Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, erneut befassen wir uns heute mit dem Thema Landwirtschaft. Die anhaltenden Proteste der Landwirtinnen und Landwirte erfordern zu Recht, dass wir uns intensiver mit der Situation der Landwirtschaft und deren Herausforderungen befassen. Das betrifft   a l l e   politischen Ebenen - von der Kommune bis zur Europäischen Union - und natürlich betrifft es auch die gesamte Gesellschaft. 

Ihre Arbeit, liebe Landwirtinnen und Landwirte, egal ob ökologisch oder konventionell, ob in Familie, als Genossenschaft oder als Unternehmen strukturiert, verdient hohe Wertschätzung. Wir sagen daher an dieser Stelle mit allem Respekt: Danke für ihre Arbeit. 

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN) 

Denn schließlich geht es um nichts Geringeres als die Produktion unserer Lebensmittel und die Menschen, die für uns existenzielle Arbeit verrichten. Das passiert eben nicht im luftleeren Raum. 

Sie müssen Aufgaben bewältigen, die uns allen zugutekommen. Sie sollen das Klima, die Ressourcen Boden, Wasser und Luft schützen sowie Tiere unter guten Bedingungen halten. Insgesamt steht die Landwirtschaft möglicherweise vor den größten Veränderungsprozessen der letzten Jahrzehnte. Aber eigentlich steckt sie schon mittendrin. Und es fehlt - das wurde hier schon gesagt - an Planungs- und Investitionssicherheit. 

Gleichzeitig kämpft die Landwirtschaft bereits jetzt mit den Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels. Böden verlieren ihre ökologische Funktion. Konzerne der Lebensmittelindustrie und des Einzelhandels diktieren Preise, die nicht einmal im Ansatz die Erzeugungskosten decken, während die Konzerne immer mehr Gewinne einfahren. 

Dazu nimmt die Konkurrenz um Agrarflächen zu. Der Boden ist als interessantes Anlageobjekt zum Spekulationsobjekt geworden und dadurch für viele Landwirtinnen und Landwirte nicht mehr bezahlbar.

Der vorliegende Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nimmt eine Vielzahl dieser Aspekte und möglichen Lösungsvorschläge auf, die auch von der Zukunftskommission Landwirtschaft, der Borchert-Kommission und dem Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ gemacht wurden.

Aber erstens hat meine Fraktion in der letzten Landtagssitzung einen umfangreichen Antrag mit teilweise ähnlich lauten Forderungen eingebracht, und zweitens verwundert es schon etwas, weil die antragstellende Fraktion im Bund immerhin den Landwirtschaftsminister stellt.

Aber ich möchte mein Augenmerk - hierzu wurde schon sehr viel gesagt - auf den Punkt der Einführung eines Tierschutzcents richten. Grundsätzlich ist nachvollziehbar, dass für die Finanzierung von mehr Tierwohl eine Lastenverteilung erfolgen soll. Aber wir müssen zuallererst feststellen, dass die Lebensmittelpreise inzwischen bereits um 30 % gestiegen sind.

Eine weitere Erhöhung der Preise durch eine zusätzliche Abgabe ist für Menschen mit geringem Einkommen daher nicht leistbar. Deshalb dürfen die Vorschläge des Bürgerrates und der Zukunftskommission Landwirtschaft hierbei eben nicht außen vor bleiben. Die Einführung einer solchen Abgabe muss zwingend von sozialpolitischen Maßnahmen flankiert werden,

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

z. B. durch die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf einen Warenkorb von gesunden und lebenswichtigen Grundnahrungsmitteln. Das fehlt im vorliegenden Antrag leider.

(Zustimmung Hendrik Lange, DIE LINKE)

Hinzukommt, dass die Borchert-Kommission für den Umbau der Tierhaltung ein Preisschild angehängt hat. Die Zahlen wurden schon genannt: rund 4 Milliarden € pro Jahr. Das Agrarministerium hat für das Jahr 2024 ein Viertel davon, 1 Milliarde € veranschlagt. Übrig geblieben im Bundeshaushalt sind dann aber nur magere 150 Millionen €. So funktioniert das auf keinen Fall.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Anne-Marie Keding, CDU)

Nun bleibt aber die Frage, ob diese als Verbrauchsteuer angelegte Tierwohlabgabe tatsächlich zweckgebunden eingesetzt werden kann. Das könnte einerseits EU-rechtlich schwierig sein. Andererseits fließt das als Steuergeld in den Gesamthaushalt. Dann werden wir immer wieder Auseinandersetzungen führen müssen, damit dieses Geld auch in die Finanzierung der Landwirtschaft fließen und die Umsetzung der Ziele sichergestellt werden kann.

Der notwendige Umbau der Landwirtschaft funktioniert aber nur, wenn die Existenz landwirtschaftlicher Betriebe überhaupt gesichert ist. Sie braucht also langfristige und an den Zielen ausgerichtete Finanzmittel der öffentlichen Hand, die der Bereitstellung öffentlicher Güter dienen. So formulierte es übrigens die Zukunftskommission Landwirtschaft. Das weicht etwas ab, Herr Minister, von dem, was Sie gesagt haben.

Diese Forderung stellt DIE LINKE im Übrigen schon seit Langem. Die Investitionen in diesen Umbau lohnen sich letztlich aber für die gesamte Volkswirtschaft, weil dadurch Folgekosten für Umwelt und Gesundheit zurückgehen werden. 

Die Landwirtschaft der Zukunft, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird sich wahrscheinlich deutlich von der heutigen unterscheiden. Sie soll am Gemeinwohl orientiert mit regionaler Wertschöpfung gestaltet sein. Sie soll eine Kreislaufwirtschaft sein sowie Natur und Klima schützen. Aber sie bleibt eben auch eine Landwirtschaft, bei der die dort Tätigen von ihrer Arbeit leben können müssen und deren Produkte bezahlbar sein müssen. - Vielen Dank.