Ulrich Siegmund (AfD): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jede Familie wird es irgendwann treffen; jeden wird es irgendwann treffen: Jemand landet in der Pflege. Das ist für viele in diesem Land eine absolute Katastrophe, ganz einfach weil sich viele alleingelassen fühlen. Auch für die Mitarbeiter wird es immer schlimmer.

Dieses Problem ist nicht vom Himmel gefallen. Wir sprechen seit vielen Jahren immer wieder über die gleichen Probleme. Heute ist es aber etwas Besonderes, und zwar hat die Koalition heute einen gemeinsamen Antrag eingereicht und ihn den „Pflegeboost“ genannt. Bei diesem Begriff bin ich natürlich hellhörig geworden, wenn es ungefähr die gleiche Durchschlagskraft hat wie der Booster, den Sie zu Coronazeiten eingesetzt haben. So ähnlich ist es auch jetzt.

Es ist mir bei einem Punkt besonders aufgefallen, der hier wirklich zum ersten Mal zum Tragen kommt, und zwar Folgendes: Seitdem wir hier im Landtag vertreten sind, seit dem Jahr 2016 weisen wir darauf hin, dass die Schieflage in der Pflege von der demografischen Katastrophe herrührt. Es gibt immer weniger erwerbstätige Menschen, die auf immer mehr ältere pflegebedürftige Menschen treffen. Seit dem Jahr 2016 sage ich, dass das die Grundursache ist, dass man Stellschräubchen drehen kann, wie man will, aber wenn man das Problem nicht behebt, dann wird alles schlimmer. 

Immer wurde ich dafür belächelt. Immer haben Sie dazwischengerufen. Das weiß ich noch ganz genau. Das Problem war nicht so wichtig. Heute steht zum ersten Mal genau diese demografische Katastrophe in Ihrem eigenen Antrag.

Jetzt schaffen Sie es aber, obwohl Sie das als Grundproblem für die Schieflage benennen, nicht einmal in einem einzigen Punkt auf dieses Problem einzugehen. Das heißt, alle Ihre Lösungsvorschläge zur Bekämpfung des Pflegemangels haben nichts mit der demografischen Katastrophe zu tun. Das muss man ganz klar so feststellen. Das heißt, Sie umgehen mit Ihren sieben Punkten schon wieder das Grundproblem. 

(Jörg Bernstein, FDP: Nein!)

Darauf gehe ich gleich ein.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Wie immer!)

Jetzt möchte ich mir wirklich einmal anschauen, meine sehr geehrten Damen und Herren,

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

- Herr Kosmehl, hören Sie erst einmal zu  , 

(Guido Kosmehl, FDP: Nein!)

was Sie genau boosten wollen

(Guido Kosmehl, FDP: Sie reden einen Schwachsinn!)

- das ist kein Schwachsinn  , 

(Guido Kosmehl, FDP: Doch!)

um die Situation in der Pflege zu verbessern.

Unter dem ersten Punkt stellen Sie einfach nur fest, 

(Guido Kosmehl, FDP: Mann!)

Herr Kollege Kosmehl, dass das, was Sie gemacht haben, nicht ausreicht. Das ist schon einmal ein schöner Booster.

Unter dem zweiten Punkt möchten Sie zwischen der generalisierten Pflegeausbildung und der Pflegehelferausbildung eine Zwischeninstanz einführen, die Pflegeassistenz, weil so viele durch die Prüfung fallen. Unser Lösungsansatz wäre, erst einmal zu hinterfragen, warum fast die Hälfte durch die Prüfung fällt. Es wäre viel besser zu hinterfragen, ob wir vielleicht bei der Ausbildung in Gänze nachsteuern müssen, damit gar nicht erst so viele durch die Prüfung fallen.

(Guido Kosmehl, FDP: Wollen Sie die Anforderungen absenken?)

- Nein, Herr Kosmehl, ich möchte erst einmal fragen

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP - Jörg Bernstein, FDP: Leute!)

  schreien Sie doch nicht immer hinein  , warum so viele durchfallen.

(Guido Kosmehl, FDP: Ja, wir haben uns damit beschäftigt!)

War vielleicht die Struktur der aktuellen Ausbildung falsch? Müsste man nachschärfen? Müsste man bedarfsgerechter agieren? Das wäre der erste Schritt, bevor man eine Zwischeninstanz aufmacht. Damit ist nichts gekonnt.

(Beifall bei der AfD - Guido Kosmehl, FDP: Nein, wir unterhalten uns!)

Unter dem dritten Punkt, Herr Kosmehl, möchten Sie sich selbst darum bitten, Ihre eigenen Regeln in der Pflegehilfeausbildung anzupassen. 

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Sie drei Koalitionsfraktionen regieren mit Ihrer Landesregierung dieses Land. Sie bitten jetzt Ihre eigene Regierung. Ich frage mich, warum machen Sie es nicht einfach. Warum bitten Sie sich selbst darum?

(Guido Kosmehl, FDP: Weil wir Teil der Legislative sind und nicht Teil der Exekutive!)

Das ist sehr peinlich.

(Guido Kosmehl, FDP: Machen Sie einen Grundkurs in Demokratie!)

- Sie können doch trotzdem eigene Vorschläge machen und müssen darüber nicht extra abstimmen, Herr Kosmehl.

(Guido Kosmehl, FDP: Demokratie! - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Er soll doch zum Mikro gehen, wenn er eine Frage hat! Das ist doch kein Zustand!)

Vierter Punkt. Sie möchten die Bundesregierung bitten, die Regularien für die Pflichteinsätze in der Ausbildung anzupassen. Ich sage einmal, natürlich kann man das machen, aber ein kleineres Stellschräubchen, Herr Kosmehl, als unter Punkt 4 fällt mir kaum ein. Das kann noch kein Booster sein. Das ist doch wirklich peinlich.

Fünfter Punkt. Sie wollen die Regularien für ausländische Pflegekräfte aufweichen. Also, das kann man wirklich nur machen, wenn man nicht mit der Pflege spricht, wenn man nicht mit den einzelnen Heimen spricht und nicht immer nur mit den Verbänden, wenn man einmal wirklich mit Betroffenen spricht, weil die Realität einfach eine andere Sprache spricht.

Viele kommen hierher, haben auf dem Papier eine wunderbare Prüfung abgelegt, aber verstehen unsere Sprache nicht oder können sie sehr schlecht sprechen. Das ist in dieser Branche ganz schwierig, weil Vertrauen wichtig ist.

(Guido Kosmehl, FDP: Richtig!)

Die Menschen möchten die Pfleger verstehen. Deswegen müssen wir es aus eigener Kraft lösen, Herr Kollege Kosmehl, und können nicht noch mehr Menschen in dieses Land holen.

(Guido Kosmehl, FDP: Wo nehmen Sie denn die Pflegekräfte her?)

Was ist denn seit 2015, Herr Kosmehl? Sie haben doch mit die offenen Grenzen gemacht. Wo sind denn die ganzen Fachkräfte? - Eine riesengroße Lüge! Wir möchten das aus eigener Kraft schaffen.

(Beifall von der AfD - Zuruf von der AfD: Bravo! - Unruhe bei der CDU, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Allein wie Sie hier immer hineinschreien, zeigt doch, dass ich hier die absolut wunden Punkte anspreche.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

- Na klar.

(Unruhe)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Jetzt einmal stopp!


Ulrich Siegmund (AfD): 

Immer reinschreien.

(Unruhe)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Herr Kosmehl, Herr Siegmund! 


Ulrich Siegmund (AfD): 

Wir fahren fort.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Stopp! Machen wir einmal einen Break - Blutdruck runter, Stimme runter. Wir versuchen, uns gegenseitig zuzuhören. - Frau Tarricone, ich weiß, das verlangt uns allen etwas ab; dafür kriegen wir genug Entschädigung. - Jetzt noch einmal versuchen herunterzukommen. - Herr Siegmund, Sie haben das Wort.


Ulrich Siegmund (AfD): 

Ja, wir machen weiter. Im sechsten Punkt möchten Sie die Zeitarbeit in der Pflege unterbinden. Niemand will Zeitarbeit in der Pflege, aber auch das ist doch wieder ein Symptom. Man muss doch einmal die Ursache in den Blick nehmen.

Warum gibt es denn überhaupt Zeitarbeit in der Pflege? - Weil der Bedarf so krass ist, dass so eine Situation überhaupt möglich ist. Um das zu unterbinden, muss ich es nicht verbieten, sondern ich muss die Situation abschaffen, dass man das überhaupt braucht. Niemand möchte und will Zeitarbeit in der Pflege.

Zum siebenten Punkt: Sie wollen mehr Geld für die Pflege. - Ist das jetzt der Booster? Ich sage, das ist einfach nur die logische Konsequenz der verfehlten Politik über Jahrzehnte. Dass das Geld kostet, ist klar, und dass wir alle die Rechnung bezahlen müssen, ist auch klar.

Deswegen fasse ich zusammen: Sieben Punkte - den Booster suche ich immer noch. Das ist wirklich ein Witz. Sie diskutieren hier die ganze Zeit über Symptome, aber nicht über die Grundursachen. Wir haben den Ansatz, lösungsorientiert zu agieren.

(Guido Kosmehl, FDP, lacht)

Kurzfristig - das wissen wir selbst, Herr Kosmehl - wäre die größte Lösung, die Bürokratie abzuschaffen. Immer mehr Pfleger sind im Büro und nicht am Patienten. Sprechen Sie einmal mit den Pflegern, da schlagen Sie die Hände über dem Kopf zusammen.

(Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE: Quatsch!)

Wir müssen die Schlüssel ändern und wir müssen auch wieder Fachkräfte aus den Behörden freisetzen. Immer mehr werden abgezogen, weil es immer bürokratischer wird. Langfristig - das Thema, das Sie wieder ausklammern, nämlich die demografische Katastrophe: Wenn wir dieses Thema nicht bekämpfen, stehen wir noch über Jahre hier und es wird nichts besser.

Also: Wieder am Thema vorbei - setzen, sechs! Das bringt nichts und das ist kein Booster. - Danke, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Herr Pott hat eine Frage. Wollen Sie sie beantworten, Herr Siegmund? - Offensichtlich. - Herr Pott, das gibt Ihnen die Gelegenheit, die Frage zu stellen. - Bitte.


Konstantin Pott (FDP): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Herr Siegmund. Sie haben jetzt zum Schluss noch einmal das Stichwort Bürokratie aufgemacht. Ich bin ein Freund davon, konkret zu werden. Welche bürokratischen Hürden, welche Dokumentationspflichten wollen Sie ganz konkret abschaffen, abbauen? Wo stehen diese und welche Gesetze oder Richtlinien müssten dafür angepasst werden?


Ulrich Siegmund (AfD): 

Der erste Punkt ist die Frage: Warum wird denn immer mehr Personal in die Behörden, in den MDK z. B., abgezogen? - Sie wissen doch selbst, wie das aufgebaut wird. 

Ein weiteres Beispiel: Schauen Sie sich Ihr eigenes Ministerium an. Sie wollen Stellen streichen; alles wird immer weiter aufgebläht, alles wird immer weiter bürokratisiert. Sprechen Sie einmal mit den Betroffenen in der Pflege. Sie verbringen immer mehr Zeit im Büro. Das ist eine komplexe Ursache.

(Zuruf von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Aber man muss dieses Thema in Gänze denken. Die Pfleger sind nicht in die Pflege gegangen, weil sie im Büro sitzen wollen. Die Pfleger möchten am Menschen sein.

(Zuruf von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Das ist die Grundmotivation, warum Menschen in die Pflege gehen, und wenn man das nicht angeht, dann stehen wir hier noch über Jahre mit demselben Problem.