haben.
(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN - Hendrik Lange, Die Linke, lacht)
Kapitel der deutschen Geschichte auszublenden, Stolz einzufordern und ihn mit einem Pass noch zu dokumentieren, ist im besten Fall nur grotesk.
(Sandra Hietel-Heuer, CDU: Ja!)
Im schlimmsten Fall ist das eine Anknüpfung an Zeiten, die wir geglaubt haben, längst hinter uns zu haben.
(Zustimmung bei der CDU, bei der Linken, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)
Mit „#moderndenken“ wollen wir dagegen Landesimage und Landesidentität stärken und Geschichte mit Zukunft verbinden. Wir verweisen auf die starke Geschichte und die großen Ideen von damals und würdigen zugleich die modernen Denker von heute. Das sind Menschen, die unser Land mit ihren Ideen und mit ihrer Tatkraft gestalten und weiterbringen.
So präsentiert sich Sachsen-Anhalt geschichtsbewusst, aber auch als modernes, zukunftsgewandtes Bundesland. Und ja, wir denken dabei selbstverständlich an Deutschland und an Sachsen-Anhalt und so machen wir auch unsere Politik. Aber wir denken eben auch darüber hinaus. Wir schmoren nicht im eigenen Saft. Unser Ziel ist vielmehr die Kommunikation auch nach außen. Daher kann ich zum Antrag der AfD nur einen Vorschlag machen: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, bevor Sie über „#moderndenken“ oder „#deutschdenken“ reden, bitte künftig einmal nachdenken. - Vielen Dank.