Eva Feußner (Ministerin für Bildung): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Erziehungsberechtigten obliegt die Pflicht, die Schülerinnen und Schüler mit allen für den Schulbesuch notwendigen Materialien auszustatten. Sie werden dabei nicht alleingelassen. 

Die bis zum Schuljahr 2003/2004 in Sachsen-Anhalt praktizierte Lernmittelkostenfreiheit wurde ab dem Schuljahr 2003/2004 durch die Entlastung von Lernmittelkosten in Form der Ausleihe von Lernmitteln gegen Entrichtung einer Leihgebühr abgelöst. Damit ist Sachsen-Anhalt nicht allein. Frau Hohmann hat auch ein paar Beispiele genannt. In sechs weiteren Ländern besteht ebenfalls keine Lernmittelkostenfreiheit.

Der Gesetzgeber hat mit § 72 Abs. 1 des Schulgesetzes die Möglichkeit geschaffen, im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel - damit sind wir schon bei einem Problem; man kann sich immer vieles wünschen; ich mir auch - die Erziehungsberechtigten von den Kosten der Lernmittel zu entlasten. Dabei werden Familien mit mehreren schulpflichtigen Kindern bzw. sozialschwache Familien besonders entlastet. Seit mehreren Jahren wird die Lernmittelkostenentlastung durch einen Landesanteil in Höhe von 5 Millionen € und durch Einnahmen aus Leihgebühren in Höhe von ca. 2,6 Millionen € finanziert. Hierzu hat sich zumindest bisher bildungspolitischer Konsens eingestellt.

Die Leihgebühr wird grundsätzlich entsprechend der Anzahl der entliehenen Lernmittel erhoben. Sie beträgt 3 € je Einheit und pro Jahr. Kinder und Jugendliche, für die Hilfe zur Erziehung in stationärer Form durch den örtlichen Träger der Jugendhilfe geleistet wird, Empfänger von Leistungen nach der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach SGB II, Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII und Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zahlen eine verminderte Gebühr in Höhe von 1 € pro Schulbuch als Druckausgabe oder als digitales Lernmittel pro Jahr. Übrigens kostet das digitale Lernmittel auch Geld, das ist nicht gebührenfrei. Für Mehrkindfamilien reduziert sich die Leistungsgebühr ab dem dritten schulpflichtigen Kind auf 2 € und ab dem fünften schulpflichtigen Kind auf 1 € pro Schulbuch als Druckausgabe oder als digitales Lernmittel pro Jahr.

Was heißt das nun in der Praxis? - Bei Teilnahme am Ausleihverfahren gegen Gebühr wären bei Zahlung des Regelsatzes von 3 € pro Buch und ca. zehn Büchern, die auszuleihen sind, für ein Kind insgesamt 30 € zu entrichten. Das entspricht dem Kaufpreis von maximal zwei Schulbüchern oder sogar nur einem Schulbuch je nach Jahrgangsstufe und Fach. So teuer ist ein Schulbuch. Es kostet immer ca. 20 € im Schnitt. Manche sind noch ein bisschen preiswerter. Diese Summe verringert sich nochmals erheblich auf entweder 20 € oder 10 €, wenn einer der beschriebenen Minderungstatbestände geltend gemacht werden kann. Das gilt übrigens für digitale oder analoge Lernmittel gleichermaßen.

Eine einfache Erweiterung des Kreises derjenigen, die für eine reduzierte Leihgebühr zum Ansatz gebracht wird, ist aus meiner Sicht an dieser Stelle zu kurz gedacht. Eine Vielzahl von Ermäßigungen für öffentliche Leistungen und direkte Zuschüsse bilden immer ein komplexes System. Man muss sich einmal vorstellen, was Schule sowieso alles schon leisten muss. Wenn man dann noch kontrollieren muss, wer welche Leistung erhält - das machen sie schon  , aber wenn man dann noch darüber hinausgeht, dann verliert man den Überblick.

Es gilt erst einmal das große Ganze zu betrachten, bevor wir an einzelnen Stellschrauben drehen. Ich bitte darum, dass wir uns gern auch im Sinne des Alternativantrags der Koalitionsfraktionen im Fachausschuss über dieses Thema weiter austauschen. - Vielen Dank.


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Frau Feußner, Herr Lippmann hat dazu eine Frage. Diese kann er jetzt stellen. Wir sind im Dreiminutenmodus. - Sie haben also maximal eine Minute Zeit.


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Feußner, ich erinnere mich noch ziemlich genau an die Zeit, als diese Leihgebühr eingeführt wurde. Sie hat damals dazu geführt, dass sich das gesamte System massiv verteuert hat; denn die Lehrbücher konnten dann nicht mehr, wie wir das vorher die ganzen Jahre lang gemacht haben, sechs, sieben oder acht Jahre lang benutzt werden, sondern sie mussten nach einer Vereinbarung mit den Verlagen - denn sie waren aus der Urheberrechtsregelung, der Kostenfreiheit herausgefallen - spätestens nach vier Jahren praktisch entsorgt werden.

Der vierte Besitzer des Buches bekam diese dann sozusagen zwangsweise mit nach Hause. Diese Bücher mussten aus dem Bestand herausgenommen werden, sodass wir einen viel, viel größeren Umlauf dieser Bücher haben, die natürlich auch teuer waren. Das Geld der Eltern ging komplett an die Verlage und ist dem Land eigentlich gar nicht zugutegekommen. Ist das bis heute so?


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Sie können antworten.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Es gibt Verträge mit den Verlagen; das ist klar. Wir bekommen entsprechende Vergünstigungen. Das sind Vertragsverhandlungen, die das Land bzw. die das Ministerium mit den Verlagen führt. Ich muss nach vier Jahren zwar neue Schulbücher kaufen, das ist richtig, aber ich muss die alten Bücher nicht vernichten. Die können weiterhin als Klassensätze benutzt werden und sie werden auch gebraucht.

Zudem gibt es gewisse Maßnahmen im Zusammenhang mit der Sorgfalt, die vonseiten der Kinder und Jugendlichen bzw. der Schüler umgesetzt werden müssen. Wir wissen, wie man mit etwas umgeht, wenn es nichts kostet. Deshalb haben wir uns damals - ich kann mich noch gut daran erinnern - für eine Leihgebühr entschieden, weil dies einen gewissen Anspruch an den Erhalt des Arbeitsmaterials stellt. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)