Dr. Katja Pähle (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, Ihnen nach längeren Beratungen - die Kollegin Hohmann sagte ja schon, wie lange wir an dem Thema dran sind - und nach der Einigung im Koalitionsausschuss letzte Woche heute tatsächlich das Podologieausbildungsförderungsgesetz in erster Lesung vorzustellen.
(Lachen von Eva von Angern, Die Linke)
Ja, es war ein langer Weg, und er war auch nicht ganz einfach. Warum das so ist, werde ich nachher noch weiter ausführen.
Wenn wir das Gesetz nach einer zügigen Beratung im Sozialausschuss in der nächsten Woche im Juni in zweiter Lesung beschließen - das ist das gemeinsame Ziel -, dann ist zum neuen Schuljahr die Ausbildung zum Podologen oder zur Podologin nach längerem Ringen hier in Sachsen-Anhalt endlich schulgeldfrei. Wir gehen damit einen längst überfälligen Weg, den andere Länder bereits beschritten haben.
Mit der Schulgeldfreiheit für die Ausbildung als Heilpraktiker für die medizinische Fußpflege setzen wir auf gut ausgebildete Fachkräfte für die Gesundheitsversorgung der Patientinnen und Patienten, die wir dringend brauchen. Die regierungstragenden Fraktionen setzen damit eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um, die Ausbildungsbedingungen für die Gesundheits- und Sozialberufe attraktiv zu gestalten, um dringend gebrauchte Fachkräfte im Land zu halten. Es heißt: Schulgeldfreiheit und Ausbildungsvergütung sind zentrale Schritte für den Nachwuchs und für die Fachkräftesicherung.
Genau das haben wir heute Morgen auch bei den Zahnärzten diskutiert. Dass beim Thema Zahnärzte anscheinend die Bereitschaft, schneller und größer zu Lösungen zu kommen, höher war als bei den Podologen, hat mir doch einiges zu denken gegeben.
(Beifall bei der SPD)
Wenn wir von Gesundheit sprechen, dann sprechen wir einerseits von der Gesundheit von Kopf bis Fuß und andererseits von Respekt gegenüber all diesen Berufen.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Linken und bei den GRÜNEN)
Der Zahnarzt sollte uns nicht wichtiger sein als die medizinische Fußpflegerin, denn am Ende brauchen wir alle, um die Menschen lange bei Gesundheit halten zu können und dafür zu sorgen, dass es ihnen gut geht.
(Zustimmung bei der SPD und bei der Linken)
In den letzten Jahren sind wir in Sachsen-Anhalt in dem Bereich aber insgesamt gut vorangekommen. Durch landesgesetzliche Regelungen oder auch durch Bundesmittel konnten wir bereits in der Pflegehilfe-, Erzieher-, Kinderpflege- und Sozialassistentenausbildung Schulgeldfreiheit herstellen. Ich verstehe die Opposition, immer auf das hinzuweisen, was wir noch nicht geschafft haben. Das ist auch Ihre Rolle. Aber lassen Sie uns doch einmal stolz auf das sein, was wir schon hinbekommen haben - und das in einem Bundesland, in dem die Haushaltsmittel nicht unbedingt so üppig fließen wie in anderen. Ich finde, in diesem Bereich haben wir eine Menge auf den Weg gebracht, und das ist gut so.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)
Mit den Podologen wird nun eine weitere Gruppe der Gesundheitsberufe schulgeldfrei gestellt, und ja, der Bund hat sich bereits 2020 in den Eckpunkten der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Gesamtkonzept Gesundheitsfachberufe“ auf die Abschaffung des Schulgelds verständigt und Regelungen zur Novellierung und Reformierung der Gesetze geschaffen - einige sogar auf Bundesebene, viele Dinge blieben aber auf Landesebene fokussiert. In den Eckpunkten der Bund-Länder-Arbeitsgruppe wurde damals gemeinsam festgehalten, dass es zur Attraktivitätssteigerung der Gesundheitsfachberufe ratsam ist, das Schulgeld abzuschaffen. Dabei herrschte aber auch - ich sage als Landesvertreterin: leider - Einigkeit darüber, dass hierbei die Länder für die Finanzierung der Ausbildungskosten zuständig sind.
Genau deshalb haben wir in der Koalition so lange darum gerungen; das will ich ganz deutlich sagen. Denn alles, was wir hier im Haushalt in Verantwortung der Koalition miteinander beschließen, muss auf lange Sicht gesichert sein. Deshalb will ich mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei den Koalitionspartnern bedanken, dass wir das jetzt über ein Gesetz machen.
(Zustimmung bei der SPD)
Das spricht hoffentlich die klare Botschaft, dass diese Schulgeldfreiheit ein auf lange Sicht angelegtes Projekt ist.
Was ich gerade zur Finanzierung durch die Länder gesagt habe, ist auch richtig so. Es ist heute nicht mehr vermittelbar - und da haben die Länder eine Verantwortung -, wieso junge Menschen für ihre Ausbildung noch zahlen sollen. Aufgrund der Verzögerung des Gesetzes konnte beobachtet werden, dass mit der Nicht-Einführung zum letzten Schuljahr die Ausbildungszahlen in der Podologie nach unten gegangen sind. Deshalb ist es schön und wichtig, wenn der Landtag hier schnell ein Signal setzt. Das zeigt aber auch, dass wir in der Frage, welche Berufe in der Bundesrepublik über die duale Ausbildung und welche rein schulisch erreichbar sind, intern in eine Diskussion gehen müssen; denn die Podologen sind bei Weitem nicht die letzte Berufsgruppe, die diesbezüglich in Rede steht. Deswegen müssen wir uns damit insgesamt beschäftigen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Um mit einem Missverständnis zur Podologie aufzuräumen: Podologinnen und Podologen sind keine besseren Fußpfleger oder Nagelstudios. Sie machen Füße nicht chic, sondern leisten eine medizinische Facharbeit.
(Zustimmung bei der SPD)
Jeder, der einmal ein medizinisches Problem mit seinen Füßen hatte, wird wissen, wie wichtig eine podologische Fachbehandlung ist. Das gilt insbesondere für Menschen, die eine krankhafte Schädigung am Fuß infolge eines Unfalls oder infolge einer sensiblen oder sensomotorischen Neuropathie oder infolge eines Querschnittsyndroms haben. Das sind jene Erkrankungen, die Durchblutungs- und Gefühlsstörungen oder Wundheilungsstörungen zur Folge haben. Dazu zählt unter anderem das sogenannte diabetische Fußsyndrom, das insbesondere bei Patienten mit Diabetes Typ 2 weit verbreitet ist: Fast 15 % dieser Patientinnen und Patienten erkranken früher oder später daran.
Warum erzähle ich Ihnen das? - Auch wenn ich Diabetikerin Typ 1 bin und seit 44 Jahren damit gut klarkomme, gestatten Sie mir den ganz individuellen Blick auf die Fragen: Um wen geht es dabei? Um welche Leistungen geht es? Warum ist diese Leistung so wichtig, um Menschen bei guter Gesundheit zu halten?
(Zustimmung bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN)
Insgesamt geht man von rund einer Viertelmillion Patientinnen und Patienten mit dieser Erkrankung aus. Wenn diese Erkrankung nicht fachmännisch behandelt und versorgt wird, drohen Folgeerkrankungen, langfristige Schäden und im schlimmsten Fall Amputationen. Wer sich 30 Jahre zurückerinnert, wie viele Menschen damals tatsächlich mit amputierten Zehen und Füßen, teilweise sogar bis zum Knie, unterwegs waren - damals waren die Diabeteserkennung und -versorgung noch auf einem ganz anderen Niveau -, der versteht, welche kleinen Dinge das Leben von Menschen grundsätzlich negativ beeinflussen können.
Deshalb ist, wie gesagt, die Schulgeldfreiheit für die Ausbildung in diesem Bereich unverzichtbar. Eine qualitativ hochwertige und ab Herbst schulgeldfreie Ausbildung stellt sicher, dass diese Patientengruppen medizinisch kompetent versorgt werden. Wir wissen, dass wir in Sachsen-Anhalt eine immer ältere Bevölkerung haben und insbesondere in den Altenpflegeheimen auch unter diesem Aspekt dringend Fachpersonal benötigt wird.
Alle Gesundheitsberufe, die in der Zuständigkeit des Sozialministeriums liegen, müssen nicht nur schulgeldfrei gestellt werden, sondern sind es. Wir haben das über einen langwierigen Prozess gemeinsam mit Ministerium und Parlament tatsächlich geschafft. Damit steigern wir die Attraktivität der Gesundheitsberufe und schaffen neue Anreize für junge Menschen, sich für eine solche Ausbildung zu entscheiden.
Leider fehlt es noch an der Schulgeldfreiheit für die Ergo- und die Physiotherapie sowie für die Logopädie, wobei ich nicht verhehlen will, dass hierbei auch andere Aspekte, insbesondere auch in Bezug auf die Akademisierung, eine Rolle spielen.
(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)
Insgesamt gibt es sicherlich noch viel, was wir diesbezüglich noch diskutieren müssen. Deswegen kommen wir hierbei leider nicht so schnell voran. Ich will an dieser Stelle noch einen Beruf in das Spotlight heben, bei dem Frau Gorr mir sicherlich sofort zustimmen wird: Wir müssen uns auch bei den Heilerziehungspflegern
(Angela Gorr, CDU: Ja, ich stimme zu!)
genau anschauen, was wir bei deren Ausbildung verbessern können, damit dieser wichtige und leider aus dem Blick geratene Beruf auch zukünftig gute Fachkräfte hat und die Menschen, die den langen Weg in der Ausbildung gehen, auch adäquat eingesetzt werden und verdienen können.
(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und von Angela Gorr, CDU)
Ich fände es gut, wenn wir sowohl bei diesem als auch bei den drei anderen Berufen, die ich genannt habe, diese Lücke noch schließen könnten. Ich hoffe, dass wir in gemeinsamer Kraftanstrengung zumindest eine Idee entwickeln, wie es nach dem jetzt genehmigten Doppelhaushalt an diesen Stellen weitergeht.
Ich will noch einmal betonen: Die Schulgeldfreiheit an diesen Stellen ist keine arbeitsmarktpolitische Maßnahme, sondern es geht um die Anerkennung dieser Berufe, um Gleichbehandlung und um Respekt, und deshalb sollten wir das tun.
Dem Sprichwort von Kollegin Hohmann „Aller guten Dinge sind drei“ will ich ein anderes Sprichwort daneben stellen: Am Ende wird alles gut, und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende. - Von dieser Warte her werden wir weiter im Gespräch bleiben. Ich hoffe für diesen Gesetzentwurf auf eine zügige Beratung und dass wir es gemeinsam zum Ausbildungsstart zum 1. August über Landtagsdebatten und einen Landtagsbeschluss hinbekommen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Linken, bei den GRÜNEN und von Guido Kosmehl, FDP)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Frau Hohmann hat noch eine Frage.
Monika Hohmann (Die Linke):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Dr. Pähle, wir hatten 2019 einen Landtagsbeschluss, und mich würde interessieren, wie Sie - Sie waren damals in der Koalition und sind es jetzt auch noch - mit diesem Beschluss umgehen. Zudem würde mich interessieren: Sehen Sie eine Chance, diese drei therapeutischen Berufsgruppen, die wir beide genannt hatten, und ganz besonders die Logopäden, zu denen wir in der letzten Sozialausschusssitzung eine Anhörung hatten, in dieser Legislaturperiode noch schulgeldfrei zu stellen?
Vizepräsident Wulf Gallert:
Sie können antworten.
Dr. Katja Pähle (SPD):
Werte Kollegin Hohmann, den Landtagsbeschluss kenne ich. Dass wir heute als Koalition das Gesetz so vorlegen, bedeutet auch, dass wir schrittweise in der Abarbeitung dieses Landtagsbeschlusses unterwegs sind. Das geht an der einen oder anderen Stelle nicht so schnell, wie wir uns das wahrscheinlich gemeinsam wünschen würden, aber wir sind in der Abarbeitung.
In Bezug auf die drei Berufsgruppen - das habe ich gerade gesagt - geht es neben der Schulgeldfreiheit auch um den Punkt der Teilakademisierung. Es geht nicht darum, dass alle Physiotherapeuten demnächst studieren müssen, sondern es geht darum, eine andere Form der Ausbildung zuzulassen, um die Möglichkeit der Delegationsrechte, der Eigenständigkeit und des Direktzugangs stärker auszuweiten.
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dass wir in der Koalition aktuell darüber sprechen. Ich kann die Ergebnisse aber nicht vorwegnehmen. Der beschlossene Haushaltsplan des Landtages sieht eine Refinanzierung der Schulgeldfreiheit in diesem Bereich aktuell nicht vor. Ich weiß nicht, ob im Haushalt des Bildungsministeriums dafür freie Mittel zur Verfügung stehen. Das kann ich nicht beurteilen.
Ich glaube, dies kann tatsächlich nur gelingen, wenn wir es gemeinsam wollen und über Gespräche vorbereiten. Diese Gespräche führen wir, aber wie das Ergebnis aussieht, kann ich Ihnen noch nicht sagen.