Tagesordnungspunkt 21
Beratung
Auswirkungen der 9. und 15. Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse - Außer Spesen nichts gewesen?
Antrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/3994
Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/4077
Für die Fraktion Die Linke steht die Einbringerin bereits am Rednerpult. - Frau Heiß, Sie haben das Wort. Bitte sehr.
Kristin Heiß (Die Linke):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können hier heute ein kleines Jubiläum feiern. Denn fast auf den Monat genau vor 20 Jahren, nämlich im Mai 2004, wurde das erste Mal ein Untersuchungsausschuss zu Beraterverträgen in diesem Landtag eingerichtet. 20 Jahre sind eine lange Zeit. Schauen wir also, was sich seit damals getan hat.
Der damalige PUA beschäftigte sich mit der Gründung des Landesbetriebs LIMSA, mit einem Vertrag des Kultusministeriums und einer Hochschule sowie der Beschaffung und Einführung des Systems HAMISSA. Besonders problematisch war damals, dass Aufträge an den Hausleitungen vorbei vergeben wurden.
Der PUA sprach nach seiner Untersuchung diverse Empfehlungen an die Landesregierung aus, darunter z. B. die Einführung einer zentralen Vergabestelle, eines Rotationsprinzips für besonders korruptionsgefährdete Dienstposten, einer internen Revision sowie eines internen Entscheidungs- und Kontrollsystems. Die Landesregierung meinte damals: zentrale Vergabestelle geht nicht, Rotationsprinzip ist total aufwendig, eine interne Revision haben nur zwei Häuser. - Toll.
Spannend wurde es dann bei anderen Punkten. Die Regierung wollte eine Beraterdatenbank in der Staatskanzlei einrichten und die Staatssekretärskonferenz sollte sich mit Beraterverträgen ab einem Auftragswert von 5 000 € beschäftigen. Außerdem hat der Landtag als Ergebnis des PUA in der vierten Wahlperiode erstmalig einen sogenannten Transparenzbeschluss gefasst, laut dem Beraterverträge dem Landtag vor dem Abschluss vorgelegt werden sollen. - So weit, so gut.
Die darauffolgenden Wahlperioden liefen relativ ruhig; vorerst. Die Landesregierung gab weiter Geld für externe Berater aus und der Landtag schärfte die Transparenzbeschlüsse mit jeder Wahlperiode nach, das heißt, sie wurden immer enger gefasst. Das lief so bis zur Prüfung des Landesrechnungshofes im Jahr 2016.
Der Bericht des Rechnungshofes deckte auf, dass die Regierungen von 2006 bis 2016 die Empfehlungen des Parlaments mitnichten umgesetzt hatten. Etwa 70 % der Berater- und Gutachterleistungen wurden freihändig und meist ohne Beteiligung des Parlamentes vergeben. Statt nach dem 9. PUA transparenter zu agieren, wurden von der Regierung sogar neue Umgehungstatbestände, wie die Unterbeauftragung Dritter über die Investitionsbank, gefunden.
Also wurde noch im Jahr 2016 ein weiterer Untersuchungsausschuss eingesetzt, der 15. PUA. Ergebnis dieses PUA war der Rücktritt eines Ministers, die Insolvenz eines Beratungsunternehmens in Sachsen-Anhalt und eine Änderung der Landeshaushaltsordnung. Die Änderung der LHO war notwendig, um der Diskontinuität zu entgehen und nicht in jeder Wahlperiode einen neuen Beschluss fassen zu müssen. Außerdem sollte endlich eine rechtlich verbindliche Regelung für den Umgang mit Beraterverträgen geschaffen werden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich war wirklich positiv überrascht, dass der Impuls für diese Gesetzesänderung damals von der Koalition, genauer von der CDU, kam. Das ist in der Geschichte der Untersuchungsausschüsse in Sachsen-Anhalt mehr als ungewöhnlich.
(Guido Kosmehl, FDP: Der 9. war auch ein Mehrheitsausschuss!)
- Ja, ja, aber doch nicht die Gesetzesänderung, Herr Kosmehl.
Was Sie vorschlugen, war eine gute Idee. Daher haben wir damals Ihrer Gesetzesänderung auch zugestimmt. Ich habe tatsächlich geglaubt, dass nach den etlichen Jahren und den massiven Problemen mit Beraterverträgen nun endlich der Knoten geplatzt ist und wir einen guten Weg im Umgang gefunden haben. Also haben wir in dieser, der achten Wahlperiode, drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes einmal nachgefragt, wie es denn eigentlich aussieht.
Es wurde also gefragt, ob der Beschluss denn noch gilt, dass sich die Staatssekretärskonferenz mit Beraterverträgen beschäftigt. Die Antwort der Landesregierung war - ich zitiere : Dieser Beschluss gilt nicht mehr. - Das kam unerwartet. Sie, verehrte Landesregierung, haben also eine Regelung, die Sie sich schon 2004 gegeben haben, zum Anfang dieser Wahlperiode einfach einmal gekippt, weil wir jetzt den § 34a LHO haben, der fast inhaltsgleich zu den Transparenzbeschlüssen ist?
Um die Antwort der Landesregierung zu bewerten, muss man verstehen, warum die Staatssekretärskonferenz als Kontrollgremium damals überhaupt eingerichtet wurde. Herr Robra hat dazu im 15. PUA ausführlich berichtet.
Erstens. Zumindest die Staatssekretäre sollten wissen, welche Beraterleistungen in ihren Häusern vorhanden sind. Das war bis 2004 nämlich nicht der Fall, wie der 9. PUA herausfand.
Zweitens. Die Staatssekretärskonferenz sollte eine kleine interne Hürde sein und eine Art internes Kontrollgremium.
Drittens. Das Wirtschaftsministerium mit seinen Vergabeexperten hatte wohl hin und wieder Hinweise gegeben, wo bei den Ausschreibungen noch Nachholbedarf sei.
So, verehrte Landesregierung: Was davon hat sich denn in dieser Wahlperiode geändert? Alle drei Gründe sind doch nach wie vor aktuell und nachvollziehbar. Warum also befassen sich die Staatssekretäre nicht mehr mit den Beraterverträgen?
In einer anderen Kleinen Anfrage wurde gefragt, wann denn eigentlich diese Beraterdatenbank eingerichtet wurde. Die Antwort der Landesregierung war: Alle bisher geltenden regierungsinternen Regelungen sind mit dem § 34a LHO obsolet. Die Datenbank wurde zwar zwischenzeitlich eingerichtet, wird nun aber nicht fortgeführt. - Verehrte Landesregierung, „wann“ ist ein Fragewort; es fragt nach der Zeit. Was hätte also eine Antwort sein können? - Ein Jahr, ein Datum, ein Zeitraum.
Der Antwort konnte ich aber entnehmen, dass die Beraterdatenbank offenbar nicht weitergeführt wird. Wie macht die Verwaltung das also aktuell eigentlich ohne Datenbank? - Ich kann es Ihnen sagen. Jetzt werden in jedem Ministerium wieder Excel-Tabellen geführt und ans MF geschickt. Also sind wir wieder auf einem Stand der 90er-Jahre. Sachsen-Anhalt: „Wir stehen früher auf“ und „modern denken“. - Es ist nicht zu fassen.
(Beifall bei der Linken - Olaf Meister, GRÜNE, lacht)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich fallen die beiden Punkte in den Bereich der Exekutive. Das heißt, die Regierung kann selbst entscheiden, wie sie mit Beraterverträgen umgeht. Natürlich kann die Staatssekretärskonferenz selbst entscheiden, mit welchen Themen sie sich beschäftigt. Die Landesregierung sollte trotzdem darauf achten, dass ihr Handeln auch Auswirkungen auf uns als Parlament hat.
Welche Effekte hat nun also der Wegfall der Befassung der Staatssekretärskonferenz auf uns als Landtag? Wenn ein Ministerium mit einem Beratervertrag in die Staatssekretärskonferenz gehen wollte, musste ein einheitliches Formblatt ausgefüllt werden. Passierte die geplante Beraterleistung die Staatssekretärskonferenz, wurde dieses Formblatt an den Finanzausschuss weitergegeben. Für uns war das einheitlich und vergleichbar. Nun fällt die Staatssekretärskonferenz als Kontrollgremium aber weg. Damit muss nichts mehr einheitlich und standardisiert eingereicht werden.
Das führt nun dazu, dass sich jedes Ministerium seine eigene Vorlage malt. Ein Haus macht eine schöne Tabelle. Ein Haus nimmt die Vorlage der letzten Wahlperiode und ein weiteres Haus schreibt uns eine schöne Geschichte, vergisst aber ganz die Kosten mit aufzuschreiben. Jeder macht, was er will. Das ist ein unglaublich unstrukturiertes Verfahren. Das ist ein deutlicher Rückschritt im Vergleich zur letzten Wahlperiode.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition! Sind Sie entsprechend Ihres Änderungsantrags tatsächlich der Meinung, dass die Beraterdatenbank zu bürokratisch ist? Glauben Sie, dass der Rückschritt zu Excel tatsächlich eine Entbürokratisierung ist? - Es ist doch so: Den Kollegen in der Verwaltung fehlt die Datenbank. Dort konnten sie sehen, was die anderen Häuser gemacht haben, ob jemand schon einen ähnlichen Auftrag vergeben hat und ob man darauf aufbauen kann, um Geld zu sparen.
Man musste die Beraterverträge nur einmal eingeben und hatte sie für alle sichtbar. Und man konnte super suchen. Man konnte einen Suchbegriff eingegeben und hatte, zack, die Antwort. Jetzt müssen die Häuser aus all ihren Dienststellen Excel-Tabellen einsammeln, die mitunter qualitativ sehr unterschiedlich sind, fügen diese in eine große Tabelle ein und schicken die ans MF. Das MF wiederum macht daraus eine große Tabelle und schickt sie uns. Was für ein irrer Aufwand und keiner weiß mehr, was der andere macht. Das ist mega bürokratisch.
(Zustimmung bei der Linken und von Olaf Meister, GRÜNE)
Mit der Datenbank gab es genau einen Schritt: einmal eingetragen, für alle nutzbar, fertig.
Ich fasse zusammen. Die Empfehlungen des 9. PUA wurden zum Großteil nicht umgesetzt und die Sachen, die umgesetzt wurden, sind wieder zurückgenommen worden.
(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja!)
Da kann man sich schon fragen, was die beiden PUA eigentlich gebracht haben. Ich will noch einmal darauf hinweisen. In diesen PUA haben wir Jahre verbracht. Der 9. PUA tagte knapp zwei Jahre und der 15. PUA mehr als vier. Das kostet Zeit, Kraft und natürlich Geld, und zwar Steuergeld, das wir gut hätten sparen können, wenn die Regierung einfach einmal ihren Job machen würde. Ja, darum geht es. Es geht darum, wie mit Steuergeldern umgegangen wird und wie wir als gewählte Volksvertreter und Haushaltsgesetzgeber überhaupt mitbestimmen können.
Daher stehen unsere Vorschläge im Antrag. Kehren Sie zurück zu einem geordneten Verfahren. Führen Sie die Beraterdatenbank fort oder finden Sie ein anderes bürokratiearmes Verfahren. Die Staatssekretärskonferenz als Kontrollgremium fanden wir sinnvoll und das hatte sogar positive Effekte für uns als Landtag.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es liegt in unserer Hand. Wir sind das Parlament. Wir machen die Regeln. Es wird Zeit, dass Sie sich dessen wieder bewusst werden. - Vielen Dank.