Wulf Gallert (DIE LINKE):

Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte ist in etwa so verlaufen, wie ich es erwartet habe. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Wenn es nur das Problem AfD geben würde   zum Charakter der Rede des Kollegen Kirchner hat der Kollege Erben nun alles gesagt, was man dazu sagen musste  , dann hätte ich nicht hier vorn stehen müssen.

(Zuruf: Uih!)

Das eigentliche Problem an der Debatte ist, dass sich mit den politischen Ansätzen, die sich hinter der Rede von Herrn Kirchner verbergen, die AfD und die mit ihr verbündeten Parteien inzwischen in Europa im Wesentlichen durchgesetzt haben. Das ist das Problem, warum man diese Debatte an dieser Stelle führen muss.

(Zustimmung)

Über die Situation an der belarussisch-polnischen Grenze kann man viel reden. Das hat geopolitische Aspekte. Das hat friedens- oder militärpolitische Aspekte. Das hat einen europapolitischen Aspekt. Zumindest muss man Herrn Lukaschenko zugutehalten, dass er als absolut skrupelloser Diktator eines geschafft hat - er hat es geschafft, der Europäischen Union, der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft, den Spiegel vorzuhalten und der Welt zu beweisen, dass sie, wenn es um ihre Wohlstandsgrenzen geht, auf diese Werte pfeift. Das ist das Desaster der jetzigen Situation, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall)

Zuallererst geht es aber um Tausende Menschen, die derzeit in den Grenzgebieten von Polen und Ungarn unter lebensbedrohlichen Umständen dahinvegetieren. Es gibt Tote. Natürlich, wenn man der AfD-Logik folgt, erfrieren die Menschen dort gerade nur deswegen, um uns mit medialen Bildern unter Druck zu setzen.

(Zuruf)

Wir haben die Situation, dass natürlich alle Leute darüber reden, ohne sich auch nur einmal im Spezifischen darum zu kümmern, woraus diese Situation resultiert und woher diese Menschen kommen. Eine Bundestagsabgeordnete der LINKEN aus Hamburg, Żaklin Nastić, war dort gewesen. Sie kommt ursprünglich aus Polen und hat gesagt, folgende Bevölkerungsgruppen sind betroffen.

Jesiden aus dem Nordirak, Kurden aus Syrien, Menschen aus Afghanistan und Menschen aus Jemen, das sind die fünf größten Menschengruppen, die dort existieren. Alle diese Gruppen fliehen aus Kriegsgebieten und vor ethnischer Verfolgung. Sie sind in unseren Diktionen, in unserem Sinne, sehr wohl asylberechtigt.

(Zustimmung)

Und es sind vor allen Dingen Familien. Jetzt kenne ich schon wieder diese Argumentation von den Menschen, die hierherkommen und 5 000 € für einen Flug bezahlen. - Ja, so ist es. Und: Ja, die könnten doch und die sind doch nicht     Ja, hat sich schon mal irgendjemand überlegt, wie argumentativ eigentlich diese Situation dargestellt wird? Also es sind Wirtschaftsflüchtlinge, die Armutsmigration machen. Aber gleichzeitig wirft man ihnen vor, dass sie 5 000 € für einen Flug bezahlen können,

(Zurufe)

und dann auch gleich wieder zurück. Nein, das sind tatsächlich Menschen, die aus ethnischer Verfolgung und vor unmittelbarer Gefahr durch den Krieg fliehen. Und die vegetieren an den Außengrenzen der Europäischen Union. Und das ist nicht zu akzeptieren. Das ist das Desaster, über das wir hier zu reden haben.

(Zustimmung und Zurufe)

Ich will mich mit der AfD jetzt gar nicht weiter auseinandersetzen; das hat sowieso keinen Zweck. Aber Herr Erben, Ihre Rede hatte einen ganz klaren Widerspruch.

(Zuruf: Oh!)

Sie haben ganz klar gesagt, die prioritäre Aufgabe sei es, sich jetzt um die humanitäre Situation der 10 000 oder 15 000 Menschen in diesem Bereich zu kümmern. Und gleichzeitig bedanken Sie sich in der Tonalität eines Herrn Seehofer bei der polnischen Regierung für das, was sie jetzt tun.

(Zuruf: Das dachte ich mir!)

Wissen Sie, was die polnische Regierung dort jetzt mit Militär tut?

(Zurufe)

Illegale Pushbacks, Verfolgung der entsprechenden Menschen, Zurückweisung an der Grenze, Einsatz von Pfefferspray und Einsatz von Prügelei,

(lebhafter Beifall)

das ist das, was an der polnischen Grenze passiert. Es passiert genau das Gegenteil dessen, was erforderlich wäre, dass die Menschen dort nämlich humanitär unterstützt werden. Und dafür sollen wir uns bedanken? - Nein, das gehört verurteilt,

(Zuruf: Genau!)

liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Lebhafter Beifall)

Und es ist inzwischen absurd. Es gibt ein Rechtsstaatsverfahren, das man gegen diese extrem nationalistisch-konservative PiS-Regierung in Polen anstrebt, weil sie die Unabhängigkeit der Justiz untergräbt.

(Zuruf: Oh, das muss ja ein Skandal sein! - Lachen)

- Ja, das gibt es. Und die gleichen Leute,

(Zuruf: Sagt die Linkspartei!)

die das berechtigterweise politisch anstreben, bedanken sich bei der polnischen Regierung dafür, dass sie das Völkerrecht mit illegalen Pushbacks bricht. Das ist absurd, und das hat mit Glaubwürdigkeit nichts zu tun.

(Zustimmung)

Und es tut mir als überzeugtem Europäer sehr weh, dass ich dies beobachten muss.

Deswegen brauchen wir hier eine andere Perspektive. Und es ist ja nun nicht so, dass es ausdrücklich nur Perspektiven der LINKEN dazu gibt. Nein, es ist der ehemalige Bundestagspräsident Schäuble, meines Wissens immer noch CDU-Bundestagsabgeordneter, der ausdrücklich sagt:

(Zuruf)

Wir brauchen für die Menschen, die sich dort jetzt in diesem Grenzgebiet befinden, ein normales Asylverfahren. Und dieses Asylverfahrens wird es nur innerhalb der Grenzen der Europäischen Union geben können. Und deswegen müssen wir den Menschen die Möglichkeit geben, dieses Asylverfahren in der Europäischen Union durchführen zu können. Warum kann, wenn selbst ein Herr Schäuble zu einer solchen Position kommt, ein Außenminister Maas nicht wenigstens das Gleiche sagen? Das wäre seine verdammte Pflicht in diesem Augenblick.

(Zustimmung)

Und dann steht natürlich die Frage: Wie kommen wir in der Europäischen Union überhaupt in eine solche Situation? Natürlich kommen wir deswegen in eine solche Situation, weil es in dieser Europäischen Union überhaupt keine Verständigung über legale Fluchtmöglichkeiten gibt. Das ist die Situation. Und weil es diese Verständigung nicht gibt, wird es immer und permanent eine solche potenziell erpresserische Situation geben.

Natürlich hat Lukaschenko von Erdogan oder von den Machthabern in Tripolis gelernt. Das System und das Verfahren ist überall dasselbe. Weil es keine legalen Möglichkeiten für die Menschen gibt, kann man sie als erpresserische Variante einsetzen und kann jedes Mal die Situation in dieser Art und Weise zuspitzen.

Was aber nebenbei passiert, das ist die Tatsache, dass es eine völlige Entmenschlichung dieser Flüchtlinge gibt. Sie werden als Munition bezeichnet. Sie werden als Waffen hybrider Kriegsführung bezeichnet. Sie werden in der Diktion, und zwar nicht der AfD, sondern des politischen Establishments eines Herrn Kretschmer und eines Herrn Seehofer entmenschlicht. Das ist die Situation, die wir fünf Jahre nach den Jahren 2015 und 2016 inzwischen haben. Und so bitter wie das ist, und so bitter wie ich das hier sagen muss: Das ist die Erkenntnis, dass sich die AfD im politischen Establishment mit ihrem Ansatz durchgesetzt hat. Das ist das, was wir hier erleben.

(Lebhafter Beifall)

Das ist die Katastrophe und über die müssen wir reden. Wo ist diese westliche Wertegemeinschaft? - Nein, sie ist eine Wertegemeinschaft, die ihre Wohlstandsgrenzen verteidigt.

(Zurufe)

Das ist das, was wir an der Grenze zwischen Polen und Belarus erleben. Die Werte der Europäischen Union werden tagtäglich mit jedem Toten dort neu verraten. Das ist die Katastrophe. Und das ist das, woran wir arbeiten müssen. Das ist unser Problem. Und darum geht es hier heute und um nichts anderes. - Danke.

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Gallert, auch Ihr Vortrag hat jetzt zu Zwischeninterventionen bzw. zu Nachfragen Anlass gegeben. - Es gibt zunächst eine Nachfrage von Herrn Gürth. Würden Sie die beantworten?


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Ja.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Ja. - Herr Gürth, bitte.

(Zuruf)


Detlef Gürth (CDU):

Herr Kollege Gallert, ich habe zwei Fragen.

(Unruhe)

Gehe ich - das ist die erste Frage - recht in der Annahme, dass Ihre Meinung, die Sie hier auch für Ihre Fraktion vorgetragen haben, nicht identisch ist mit der Meinung der Kollegin Wagenknecht,

(Lachen)

die eine führende Politikerin ist?

(Zuruf: Kann man durchaus teilen!)

Ich frage dies, weil Sie ja auch Herrn Schäuble zitierten?

Zweitens. Sie hatten in Ihrer Rede sehr detailliert Auskunft darüber gegeben, wer die Personen sind, die jetzt traurigerweise dort bei der Kälte im Elend an der Grenze um ihr Leben bangen, was Herkunft und deren Motivation betrifft. Woher wissen Sie das? Hatten Sie Gelegenheit, mit denen zu sprechen?

(Unruhe)

Woher kommen die eigentlich, aus welchen Ländern kommen die?

(Zuruf: Mit Verlaub!)

Und ist tatsächlich die Flucht vor Krieg - es gibt viele gute Gründe, um hierher zu kommen - das Motiv? Woher wissen Sie das alles?

(Zuruf: Geraten!)


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Herr Gürth, erstens vertrete ich wahrscheinlich in kaum einer politischen Konstellation noch die Position der Kollegin Wagenknecht. Ich kann Ihnen aber diese Frage deswegen nicht beantworten, weil ich keine Position von Frau Wagenknecht zur aktuellen Situation an der polnisch-belarussischen Grenze kenne. Insofern kann ich Ihnen nicht sagen, inwiefern es dort einen Widerspruch gibt.

Interessant, Herr Gürth, ist, dass Sie mich fragen, ob ich die Personengruppen und ihre Motive kenne. Nein, ich war nicht an der polnisch-belarussischen Grenze. Aber ich habe Ihnen unter anderem erzählt, dass gerade tatsächlich eine Bundestagsabgeordnete mit polnischer Abstammung von uns an dieser Grenze war, sich dort unter anderem auch auf der belarussischen Seite mit den entsprechenden Leuten unterhalten und erfahren hat,

(Zuruf: Das haben wir auch!)

dass es außer von Medico International und vielen Flüchtlingsinitiativen, die dort vor Ort tätig sind - das sind übrigens Menschen, die dort im Dorf sehr wohl für Flüchtlinge als auch unter anderem für Polizisten Nahrung zubereiten; die sind tausendmal menschlicher als die Regierungen dieser Europäischen Union -, sehr wohl Informationen über die Menschen gibt, die sich dort aufhalten.

Wir wissen, dass es vor allen Dingen Jesiden aus dem Nordirak sind, dass es Kurden sind und dass es Menschen aus Afghanistan sind. Übrigens: Als sich hier vor Kurzem alle noch dafür gefeiert haben, unter welchem möglichen Einsatz von militärischen Mitteln diese Verfolgten aus Afghanistan ausgeflogen wurden, hat man uns vorgeworfen, dass es eine Katastrophe gewesen sei, dass wir uns zu diesem Einsatz der Stimme enthalten haben. Jetzt lässt man Menschen, die man ebenfalls hätte ausfliegen müssen, dort an der Grenze im Stich und erfrieren. Was ist das für eine Argumentation? Das frage ich Sie mal, Herr Gürth, an der Stelle. - Danke.

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Erben, Sie wollten eine Zwischenintervention machen.


Rüdiger Erben (SPD):

Ja. Danke, Frau Präsidentin. - Lieber Kollege Gallert, zunächst bitte ich Sie, meine Rede noch einmal zu lesen, wenn sie nachher protokolliert vorliegt. Dann werden Sie nämlich feststellen, dass ich der polnischen Regierung mitnichten für irgendetwas gedankt habe, sondern dass ich darauf hingewiesen habe, dass die Polen in diesem Fall die Angegriffenen sind und deswegen die Solidarität der Europäischen Union verdient haben. Das, was Lukaschenko dort macht, ist nämlich ein Angriff an die Souveränität von Polen oder auch von Litauen. Das ist doch überhaupt keine Frage. Das wird man wohl noch feststellen dürfen, ohne dass man deswegen der PiS-Partei für irgendetwas danken würde. Das habe ich ausdrücklich nicht getan.

Zweitens. Wenn Sie nachher das Protokoll lesen, dann sollten Sie auch meine Schlusspassage zur Frage nach einem europäischen Asylrechtssystem lesen.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Herr Erben, ich habe allen Teilen Ihre Rede zugehört. Und ich sage noch mal, allein schon die Begrifflichkeit ist falsch: Polen wird angegriffen, also Polen wird durch Flüchtlinge angegriffen.

(Zuruf: Nein, durch Lukaschenko! - Weitere Zurufe)

- Nein, durch Flüchtlinge.

(Zuruf: Er hat sogar mit der Atommacht Russland gedroht!)

- Ja, also jetzt noch mal.

(Zuruf: Damit hat man gedroht!)

Wir reden hier über die Situation von Flüchtlingen an der polnisch-belarussischen Grenze.

(Zuruf: Da hängt doch das eine mit dem anderen zusammen!)

So. Und da sage ich noch mal ganz deutlich:

(Zurufe)

Ich habe hier vorhin etwas gesagt über solche Begriffe wie „werden als Munition eingesetzt“, „werden in einer hybriden Kriegsführung als Waffe eingesetzt“.

(Zuruf: Das ist aber so!)

Ich halte die Reduktion von Menschen auf solche Begrifflichkeiten für kreuzgefährlich, für den Beginn einer Entmenschlichung in dem Kontext.

(Zustimmung)

Und deswegen sage ich noch mal ganz klar: Ich danke der polnischen Regierung hier für gar nichts. Ich danke Ihnen nicht dafür, dass sie 15 000 Soldaten

(Zurufe von Sebastian Striegel, GRÜNE)

für Pushbacks einsetzt. - Ich beantworte die Frage von Herrn Erben, Herr Striegel. Sie können gern eine stellen, wenn Sie zugelassen werden. Das ist das, worauf ich mich beziehe.

Und ich weiß übrigens, dass Herr Seehofer sich ausdrücklich für diese Handhabung des Problems an der polnischen Grenze bei der PiS-Regierung bedankt, die übrigens versucht, ihre sinkenden innerstaatlichen Popularitätswerte durch die Simulation eines Krieges aufzufrischen. Ich glaube schon, dass man da klar und deutlich widersprechen muss, zumindest nicht in der missverständlichen Art und Weise, Herr Erben, wie Sie es hier getan haben. - Danke.

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Das Wort hat Herr Scharfenort.

(Unruhe)


Jan Scharfenort (AfD):

Ich denke, ich kann im Namen der AfD-Fraktion sprechen, wenn ich sage, dass wir den Polen ausdrücklich dafür danken, dass sie die Grenzen und damit auch uns schützen.

(Lebhafter Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl!)

Ich möchte mal auf eines hinweisen, um mal den Unterschied deutsch zu machen und in die Debatte einzuwerfen. Da macht es sich die LINKE immer sehr einfach. Ich möchte mal den Unterschied zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik erklären.

Gesinnungsethisch kann man sich immer einen schlanken Fuß machen und sagen, alle Menschen sind gut, alle können hierherkommen. Herr Kirchner ist mit einer Ausländerin verheiratet und ich lebe mit einer farbigen Frau zusammen. Uns persönlich kann man da also nichts vorwerfen. Aber es geht hier um Verantwortungsethik.

(Zurufe: Oh! - Unruhe und Zurufe)

Das ist der Unterschied. Man muss die Frage stellen, wie viel können wir hier verkraften? Und es gibt nun mal die Pull-Faktoren. Und die sind für die Migranten in Deutschland nun einmal besonders günstig. Solange wir hier nicht umsteuern und die Anreize abschaffen, also Sachleistungen statt Geldleistungen - das ist ein Beispiel -, so lange wird das hier immer so weitergehen und andere müssen für uns, sage ich mal, den Kopf hinhalten wie die Polen.

Wie wäre es denn, wenn wir als Deutschland die Außengrenze der EU hätten? Wie würden Sie denn dann reagieren? Das frage ich Sie mal konkret. So kann man sich hier wieder schön hinstellen und gesinnungsethisch fabulieren. Aber verantwortungsethisch ist das eine ganz andere Nummer. Insoweit versagen wir mal wieder vollständig.

(Zustimmung bei der AfD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Gallert.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Das war ja offensichtlich keine Frage, sondern eine Zwischenintervention, wenn ich das jetzt richtig mitbekommen habe.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Es war auch als Zwischenintervention angekündigt worden.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Okay, alles klar.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Sie können reagieren, wenn Sie wollen.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Ja. Also, wie gesagt, ich glaube nicht, dass es viel Sinn macht, mit Vertretern der AfD an der Stelle zu diskutieren. Aber ich will die Debatte zumindest insofern einmal aufgreifen, als sie ja auch von anderen geführt wird.

Glauben Sie denn ehrlich, dass Kurden aus dem nördlichen Syrien, die dort vor Assad fliehen, vor Erdogan fliehen und unter Umständen auch vor russischen Truppen fliehen, sich davon abhalten lassen, weil man in Deutschland statt finanzieller Leistungen Sachleistungen ausgibt?

(Zuruf: Doch! - Weitere Zurufe)

- Nein, das machen die natürlich nicht.

(Zurufe)

Diejenigen, die sich dort auf den Weg gemacht haben, machen sich vor allen Dingen deswegen nach Deutschland, nach Frankreich und in die Benelux-Länder auf, weil es dort bereits eine entsprechende Community gibt. Bei den Jesiden aus dem Nordirak ist es inzwischen eine ganz auffällige Geschichte. Das sind übrigens die Leute - das will ich noch einmal sagen  , die in der Auseinandersetzung mit dem IS dafür gesorgt haben, dass das Kalifat dort zerschlagen worden ist. Es sind Leute, die also durchaus sehr viel dafür geleistet haben, dass wir hier inzwischen in größerer Sicherheit leben.

Diese Jesiden - davon gibt es im Nordirak noch etwa eine halbe Million - haben inzwischen die größte Community außerhalb des Nordirak mit 200 000 Mitgliedern in Deutschland. Sie kommen hierher, weil es familiäre Beziehungen und weil es ein Beziehungsgeflecht gibt, das sie auffangen kann. Deswegen ist Deutschland besonders interessant für sie. Wenn Sie jetzt finanzielle Leistungen durch Sachleistungen ersetzen würden, hätte das auf diese Geschichte keinen Effekt.

Ich möchte zumindest noch eines sagen   es war ja eine Intervention vonseiten der AfD  : Herr Kirchner hat ja sehr deutlich formuliert, was er will.

(Zuruf)

Er möchte allen Migranten, die es hier gibt, das Leben so unbequem und unangenehm wie möglich zu machen.

(Zurufe)

Dazu sage ich: Das kann man so oder so verstehen. Wir wissen inzwischen, dass genau solche Ansinnen von genug Menschen in der Bundesrepublik Deutschland als Legitimation von und als Aufforderung zu Gewalt verstanden werden.

(Zustimmung - Zurufe)

Dafür, Herr Kirchner, tragen dann auch Sie mit solchen Sätzen die Verantwortung.

(Zuruf: So ein Hetzer! - Weitere Zurufe)