Olaf Meister (GRÜNE):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf eines zweiten Nachtragshaushaltes ist ein ungewöhnliches Element in der Finanzgeschichte unseres Landes, vor allem wegen der beabsichtigten Errichtung eines schuldenfinanzierten Sondervermögens. Es ist immerhin die größte Schuldenaufnahme in der Geschichte des Landes und sie umfasst mehr als alle Schuldenaufnahmen seit dem Jahr 2005 kumuliert. Ich sage das, weil das in der Rede von Herrn Bernstein eben fast niedlich klang.

Wir hatten bereits in der letzten Legislaturperiode die Gelegenheit, das Für und Wider anzudiskutieren. Einige der Bedenken und kritischen Anmerkungen erweisen sich als berechtigt. Zunächst einmal sollten wir es offen bewerten. In erheblichen Teilen ist das Sondervermögen das schlichte Nachholen von Dingen, die in der Vergangenheit versäumt wurden.

Augenfällig ist das bei den erheblichen Summen im Klinikbereich. Wir rücken da jetzt aus, um die Folgen des harten Sparkurses unter dem SPD-Finanzminister Bullerjahn zu beseitigen bzw. abzumildern. Wenn man sich die Geschichte mal anguckt, dann stellt man das fest. Ich nehme die Uni-Kliniken als Beispiel. Als die Kenia-Koalition einstieg, betrug die Höhe der Instandhaltungsmittel für die Uni-Klinik 600 000 €. Damit kann eine Uni-Klinik nicht instandgehalten werden.

Dann hat die Kenia-Koalition mit sich gerungen. Wir sind jetzt zweistellig gewesen, also bei über 10 Millionen €, wissend, dass das nicht reicht. Es reicht weder, um die aktuellen Sachen zu machen noch rückwirkend die Dinge, die es nicht gegeben hat, auszugleichen. Kritik kam außerparlamentarisch von der FDP. Es hieß, wir würden Verschwendung betreiben.

Ursächlich hat das eigentlich wenig mit der Pandemie zu tun. Aber wir müssen es im Interesse der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung jetzt kurzfristig lösen. Der jetzt begangene Weg ist finanzpolitisch nicht schön. Er muss aber mangels anderer sinnvoller Alternativen tatsächlich beschritten werden.

Eine dauerhafte Lösung ist er aber nicht, wenn nach dem Auslaufen des Sondervermögens die Gefahr der Fortsetzung der Unterfinanzierung besteht. Da könnte ich jetzt auf die Details eingehen. Das lasse ich aber aufgrund der kurzen Redezeit sein. Dieses Problem, dass wir jetzt etwas finanzieren, bei dem völlig unklar ist, was eigentlich nach dem Auslaufen des Sondervermögens passiert, haben wir in vielen anderen Bereichen auch.

Bei anderen Punkten des Sondervermögens entsteht der Eindruck, die Ressorts drängen mit Projekten, die anstanden, nun an die geöffnete Süßigkeitenkiste. Das ist eine der Befürchtungen, die wir in der Vergangenheit durchaus hatten. Der Laserschießstand ist erwähnt worden, auch digitale Ortschroniken und Handys für die Polizei. Das sind alles Maßnahmen, die okay sind, die kann man machen. Einen Coronabezug habe ich nicht verstanden.

(Zustimmung)

Den werdet Ihr in den Ausschüssen vielleicht noch erläutern.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass ohne Corona eine Digitalisierung in Sachsen-Anhalt gar nicht vorgesehen war. Die Coronabezüge sind dort sehr bemüht.

(Zustimmung)

Wenn ich allein die Ertüchtigung der Bestandsgebäude von ITN-XT sehe, dann stelle ich fest, dass jetzt 30 % der Kosten coronabedingt sind. Das hätten wir auch bisher im Gebäude untergebracht. Ein Coronabezug ist also nicht zu sehen. Wenn man sich also die Pandemie wegdenkt - das ist ja die Idee  , dann müsste diese Ausgabe wegfallen. Wenn ich diese harten Kriterien anlege, wird das ein sehr übersichtliches Sondervermögen.

(Unruhe)

Was Sie da bei diversen Projekten machen - da spreche ich vor allem die FDP an, die in der Vergangenheit sehr laut gegenteilig unterwegs war  , das ist die ganz klassische Verschuldungsfalle. Es gibt einen großen Ausgabewunsch und auch eine Ausgabenotwendigkeit und keinen Mut, die nötigen Mittel einzunehmen oder einzusparen. Stattdessen kommt es zur Belastung der nächsten Generation, die sich nicht wehrt, weil im Kindergarten eben nicht so sehr über Finanzpolitik diskutiert wird. Es kommt zur Einschränkung der zukünftigen Handlungsfähigkeit. Wir hatten Haushalte, da hatten wir eine Nichttilgung und eine Zinslast von 10 %, die wir erbringen mussten. Das ist eine Gefahr.

(Zuruf)

Ich rede hier natürlich nicht über das Ziel einer schwarzen Null. Die ist nicht nur unrealistisch, sondern die Aufgaben der Zeit erfordern derzeit etwas anderes. Dass aber dieses Schwelgen in zum Teil nur kursorisch angegebenen Ausgabewünschen noch einer zukunftsverantwortlichen Haushaltspolitik entspricht, darf man an diversen Punkt bezweifeln.

(Zustimmung)

Letzter Punkt: Wirtschaftsförderung. Gezielte Hilfen zur Überwindung von Coronafolgen sind wichtig. Da gibt es auch so eine 30-%-Pauschale. Ob die sinnvoll ist, kann man hinterfragen. Wir sind aber mitten in umwälzenden Änderungen, die uns länger beschäftigen werden als die finanziellen Coronafolgen. Gemeint sind Klimafolgen, Energiewende, Verkehrswende und Agrarwende. Allein für den Waldumbau werden erhebliche Mittel investiert werden müssen.

Insofern sollten alle Fördermittel, gerade auch die aus dem Sondervermögen, auch an diesen Zielen ausgerichtet sein. Wir müssen, wenn wir das Geld ausgeben, auch da eine Lösung bringen. Wir werden die Haushaltsberatungen in den Ausschüssen sachlich und konstruktiv begleiten. Der Überweisung werden wir zustimmen.

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Meister, vielen Dank. - Herr Kosmehl, der schon am Mikrofon steht, möchte eine Zwischenbemerkung machen.


Guido Kosmehl (FDP):

Ja, es ist eine Zwischenbemerkung mit einer kleinen Frage, Frau Präsidentin, wenn Sie mir das erlauben? Allerdings, Herr Meister    


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Halt! Sie sagen: mit einer kleinen Frage. Herr Meister müsste dann die Bereitschaft erklären, diese Frage auch beantworten zu wollen. Sonst geht das nicht.


Olaf Meister (GRÜNE):

Herr Kosmehl, stellen Sie die Frage.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Das macht Herr Meister. - Gut, Herr Kosmehl.


Guido Kosmehl (FDP):

Ich habe die Frage, ob Sie mir erklären können, wo Sie einen engen Coronabezug sehen, wenn die energetische Sanierung von Forsthäusern, wie es von den GRÜNEN in Hessen praktiziert wird, mit Mitteln aus diesem Sondervermögen finanziert wird.


Olaf Meister (GRÜNE):

Nein, da würde ich keinen engen Coronabezug sehen. Nötig wird es trotzdem sein. Da haben Sie völlig recht. Aber nur, weil ein anderer Grüner möglicherweise in einem anderen Landtag Dinge sagt, muss ich mir das nicht zu eigen machen. Ich vertrete hier unsere Position und die haben Sie gehört.

(Zustimmung)