Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Danke, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Mein vorbereiteter Beitrag bezieht sich auf den Antrag der AfD-Fraktion, nicht auf den eben gehaltenen Redebeitrag von Herrn Siegmund; denn dann müsste ich viel länger sprechen. Anders als der Antrag selbst, der in dieser Hinsicht nicht so offensichtlich ist, hat sich der Beitrag von Herrn Siegmund doch sehr deutlich auf ausgesprochene Argumentationsmuster der sogenannten Querdenkerszene bezogen.

(Zustimmung - Ulrich Siegmund, AfD: Quatsch! -Zuruf: Das war von der Stiko! - Zuruf: Fakten waren das, Fakten! - Weitere Zurufe - Unruhe)

  Gut, wenn es Nachfragen gibt oder wir nachher noch Zeit haben, dann können wir darauf eingehen.

Ich beziehe mich jetzt auf den Text des Antrags, soweit das in der Kürze der Zeit möglich ist.

(Unruhe)

Maßnahmen zum Gesundheitsschutz, die persönliche Freiheiten einschränken, sind zu Recht Gegenstand öffentlicher und politischer Debatten. Dies umso mehr, wenn sie nicht nur uns selbst, sondern auch andere und zum großen Teil uns unbekannte Menschen schützen.

Der Vorwurf der gesellschaftlichen Spaltung ist dabei nicht neu. Ich erinnere mich noch gut: So führte z. B. die Einführung des generellen Rauchverbots in Gaststätten nicht zu der damals viel beschworenen Spaltung der Gesellschaft in Raucher und Nichtraucher. Auch der damals viel verbreitete Einwand, das Rauchverbot verstoße gegen Eigentumsrecht und unternehmerische Freiheit, wurde von einer kreativen und attraktiven Gastronomie schnell überholt und erwies sich so als nicht haltbar.

Die Coronaschutzimpfung, über die wir glücklicherweise heute verfügen, ist unser effektivstes Mittel bei der Bekämpfung der Pandemie und der Beendigung der Einschränkungen. Denn wir haben es erlebt: Wann immer die Einschränkungen gelockert wurden, bevor es die Impfung gab, stiegen in kürzester Zeit die Fallzahlen, die Infektionszahlen und die Todesfallzahlen wieder an, und zwar mit exponentieller Tendenz. Erinnern wir uns doch, was wir in der Schule gelernt haben, oder lesen nach, was „exponentieller Anstieg“ bedeutet.

Wir sind mit der Möglichkeit der Impfung jetzt also in einer viel glücklicheren Lage. Die Wirksamkeit und die Sicherheit der zugelassenen Impfstoffe sind eindeutig nachgewiesen worden. Ja, keine Impfung ist ohne Risiko und die Impfungen schützen nicht zu 100 %. Aber die Gefahren einer Impfung sind weitaus   weitaus!  geringer als die Gefahren einer Infektion mit Covid 19,

(Zustimmung)

wenn man nicht oder nicht vollständig geimpft ist. Gleichzeitig ist die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren, extrem hoch, solange man selbst und insgesamt ein bedeutender Prozentsatz der Bevölkerung nicht geimpft ist.

Manche von Ihnen wissen, ich bin selbst Ärztin und habe auch für den Aufbau von Gesundheitssystemen in Entwicklungsländern gearbeitet, aber nicht nur dort. Aus Krankenhäusern in armen Ländern, wo Impfstoffe noch lange nicht ausreichend zur Verfügung stehen, aber auch in Deutschland habe ich nun schon so oft gehört: Eine vorsorgliche Impfung gegen Covid 19 hätte inzwischen verstorbene Patienten auf der Station retten können. Das sagen mir die Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich Kontakt habe, eben nicht nur in den armen Ländern, sondern auch in Deutschland.

Ein anderer Aspekt ist Long Covid. Mit den Erfahrungen dazu stehen wir gerade erst am Anfang.

Sehr geehrte Damen und Herren! Impfen ist der Weg zurück zur Normalität. Je mehr Menschen geimpft sind, umso besser ist der eigene Schutz und umso geringer ist das Risiko, das Coronavirus auf andere zu übertragen, vor allem auf nicht immunisierte Personen.

Wenn Ungeimpfte während der Pandemie unter Umständen Freizeitangebote mit hohem Infektionsrisiko nicht nutzen können, so ist das natürlich eine starke Motivation, sich impfen zu lassen. Aber es gibt keine Impfpflicht, auch nicht durch die Hintertür.

Im Falle einer behördlich angeordneten Quarantäne haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach dem Infektionsschutzgesetz einen Anspruch auf Entschädigung. In dem Gesetz steht aber auch, wer eine Quarantäne etwa durch eine empfohlene Impfung hätte vermeiden können, hat keinen Anspruch auf eine Lohnfortzahlung. Das ist eine absolute Ausnahme, die der Pandemie geschuldet ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ob es uns gefällt oder nicht: Impfen ist der Weg aus der Krise zurück zur Normalität. Die Ständige Impfkommission Stiko, die in dem Antrag erwähnt wird und in deren Zusammenhang es Befürchtungen gibt, dass Empfehlungen bezüglich der Impfung von Kindern nicht eingehalten wurden,


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Bitte zum Ende kommen.


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

argumentiert evidenzbasiert und auf Nachweisen beruhend. Natürlich folgen ihr die Landesregierungen.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Kommen Sie bitte zum Ende.


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Ja. - Der Antrag schürt Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der demokratischen und der wissenschaftlichen Institutionen und Prozesse, bleibt dabei aber im Ungefähren und Suggestiven. Deshalb empfehle ich, den Antrag nicht anzunehmen und die gesellschaftliche Spaltung vielmehr durch gute Aufklärung, Kommunikation und gutes Beispiel zu verhindern. - Danke.

(Zustimmung)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. Es gibt nur eine Frage von Herrn Roi.


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Ja.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Diese müssen Sie aber nicht beantworten.


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Ich habe nichts dagegen.


Daniel Roi (AfD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank auch, dass Sie bereit sind, die Frage zu beantworten. Wir haben vorhin von anderen Rednern gehört, sie wollen einen Diskurs. Aber der ist ja nicht möglich, wenn man sich dem verweigert. Deswegen ausdrücklich: danke.

Sie sind Ärztin, haben Sie gesagt. Deswegen will ich eine Frage stellen. Eine Lehrerin aus Mansfeld-Südharz hat mir geschrieben   sie hat übrigens auch schon den Gesundheitsminister Herrn Spahn angeschrieben  , dass sie einen Antikörpertest durchgeführt hat und im Befund einen Nachweis über neutralisierende Antikörper aufgrund einer nicht erkannten Coronainfektion erhalten hat. Diesen Labortest hat sie dem Impfarzt vorgelegt, und dieser hat eine Impfung verweigert, weil sie einen so hohen Wert an Antikörpern hat.

Was sagen Sie dieser Lehrerin, die bei der Arbeit mutmaßlich Druck bekommt, sich impfen zu lassen, und die jetzt unter der 2-G-Regel    

(Zuruf: Das ist doch Schwachsinn, was ihr da redet!)

  Es ist interessant, dass Leute hier rufen, dass sei Schwachsinn.

(Zuruf: Ja! 2-G-Regel: geimpft oder genesen! Meine Güte!)

  Die Lehrerin schaut zu; ist in Ordnung. Machen Sie nur weiter so!

Was sagen Sie der Lehrerin, die im Restaurant nun benachteiligt wird, weil ihr der Impfarzt die Impfung verweigert hat?

(Zuruf: 2-G! Das andere heißt „genesen“, Herr Roi!)

Was sagen Sie mir? Ich hatte Corona und bin in der Statistik nicht enthalten. Ich habe auch neutralisierende Antikörper. Ich darf nicht ins Restaurant. Ich bin vorhin von Ihrem Koalitionspartner darauf angesprochen worden

(Zurufe: 2-G!)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Kommen Sie jetzt zur Frage.


Daniel Roi (AfD):

  die letzte Frage  , dass in der AfD angeblich auch welche geimpft sind. Ich kann Ihnen als Kreisvorsitzender sagen: Ja, in meinem Kreisverband gibt es einzelne Personen, die geimpft sind.

(Zuruf: Frage!)

Die haben auch Antikörpertests durchgeführt. Wissen Sie, was dabei herauskam? - Bei mindestens einer Person kam heraus, dass sie keine Antikörper hat. Warum darf die jetzt ins Restaurant und ich nicht? - Danke.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Gut. - Ich bitte um eine kurze Antwort.


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Ich kann in der Kürze der Zeit jetzt nicht auf Einzelfälle eingehen und eine Ferndiagnose stellen. Ich glaube, es ist auch ein Problem, wenn einzelne Studien sowie hier und da Aussagen zitiert werden und eine Rosinenpickerei stattfindet.

(Lachen)

Es kommt auf den Stand der Wissenschaft insgesamt an, auf eine systematische Auswertung der Evidenz. Es müssen Abwägungen getroffen werden.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke.


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

In der Kürze der Zeit kann ich nicht weiter auf Details eingehen. Aber in die Abwägungen wurden die Weltgesundheitsorganisation, die nationalen Institute für öffentliche Gesundheit und viele, viele anerkannte Wissenschaftler einbezogen worden. Es sind etablierte Prozesse. Man kann nicht als Einzelner bzw. es ist nicht sinnvoll    


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Ich danke Ihnen für die kurze Antwort. Wir haben es verstanden.

(Lachen - Zuruf: Na ja, die Frage war aber länger!)


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Ich möchte diesbezüglich um Verständnis bitten. Ich stehe aber gern für einen individuellen Austausch zur Verfügung. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung)