Tagesordnungspunkt 15

Beratung

Betrug am Bund beenden - Zukunftsvertrag einhalten - Hochschulen und Studentenwerke verlässlich und auskömmlich finanzieren

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/232


Auch hierzu ist eine Dreiminutendebatte verabredet worden. Einbringen wird den Antrag der Abg. Herr Lange. - Herr Lange, Sie haben das Wort.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vorweg muss ich mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen, dass über diesen Antrag an den Hochschulen bereits Gerüchte gestreut worden sind. Es hieß nämlich, dass es einzig und allein um mehr Geld aus einem viel zu knapp bemessenen Budget für die Uni Halle geht. Genau darum geht es nicht. Es geht um mehr Geld für alle Hochschulen. Deswegen bitte ich um Aufmerksamkeit, auch wenn ich die Probleme der Uni Halle hier natürlich aktuell aufgreife. Schwierigkeiten haben alle Hochschulen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren! Während sich Herr Haseloff und Herr Prof. Willingmann für die ihrer Meinung nach beste Hochschulpolitik aller Zeiten feiern, formiert sich an der Martin-Luther-Universität Protest. Unter dem Hashtag „MLUnterfinanziert“ werden Demos und Kundgebungen organisiert und Unterschriften gesammelt. Wir haben heute erlebt, dass 16 000 Unterschriften übergeben worden sind.

Warum gibt es diesen Protest? Nun gibt es ein Papier des Rektorats, das Vorschläge macht, was alles nicht mehr in Forschung und Lehre stattfinden kann, wenn das strukturelle Defizit der Universität bestehen bleibt. Vorgesehen ist, dass die Studiengänge Gräzistik, Latinistik, Indologie, Japanologie, Sprache und Kultur Südasiens, Mittel- und Neulateinische Philologie, Archäologie des Vorderen Orients, Land- und Umwelttechnik sowie Landeskultur und Kulturtechnik und das Institut für Altertumswissenschaft sowie das Institut für Sportwissenschaft für immer geschlossen werden.

Es sind einige Evergreens dabei, die ich schon aus meiner Senatszeit kenne, wie zum Beispiel die Sportwissenschaften. Der Flurschaden wäre übrigens enorm, weil viele Spowis Übungsleiter und Übungsleiterinnen in Vereinen sind. Es ist nicht auszudenken, was dann wegbricht. Altertumswissenschaften sind etabliert und berühmt, genauso wie die Archäologie. Der Winckelmann rotiert wahrscheinlich schon in seinem Grab, wenn er hört, dass das dort abgebaut werden soll. Außerdem haben wir in der Landwirtschaft genügend Aufgaben mit Blick auf Klimaschutz und Klimawandel, sodass man in dem Bereich nicht kürzen sollte. Mit Blick auf den Kürzungskanon ist festzustellen, dass es besonders die Orchideenfächer betrifft, die es nur selten an den Universitäten gibt und die deswegen besonders wertvoll sind.

(Zustimmung)

Meine Damen und Herren! Warum also gerade diese Vorschläge und warum dieses Vorgehen?

Nun hat Rektor Tietje das sicherlich schlecht eingestielt; denn der Protest richtet sich zunächst gegen ihn, gegen das unabgesprochene Vorgehen und gegen diese vorgeschlagenen Maßnahmen. Aber das Papier hat einen realen Kern und das ist das strukturelle Defizit. Um dies zu verstehen, müssen wir uns mindestens das letzte Jahrzehnt der Hochschulpolitik unter der CDU ansehen. Über Jahre hinweg wurden Tarifaufwüchse, wohlgemerkt für Landespersonal, nur zu 90 % ausgeglichen. Ein Anteil von 10 % musste aus den ohnehin schon knappen Hochschulbudgets erwirtschaftet werden. Das trifft eine große Uni wie die Uni Halle natürlich besonders schwer. Aber es trifft genauso alle anderen Hochschulen.

Ein Inflationsausgleich wurde gar nicht gewährt, obwohl die Preissteigerungen im Wissenschaftsbetrieb immer über den durchschnittlichen Preissteigerungen liegen. Hinzu kamen reale Kürzungen der Grundfinanzierung, die   wohlgemerkt   durch die Bernburger Vereinbarung verursacht wurden. All das führt zu den großen Verwerfungen an der MLU. Ich lasse nicht unerwähnt, dass alle Hochschulen diese Probleme hatten, dass die Lösungsstrategien jedoch unterschiedlich waren. Dass ihnen dieses Geld dauerhaft fehlt und Strukturkürzungen schmerzhaft sind, werden jedoch alle bestätigen.

Meine Damen und Herren! Nun kann man an ein strukturelles Defizit unterschiedlich herangehen. Man kann wie Rektor Tietje Kürzungen vorschlagen. Ohne das Rektorat in Schutz nehmen zu wollen, muss ich feststellen, dass auch dieses Papier einen rationalen Kern hat. Zunächst muss schnell etwas passieren, also guckt man, wo gerade eine Professur nicht besetzt ist oder wo gerade jemand in Rente geht. Dann guckt man, was besonders teuer ist, wie der Bereich Land- und Umwelttechnik. Und dann benennt das Papier die No-Gos, zum Beispiel die Informatik im IT-Cluster Mitteldeutschland oder das mittlerweile politisch gewollte Studienkolleg.

Damit kommen wir zu einem zweiten Problem: Es gibt keine Orientierung dafür, was das Land will. Über den Hochschulstrukturplan, der die Kürzungsorgie der Bernburger Vereinbarung flankieren sollte, ist die Zeit hinweggegangen.

(Beifall)

Deswegen fordern wir, dass bis Mitte des nächsten Jahres ein neuer Hochschulstrukturplan entwickelt wird, und zwar gemeinsam mit den Hochschulen.

Meine Damen und Herren! Die zweite Variante, sich dem strukturellen Defizit zu nähern, ist, zu gucken, ob man wirklich den Kahlschlag in der Wissenschaftslandschaft möchte oder ob man die Hochschulen in Sachsen-Anhalt nicht endlich auskömmlich und aufgabengerecht finanzieren möchte. Die Zeit dafür ist günstig wie nie, denn Sachsen-Anhalt bekommt vom Bund so viel Geld für die Hochschulen wie seit Langem nicht.

Jetzt weiß man schon, was Herr Willingmann sagen wird. Er wird sagen: Wir haben doch die Grundbudgets um 15 Millionen € erhöht. - Ja, das erkenne ich an. Aber diese Summe kompensiert bei Weitem nicht den Verlust infolge der Bernburger Vereinbarung, also den fehlenden Tarif- und Inflationsausgleich.

Ich komme zu einem weiteren Problem, das unser Antrag beheben möchte, nämlich den Betrug am Bund. Denn, meine Damen und Herren, was ist in den letzten zehn Jahren noch geschehen? - Es gab die Einsicht, dass die Länder Bundesgeld brauchen, wenn sich die Hochschulen gedeihlich entwickeln sollen und nicht von einer Kürzungsrunde zur nächsten gestresst werden sollen. Denn wir brauchen Forschung und Lehre, damit Innovation entsteht, damit junge Menschen zu uns kommen, damit sich Menschen akademisch gut bilden können und damit wir durch Wissenschaft Probleme lösen.

Für diese Bundesfinanzierung gibt es drei Säulen. Erstens gibt es die BAföG-Mittel. Der Bund hat die BAföG-Finanzierung komplett übernommen. Dafür sollte das freiwerdende Landesgeld in die Hochschulen fließen - wohlgemerkt: Es sollte nicht Aufgaben der Länder kompensieren. Was hat die Koalition in Sachsen-Anhalt gemacht? - Der Finanzminister hat die Mittel im Haushaltsplan reduziert und dann wurden die Löcher mit den freiwerdenden BAföG-Mitteln gestopft. Das Land steckt sich das Geld also durch die Hintertür ein und gibt es den Hochschulen eben nicht zusätzlich.

Dann, meine Damen und Herren, kam der Hochschulpakt. Wir sollten die Studienanfängerzahlen des Jahres 2005 halten. Dumm nur, dass die damals sehr hoch waren und die bereits stark zusammengestrichene Studienkapazität daherkam. Na ja, trotzdem war das Geld ein Segen, obwohl sich das Land auch hier für die Landesaufgabe Lehrerbildung einen Vorabzug genehmigte.

Nun haben wir den Zukunftsvertrag „Studium und Lehre stärken“. An dieser Stelle war der Bund clever. Dort sind das Gebaren der Länder und die klebrigen Hände der Finanzminister nämlich vielen ein Dorn im Auge.

So steht in § 6 der Vereinbarung mit dem Bund:

„Die einzelnen Länder verpflichten sich, zusätzliche Mittel mindestens in Höhe der im jeweiligen Jahr erhaltenen Bundesmittel bereitzustellen.“

Was macht das Land Sachsen-Anhalt? - Es genehmigt sich wieder einen Vorabzug, zum Beispiel für die Landesaufgabe der Lehrerbildung. Zudem weist es die Hochschulen an, bei gleichbleibender Grundfinanzierung den Landesanteil des Zukunftsvertrags rechnerisch darzustellen. Meine Damen und Herren, das ist Betrug am Bund. Das ist ein Skandal und das muss aufhören!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, die Kofinanzierung muss zusätzlich sein; denn damit wären wir auf einen Schlag alle Probleme los. Die MLU müsste wertvolle Fächer nicht streichen, und alle Hochschulen könnten sich endlich wieder nach vorn entwickeln, anstatt von einer Abbaurunde zur nächsten zu taumeln. So geht verantwortungsvolle Hochschulpolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Jetzt habe ich nur noch wenig Zeit, um etwas zu den Studentenwerken zu sagen. Glauben Sie mir, Corona hat auch bei den Studierenden gravierende Auswirkungen.

(Zuruf: Welche denn?)

Wir haben darüber in diesem Hohen Haus schon diskutiert. Die psychosoziale Beratung wird nachgefragt wie nie. Die Studentenwerke sind ein wichtiges Unterstützungssystem für die Studierenden.

(Zuruf: Was denn nun?)

Insbesondere Studierende mit geringen Einkünften sind auf Leistungen wie Mensaversorgung und günstigen Wohnraum angewiesen. Damit sind die Studentenwerke wichtig für die Bildungsgerechtigkeit. Die Studentenwerke werden durch das Land viel zu gering finanziert, wenn man sich das im Bundesvergleich anschaut. Meine Fraktion schlägt daher vor, dass der Landesanteil am Haushalt der Studentenwerke mindestens 10 % betragen soll.

Meine Damen und Herren! Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Ich kann dazu sagen, dann können die Studierenden endlich das machen, was sie am liebsten tun, nämlich nicht protestieren, sondern studieren. - Vielen Dank.

(Beifall - Zurufe: Oh!)