Tobias Krull (CDU):

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! In den vergangenen Tagen konnten wir erleben, welche Dynamik die Coronapandemie aktuell hat. Jeden Tag erreichten uns neue Höchststände, was die Anzahl der Neuinfektionen oder der Inzidenzwerte angeht.

Gleichzeitig wurde deutlich, dass die politischen Verantwortungsträger, also auch wir als Landtagsabgeordnete mit unseren Entscheidungen und Überlegungen, erheblich gefordert sind, und zwar nicht nur in der Bekämpfung der Pandemie und deren Auswirkungen, sondern auch, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt angeht.

Ich möchte ausdrücklich voranstellen, dass wir als CDU-Landtagsfraktion weiterhin die Nutzung der Impfangebote nicht nur nachdrücklich befürworten, sondern sie auch als die nachhaltigste Methode zur Bekämpfung der Pandemie sehen.

Gleichzeitig möchte ich meine bereits mehrfach vorgetragene Bitte wiederholen, zu akzeptieren, dass eine vollständige Impfung keine Art von Freibrief darstellt. Es ist einfach eine medizinische Tatsache, dass Impfungen keinen 100-prozentigen Schutz vor einer Infektion bieten und im Falle einer solchen nicht die Weitergabe von Krankheitserregern verhindern.

Es bleibt ein Fakt, dass eine Impfung die Krankheit grundsätzlich milder verlaufen lässt, als es ohne sie der Fall wäre. Leider gibt es auch hier Ausnahmen, aber das ist nicht der Regelfall. Schauen wir uns einmal die Zahlen an. Betrachten wir die Sieben-Tage-Inzidenz in Sachsen-Anhalt. Sie lag am 15. September 2021 bei den Geimpften bei 81 und bei den

(Zuruf: Oh!)

Ungeimpften bei 792.

(Zuruf. Wer lässt sich denn hier testen?)

Ebenfalls ist die Ansteckungsgefahr deutlich geringer. Ein infizierter Ungeimpfter steckt im Durschnitt sechs bis sieben weitere Personen an. Bei einem Geimpften sind es ein bis zwei Personen, also rund 65 %.

(Zuruf: Das wissen Sie doch gar nicht! - Das ist doch totaler Blödsinn!)

Dazu gibt es entsprechende Studien. Ich würde Ihnen einmal empfehlen, z. B. die Wissenschaftssendung Quarks zu schauen, die sicherlich auch für Ihr Niveau allgemein verständlich sein dürfte. Da können Sie die Grafiken alle ganz einfach aufbereitet wiederfinden.

(Unruhe - Zustimmung)

Wenn Sie jetzt noch die AHALA-Regeln, also Abstand, Hygiene, Alltagsmaske, Lüften und Warn-App, nutzen und beachten, können wir sicherlich noch bessere Werte erzielen.

Wir sind darauf angewiesen, dass die Impfquote gesteigert wird. Ich kann mich noch gut an die Diskussion hier erinnern, ob eine kostenlose Bratwurst oder die Verteilung von Kondomen Impfanreize bieten würden. Aus den Reihen der LINKEN hört man jetzt Forderungen, gleich eine Impfprämie von 500 € auszukehren.

(Unruhe)

Ich persönlich sehe solche Geldprämien sehr kritisch. Was aber die meisten von uns, bis auf eine Fraktion, verbinden wird, ist die Auffassung, dass wir alle Möglichkeiten nutzen müssen, um attraktive Impfangebote zu unterbreiten.

(Zuruf)

Der viertletzte Platz bei den Impfquoten im Bundesvergleich ist kein Ruhmesblatt für unser Land, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zustimmung)

Bereits jetzt sind die Haus-, Fach- und Betriebsärztinnen und -ärzte an ihrer Belastungsgrenze. Sie führen nicht nur Impfungen durch, sondern sie sind mit dem normalen Praxisalltag mehr als gut beschäftigt. Wer sich die Schlangen vor den Impfpunkten, z. B. in einem innerstädtischen Einkaufszentrum in Magdeburg oder an den Stationen der mobilen Impfteams, anschaut, der weiß, dass wir noch einen entsprechenden Bedarf haben.

(Zuruf: Ja!)

Mir ist bewusst, dass erhebliche Ressourcen für die Betreibung von zentralen und dezentralen Impfzentren aufgewendet werden müssen. Aber diese Zentren können einen wichtigen Baustein liefern, um die vorhandenen Bedarfe an Erst-, Zweit- und sogenannten Boosterimpfungen zu decken. Es bedarf aber auch anderer kreativer Ideen. So kennen wir in Magdeburg die Lange Nacht der Wissenschaft oder die Kulturnacht. Wieso nicht auch einmal eine Impfnacht in den Kommunen durchführen?

(Zustimmung - Zurufe - Lachen)

Es war im Übrigen richtig, die kostenlosen Bürgertests wieder einzuführen. Ich appelliere ausdrücklich daran, dass sich auch die Geimpften regelmäßig testen lassen, so wie ich es heute und auch gestern im Landtag getan habe.

Wir müssen auch darauf achten, dass diese Testungen so durchgeführt werden, dass diejenigen, die sich am Vormittag testen lassen, auch die Möglichkeit haben, mit dem Testergebnis 24 Stunden lang z. B. den ÖPNV zu nutzen, z. B. zum Sport zu gehen und Ähnliches.

(Zustimmung)

Auch in unseren Reihen gibt es die Diskussion zum Thema Impfpflicht, die mit viel Engagement geführt wird. Persönlich kann ich dem Vorschlag des Deutschen Städtetages viel abgewinnen, dass die Beschäftigten in Schulen und Kitas sowie im Gesundheits- und Pflegebereich dieser unterliegen sollen. Natürlich kenne ich die Bedenken, dass in diesem Fall die Anzahl der so dringend benötigten Beschäftigten in diesem Bereich abnehmen würde, weil viele Beschäftigte Angst haben, sich impfen zu lassen.

Ähnliche Befürchtungen gab es in anderen europäischen Ländern; diese haben sich dort ausdrücklich nicht bestätigt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich verweise an dieser Stelle auch auf den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz. Eine generelle Impfpflicht, wie sie jetzt in Österreich eingeführt wird, sieht meine Fraktion weiterhin kritisch.

Ich hoffe, wir werden eine Diskussion darüber, ob wir eine solche Pflicht brauchen, nicht führen müssen, wenn es uns durch andere Maßnahmen gelingt, die Welle zu brechen.

Bezüglich der Regelungen zu Zugangsvoraussetzungen unter 2 G, 2 G plus oder 3 G kennen wir den Beschluss des Deutschen Bundestages und die Beratungsergebnisse der gestrigen Ministerpräsidentenkonferenz. Die Verkehrsunternehmen haben schon deutlich gemacht, dass die Einhaltung der 3-G-Regel nur äußerst schwierig zu kontrollieren sein wird. Bezüglich des Zugangs zum Handel spreche ich mich ausdrücklich gegen eine generelle 2-G-Regel aus.

Bezüglich der 3-G-Regelung am Arbeitsplatz muss den Arbeitgebern die Möglichkeit gegeben werden, die Beschäftigten rechtskonform nach dem Status zu befragen, um die notwendigen Maßnahmen einleiten zu können. Entsprechende Schritte wurden unternommen. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich dafür werben, dass auch die Möglichkeit besteht, diese Tests zu Hause durchzuführen. Denn ich glaube, auch die besten Testzentren wären überfordert, wenn jeder Arbeitnehmer jeden Tag dort hingehen würde, um sich testen zu lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie die Situation in den Krankenhäusern aussieht, haben wir alle den Medien entnommen und kennen sie vielleicht auch aus persönlicher Sicht. Es ist richtig, dass die Anzahl der Intensivbetten deutlich gesunken ist. Diese sind aber nicht verschwunden, sondern es gibt einfach nicht genügend Fachkräfte, damit diese auch qualifiziert betrieben werden können. Die Kliniken dürfen nicht auf den Kosten sitzen bleiben, die ihnen durch die Freihaltung der Betten und die Verschiebung geplanter Operation entstehen. In diesem Punkt ist eindeutig der Bund gefordert. Es ist richtig, dass die Hospitalisierungsquote bei den künftigen Festlegungen eines der entscheidenden Kriterien ist.

Das von den Partnern einer vermutlichen Ampelkoalition gewollte Auslaufen der epidemischen Lage nationaler Tragweite ist aus meiner Sicht eine reine politische Nebelkerze. Die Situation hat sich nicht verändert; man versucht, der Öffentlichkeit so etwas vorzugaukeln.

Ich bin sehr froh, dass es der Ministerpräsidentenkonferenz gelungen ist, an dieser Stelle Schlimmeres zu verhindern und noch einmal deutlich zu machen, welche Maßnahmen wir brauchen.

Mein Dank gilt allen Menschen, die mit der Pandemiebekämpfung beschäftigt sind. Dies möchte ich verbinden mit einem großen Appell. Wir dürfen nicht diejenigen vergessen, die unter dieser Situation am meisten zu leiden haben. Das sind die Seniorinnen und Senioren, die an Vereinsamung leiden. Das sind die Kinder und Jugendlichen, die normalen Aktivitäten nicht nachgehen können.

(Zuruf: Weil wir sie einsperren!)

- Wir sperren sie nicht ein.

(Zurufe: Doch! Klar!)

Wir wollen sie schützen.

(Lachen - Zurufe - Zuruf: Schutzhaft!)

Es ist ein großer Unterschied, ob man jemanden schützen will oder jemanden einsperrt.

Die Lage ist ernst; handeln wir auch so. Wenn wir gemeinsam das, was unterschiedliche Redner vorgestellt haben, durchsetzen und die Bevölkerung mitzieht, kann es gelingen, die vierte Welle zu brechen und Lockdowns und Ähnliches zu verhindern.

(Zurufe)

Wir als Koalitionsfraktionen plädieren aufgrund der Dynamik der Lage und weil die Beschlüsse, die wir heute fassen würden, wahrscheinlich schon morgen überholt sein werden, für eine weitere Beratung in dem zuständigen Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. Ich kann an der Stelle auch sagen, dass wir uns in der Sondersitzung des Sozialausschusses vor wenigen Minuten darauf verständigt haben, dass wir das Thema in der nächsten Sitzung automatisch aufrufen, um es zu behandeln. Denn wir müssen die parlamentarische Beteiligung an dieser Stelle sicherstellen. - Vielen Dank.

(Zustimmung)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Es gibt eine Frage von Frau Dr. Pähle. Wollen Sie diese beantworten oder nicht? Ich kommentiere keinen Gesichtsausdruck, aber ich habe ein Ja vernommen.


Tobias Krull (CDU):

Ja.

Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Dr. Pähle, dann können Sie Ihre Frage stellen.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank, Herr Krull. Sie haben auf die Entscheidung des Bundestages, die pandemische Lage auslaufen zu lassen, hingewiesen. Sie haben das - so habe ich es verstanden - auch kritisiert. Wissen Sie, wer als Erstes diesen Akzent, die pandemische Lage auslaufen zu lassen, gesetzt hat?


Tobias Krull (CDU):

Wenn Sie damit den Wortbeitrag des amtierenden Gesundheitsministers Herrn Spahn meinen, ja, diesen kenne ich. Aber Herr Spahn hat vor wenigen Tagen mehrfach ausdrücklich erklärt, dass er seine damalige Aussage so nicht mehr tätigen würde, und wäre er an der Stelle noch in Verantwortung, hätte er nicht    

(Zurufe - Lachen)

- Das hat nichts mit Wackelkopf zu tun. Lieber Herr Siegmund, es gibt nun einmal Entwicklungen, auf die die Politik reagieren muss.

(Zurufe)

Wenn Sie glauben, dass eine einmal gebildete Meinung auf Ewigkeit Bestand hat, dann muss ich Sie leider enttäuschen. Man muss auch als Politiker eine gewisse Flexibilität haben und sich der Lage anpassen können.

(Zurufe)

Auch das macht Politik aus. Es geht darum, nicht nur auf seinen Werten zu beharren, sondern auch auf sich ergebende Probleme zu reagieren.

(Zustimmung)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Pähle hat noch eine Nachfrage. Wollen Sie diese auch beantworten, Herr Krull?


Tobias Krull (CDU):

Ja.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Ja. Dann bitte.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen und möchte das, wenn ich darf, noch einmal zeitlich einordnen. Am 26. Oktober war Herr Spahn übrigens immer noch der Meinung, dass, weil es der Zustand nicht mehr rechtfertigte, die pandemische Lage auslaufen kann. Das war der Zeitpunkt, zu dem andere Menschen, die sich mit den Infektionszahlen beschäftigt haben, davor gewarnt haben

(Zurufe)

und die ersten Forderungen nach 2-G-Regelungen laut wurden, die auch möglich gewesen wären und die Herr Spahn immer noch hätte realisieren können. Insofern danke ich Ihnen aber für Ihre Ehrlichkeit. - Vielen Dank.


Tobias Krull (CDU):

Ich darf an dieser Stelle kurz ergänzen, dass ich bereits in einer Pressemitteilung geäußert habe, wie kritisch ich schon damals seine Aussage gesehen habe.