Tagesordnungspunkt 16

Aktuelle Debatte

Ursachen und Auswirkungen der aktuellen Preisentwicklung bei Erdgas

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/247


Die Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Es wurde folgende Reihenfolge vereinbart: DIE LINKE, CDU, AfD, FDP, GRÜNE und SPD. Zunächst hat für die antragstellende Fraktion DIE LINKE die Abg. Frau Eisenreich das Wort. - Frau Eisenreich, Sie haben das Wort.


Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Wochen versetzen die Entwicklungen bei den nach oben schnellenden Gaspreisen Verbraucherinnen, Wirtschaft und Politik   naja, hier vielleicht nicht so   in Angst und Schrecken. Täglich erreichen uns neue Hiobsbotschaften. So musste die SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH bereits vor zehn Tagen ihre Produktion von Ammoniak drosseln. Damit steht sie nicht allein da. Da dies ein Grundstoff für weiterverarbeitende Industrien ist und beispielsweise für die Düngemittelproduktion und als Zusatzstoff in der Logistik eingesetzt wird, wirkt sich die Produktionseinschränkung auch auf die nachgeordneten Industrien aus. Stehen demnächst gar die Busse im Land still, so wie in Großbritannien?

Versorgungsunternehmen, z. B. E.ON, bieten keine Verträge für Neukunden mehr an. Damit wird übrigens auch die immer wieder bemühte Aussage, man könne doch den Anbieter wechseln, ad absurdum geführt. Erste Versorger gehen in die Knie. Insbesondere kleinere Versorger sind dem Risiko einer Insolvenz ausgesetzt.

Was ist mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern? Sollen die nun in der bevorstehenden Jahreszeit frieren? - Ein kurzer Blick zurück: Bereits 2019   bei noch durchschnittlichen Gaspreisen   war das Heizen für zwei Millionen Menschen in Deutschland viel zu teuer. Besonders betroffen waren Alleinlebende und Alleinerziehende. Das Problem ist also Energiearmut. Es ist übrigens kein neues Problem. Nur ist eine Lösung dieses Problems seit Jahren nicht angegangen worden. Das rächt sich in Anbetracht der aktuellen Situation, in der nach Angaben von Verbraucherschützern ein Musterhaushalt in Deutschland etwa 172 € pro Jahr mehr für das Heizen mit Gas ausgeben muss.

Wesentlich mehr Menschen werden sich die explodierenden Preise nicht mehr leisten können. In dem Bereich müssen wir also unverzüglich gegensteuern. Die steigenden Preise auf den Märkten werden wie selbstverständlich an die Verbraucherinnen weitergeben, während dies in Zeiten, als die Preise gering waren, nicht passierte.

Was kostet denn aktuell eigentlich eine Kilowattstunde Gas? - Es sind derzeit 6,22 Cent pro Kilowattstunde. Mehr als zwei Drittel des Preises gehen aktuell für Beschaffung, Vertrieb und Netzentgelte drauf. Der Rest sind Steuern. Die bisher in diesem Jahr beobachtete Teuerungsrate für Verbraucherinnen in Deutschland ist übrigens im Wesentlichen auf die Rückkehr von der abgesenkten Mehrwertsteuer zum Wert 19 % und auf die CO2-Abgabe zurückzuführen. Da die vom Staat eingenommene CO2-Abgabe nicht wieder bei den Verbraucherinnen ankommt, um sie zu entlasten, ist dieses Instrument aus unserer Sicht ungeeignet und führt zu weiteren sozialen Verwerfungen.

(Zustimmung)

Jetzt aber wird der Beschaffungspreis die Endpreise massiv weiter in die Höhe treiben. So ist der Preis für eine Megawattstunde Erdgas seit März dieses Jahres auf durchschnittlich 87 € angestiegen und liegt damit doppelt so hoch wie im September des vergangenen Jahres. Anfang Oktober wurden kurzfristig sogar Preise von 155 € aufgerufen, während der Preis zwischen Oktober 2019 und März 2021 in etwa zwischen 15 € und 20 € lag.

In Anbetracht dieser Situation stellt sich doch die Frage, wie wir damit umgehen und wer wohl, um es salopp zu sagen, Schuld an der Misere ist. Es gibt jene, die bei den GRÜNEN und in der Energiewende die Schuldigen sehen. Von den GRÜNEN hört man, dass Russland zumindest zur Hälfte Schuld sei, da es Europa zur schnelleren Freigabe von Nord Stream 2 bewegen wolle.

(Zustimmung)

In dem Zusammenhang ist gar von Erpressung die Rede. Vom Wirtschaftsminister des Landes wiederum war zu vernehmen, dass das Problem mit der Freigabe von Nord Stream 2 zu lösen sei. Das ist übrigens bisher das einzige, was vom Wirtschaftsminister in dieser Sache als Lösung oder als Lösungsvorschlag zu hören war, wenn es denn überhaupt eine Lösung ist.

Letzten Endes, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht es doch darum, dass der vielgerühmte Markt eben wie ein Markt reagiert, wenn das Angebot die Nachfrage nicht erfüllen kann. Dafür sorgen die schnellere Erholung insbesondere der asiatischen Wirtschaft nach der Pandemie sowie der bevorstehende Winter. Im Sommer musste aufgrund von weniger Wind mehr Gas als sonst zur Erzeugung von Strom eingesetzt werden. Das sorgte für einen Rückgang der Lagerbestände in den Speichern, die derzeit in Deutschland statt zu normalerweise 90 % nur zu etwa 70 % gefüllt sind. Doch statt hier frühzeitig die Vorräte aufzufüllen, wurde munter spekuliert, dass die bis dato leicht gestiegenen Beschaffungspreise ganz schnell wieder fallen würden. Was für ein Irrtum, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Dazu kommt, dass bereits 2020, also im vergangenen Jahr, zahlreiche langfristige Lieferverträge einfach gekündigt wurden, weil die Unternehmen auf Spotmärkte und noch weiter fallende Preise setzten. Das ist doch absurd und es wieder wird deutlich: Statt niedrige Beschaffungspreise an die Verbraucherinnen weiterzugeben, werden Gewinnmargen ausgeschöpft. Für den Fall, dass es mal wieder anders kommt, wird darauf spekuliert, dass es der Staat schon richten wird. So läuft das gerade wieder. Der Ruf nach dem Staat erschallt und er muss eingreifen und mit wertvollen Steuergeldern das Missmanagement des Marktes und seiner Player subventionieren.

Außerdem sind da noch Spekulationen von Hedgefonds. Über die wird übrigens kaum geredet, aber sie treiben diese Preisexplosionw ebenso voran, und zwar maßgeblich. Dazu braucht man sich nämlich nur die Gewinne einiger dieser Fonds anzuschauen. Man sieht, es gibt auch Gewinner dieser Krise. Denen muss einfach das Handwerk gelegt werden.

(Zustimmung)

In Anbetracht dieser dramatischen Situation braucht es jetzt klare politische Signale. Nicht umsonst hat die EU-Kommission die sogenannte Toolbox geöffnet. Ein Teil davon ist der Ruf nach einer Senkung von Steuern und Abgaben. Das ist ein richtiger Schritt, aber er allein wird nicht helfen.

Aus unserer Sicht sind jetzt gerade für die Verbraucherinnen staatliche Garantien notwendig, damit sie im Winter nicht in der Kälte sitzen, zu Hause frieren oder im Dunkeln sitzen.

Das sollte durch Kostenzuschüsse und auch durch die Verwendung der zusätzlichen Einnahmen aus CO2-Preisen und Emissionshandel dafür erfolgen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Industrie kann es aber keinen Blankoscheck für alle Betroffenen geben. Sicherlich sind im Rahmen der EU-Vorgaben Hilfen möglich, aber eben nicht unbegrenzt.

Klar wird auch: Ein Zurück zu fossilen Brennstoffen ist der völlig falsche Weg, der die Situation nur verschlimmern würde.

(Zustimmung)

Wir brauchen den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien, verbunden mit intelligenten Speichern. An dieser Stelle sollten wir als Land unsere Strategien konsequent und unverzüglich umsetzen.

(Zustimmung)

Klar wird auch, die Organisation von Energieversorgung dem freien Spiel der Marktkräfte zu überlassen, ist gescheitert.

(Zustimmung)

Die Märkte haben sich doch schon längst über das Wohlergehen der Menschen und die Bewahrung ihres Lebensraumes, nämlich der Erde, hinweggesetzt und sich verselbstständigt. Sie zeigen, dass sie in dieser Form in allen Bereichen Krisen verursachen.

Das ist gerade im Bereich der Energieversorgung, die wir als Daseinsvorsorge und damit als Grundrecht ansehen, fatal. Wir brauchen eine neue europäische und auch eine nationale Strategie. Die Sicherstellung der Versorgung ist über Regulierungen in staatliche Hand zu nehmen. - Vielen Dank.

(Beifall)