Konstantin Pott (FDP):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sind von hoher Bedeutung für jeden einzelnen Menschen. Es sind genau diese Werte, die in der häufig sehr emotional geführten Debatte über das emotionale Thema der Schwangerschaftsabbrüche die Debatte charakterisieren sollten. Die Realität sieht aber meistens anders aus. Noch immer werden Frauen, welche einen Schwangerschaftsabbruch durchführen, häufig stigmatisiert und wird das Thema als Ganzes tabuisiert. Das sollte nicht der Fall sein. Ich würde mir daher wünschen, dass die Debatte insgesamt auf sachlicher Ebene geführt und wenig emotionalisiert wird.
Wir Freien Demokraten bekennen uns zu den Werten, die ich eben ganz klar genannt habe. Vor allem die Selbstbestimmung sollte im Fokus stehen. Genau diese betrifft eben auch den eigenen Körper und Entscheidungen, die den Körper betreffen. Das gilt auch bei Schwangerschaftsabbrüchen.
Neben der Selbstbestimmung ist eine Sache von zentraler Bedeutung: Die Informationsweitergabe und das Gelangen an Informationen muss möglich sein; denn nur so können sich betroffene Frauen ausführlich informieren und aufklären und können sie selbst abwägen. Der Eingriff wird nicht, wie es manchmal in der Debatte suggeriert wird, leichtsinnig und leichtfertig durchgeführt.
(Zustimmung bei der FDP)
Im medizinischen Bereich zeigt sich bei Schwangerschaftsabbrüchen so deutlich wie kaum auf einem anderen Feld, in welchem Spannungsverhältnis dieser Eingriff steht. Die Selbstbestimmung der schwangeren Frau auf der einen Seite steht dem Schutz des ungeborenen Lebens auf der anderen Seite gegenüber. Genau dieses Spannungsverhältnis ist es, welches die Entscheidung für oder gegen einen Abbruch in höchstem Maße beeinflusst. Unabhängig von der Entscheidung sollte es nicht so sein, dass die betroffene Frau in irgendeine Richtung gedrängt, in irgendeine Ecke gestellt oder irgendwie stigmatisiert wird.
Manchmal wird so getan, als würde die Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch leichtfertig getroffen werden. So, wie ich es wahrnehme, ist es das aber nicht. Es ist ein gut überlegter Prozess, der auch in Deutschland mithilfe von spezialisierten Beratungsstellen begleitet wird. Die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen klären über Verhütung und Sexualität auf und unterstützen bei der Familienplanung. In einer Beschlussempfehlung der Koalitionsfraktionen haben wir uns in Sachsen-Anhalt auch für eine Stärkung genau dieser Beratungsstellen ausgesprochen; denn sie sind es, welche die Betroffenen generell, aber eben auch in dem Entscheidungsprozess hin zu einem möglichen Schwangerschaftsabbruch begleiten.
Die Frage, die in meinen Augen bei einer grundsätzlichen Diskussion über Schwangerschaftsabbrüche besteht und über die auch sehr kontrovers diskutiert wird, ist dann immer, ab wann es sich eigentlich um Leben handelt. Das haben wir auch schon an der einen oder anderen Stelle in der Debatte heute gemerkt. Das ist keine einfache Frage, die man in irgendeiner Art und Weise schnell beantworten kann. Selbst wissenschaftlich ist es nicht ganz einfach; die Wissenschaft kommt dabei an ihre Grenzen. Vielmehr bewegen wir uns in einer moralischen, fast schon philosophischen Debatte, die Tage füllen könnte. Hierbei ist es in meinen Augen auch immer eine Frage des eigenen Wertekompasses, der eigenen Moral und Überzeugung, zu welchem Ergebnis man kommt. Deshalb werde ich im weiteren Verlauf meiner Rede nicht auf diese Frage im Detail eingehen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen, ist, denke ich, klar geworden. Schwangerschaftsabbrüche sind nicht grundsätzlich kriminelle Handlungen und unterliegen in meinen Augen einer sehr intensiv durchdachten Entscheidung, für die es begleitende Angebote gibt, sodass schlussendlich diese Entscheidung selbstbestimmt getroffen werden kann.
Die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen ist, denke ich, insgesamt ein guter Kompromiss, auch, um betroffene Frauen zu schützen, und auch, um die Beratung und die Beratungsangebote verpflichtend zu machen. Natürlich spielt auch die Frage des moralischen Verständnisses eine zentrale Rolle und beeinflusst die individuelle Entscheidung.
Begrüßen möchte ich in dem Zusammenhang die Abschaffung des § 219a; denn dadurch ist es deutlich einfacher geworden, Informationen einzuholen und zur Verfügung zu stellen. Das gilt vor allem für die betroffenen Ärztinnen und Ärzte, die diese Abbrüche durchführen und darüber informieren wollen.
(Beifall bei der FDP)
Für die Abschaffung genau dieses Werbeverbots haben wir uns auf der Bundesebene lange Zeit eingesetzt. Dieser Schritt war überfällig. Vor der Abschaffung genau dieses § 219a war es für die behandelnden Ärzte schwierig zu informieren und aufzuklären.
Die Befürchtung, dass ein aktives Werben für diesen medizinischen Eingriff passiert, ist nicht eingetreten. Die Befürchtung war aus meiner Sicht insgesamt auch recht unbegründet; denn jeder kann sich einmal fragen, wie eine aktive Werbung für Schwangerschaftsabbrüche wirklich aussehen sollte. Ich glaube, das war eine unbegründete Befürchtung und die Abschaffung des § 219a eine richtige und längst überfällige Entscheidung.
Dass sich die Politik mit dem Thema Schwangerschaftsabbrüche auseinandersetzt, ist absolut wichtig. Es darf aber nicht sein, dass staatlich grundsätzlich geregelt wird, wie eine Frau über ihren Körper zu entscheiden hat. Insgesamt müssen wir schauen, wie ein Rahmen gefunden werden kann, in dem es möglich ist, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, aber eben auch das ungeborene Leben zu schützen.
Bevor ich zum Ende komme, möchte ich noch auf die Versorgungssituation in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche eingehen. Die Versorgungslage ist - das ist auch schon gesagt worden - in den ostdeutschen Bundesländern besser als in den westdeutschen. Der Zugang ist einfacher, sowohl zu Beratungsstellen als auch zu Praxen, welche diesen Eingriff durchführen. Ein Punkt, der hierzu konkretisiert werden sollte, ist die teils schlechte Kommunikation und Vernetzung zwischen den Konfliktberatungsstellen und den durchführenden Praxen. Dabei ist durchaus noch Luft nach oben.
Auch die Vermittlung von Aspekten in der medizinischen Facharztausbildung im Bereich Frauenheilkunde, die den Eingriff des Schwangerschaftsabbruchs betreffen, ist ein wichtiger Bestandteil, um das Verständnis für den Eingriff zu bilden und bestenfalls die Versorgung aufrechtzuerhalten.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Schwangerschaftsabbrüche sind auch weiterhin ein Thema, das individuell bewertet werden sollte. Die unterschiedlichen Meinungen und moralischen und ethischen Vorstellungen, die damit einhergehen, sind im Übrigen vollkommen in Ordnung. Trotzdem dürfen Frauen, die sich mit diesem Eingriff auseinandersetzen, nicht grundsätzlich stigmatisiert werden.
Auf das Spannungsfeld, auf dem sich dieser Eingriff befindet, bin ich ausführlich eingegangen. Es wird immer individuelle Gründe geben, weswegen sich eine schwangere Frau dafür entscheidet, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. Wichtig ist es daher, die Betroffenen durch die Beratungsstellen bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen und durch die Zeit des Eingriffs zu begleiten; denn, wie ich schon sagte, es handelt sich nicht um eine Alltagsentscheidung, die leichtfertig gefällt wird.
Genaue Regelungen für Schwangerschaftsabbrüche gehen stets mit Gewissensfragen einher, weswegen diese Debatte auch nicht nur politisch geprägt ist, sondern eben auch moralisch. Inwieweit die Politik hierin eingreifen sollte, ist immer eine schwierige Entscheidung. Die aktuellen Regelungen und den aktuellen Kompromiss halte ich dabei für vernünftig. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP)