Tagesordnungspunkt 18

Beratung

Hilfe für Hilfeleistende jetzt! Katastrophenschutz stärken!

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/3604

Alternativantrag Fraktion AfD - Drs. 8/3657


Herr Henke bringt den Antrag ein. - Bitte.


Andreas Henke (DIE LINKE): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Innenministerin, die vergangenen Jahre haben uns an einer Reihe von Ereignissen deutlich gemacht, dass es eine Vielzahl von Herausforderungen gibt, die einen wirksamen, einen resilienten und effektiven Bevölkerungs- und Katastrophenschutz notwendig machen.

Wir alle wissen: Aus einer anfänglich kleinen Ereignislage kann sehr schnell eine große Gefahr entstehen, die dann nur noch mit größtem Aufwand bekannt werden kann. Erlebbar war dies bei den Waldbränden im Hochharz im Sommer 2022. Mehr als eine Woche hatten fast 500 Feuerwehrleute täglich gegen die Flammen angekämpft. Unterstützt wurden Sie dabei von italienischen Löschflugzeugen, von Feuerwehrkräften aus Niedersachsen, vom Technischen Hilfswerk sowie von Hubschraubern der Landes- und der Bundespolizei. Wanderer, Urlauber, Ausflügler mussten in Sicherheit gebracht werden.

Der Großbrand selbst hatte Schäden und Kosten in Millionenhöhe verursacht. Und im Nachgang zu diesem Katastrophenfall gab es eindringliche kritische Hinweise sowohl vom Landrat des Harzkreises als auch vom Landesfeuerwehrverband. Beide forderten bessere Konzepte zur Bekämpfung von Bränden. Ein weiteres Großfeuer unterhalb des Brockens im vergangenen Jahr hatte diese Debatte um Waldbrandgefahren und Schutzmaßnahmen erneut angefacht.

Dass aus einem angenommenen Szenario, wie zur Landeskatastrophenschutzübung Hochwasser 2023, auch sehr schnell ernste Realität werden kann, haben wir nach tagelang anhaltenden Regenfällen, hochwasserführenden Flüssen und Überflutungen zum Jahresende 2023 im Süden des Landes erfahren müssen.

Was am 23. November letzten Jahres im Zusammenwirken der Katastrophenschutzstäbe mit den Feuerwehren, dem Technischen Hilfswerk, Hilfsorganisationen, Polizei und Bundeswehr, von der Schadensbekämpfung, der Logistik der Evakuierung, Unterbringung, Versorgung und Verpflegung bis zur Beseitigung eingetretener Schäden noch geübt wurde, musste sich ab dem vorletzten Tag des Jahres in der Praxis beweisen, als der Landrat des Kreises Mansfeld-Südharz aufgrund des Hochwassers den Katastrophenfall feststellte und damit die Organisation, die Koordination aller Abwehr- und Rettungsmaßnahmen auf die Ebene des Landkreises überging. 

Ein bis an den Rand gefüllter Stausee in Kelbra, anhaltend hohe Pegelstände, aufgeweichte Deiche haben die Menschen in der Region in der Tat bangen lassen. Das Landesverwaltungsamt hatte während der Dauer der Katastrophe sage und schreibe 45 Einsatzaufträge in der überörtlichen Hilfe an die Fachdienste des Katastrophenschutzes, des Brandschutzes, der Wasserrettung, der Betreuung und Versorgung erteilt. 

Mehr als 2 000 Einsatzkräfte - die an dieser Stelle unsere größte Hochachtung verdienen - haben, bis an ihr Limit gehend, Schlimmstes verhindern können. Dafür sei ihnen ausdrücklich gedankt. 

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dennoch gibt es Frust, zuerst bei den Betroffenen im Hochwassergebiet, die ihre Häuser verlassen mussten, deren Wohn- oder Gewerbegrundstücke und Landwirtschaftsflächen überflutet wurden - die teilweise heute noch unter Wasser stehen - und die noch nicht abschätzen können, wie hoch die Summe der Schäden sein wird und vor alle Dingen, wer dafür aufkommt. 

Erhebliche Kritik gab es am Staumanagement des Talsperrenbetriebs, die ich jedoch an dieser Stelle nicht weiter kommentieren möchte. Denn mir fehlen für eine sachliche Beurteilung schlichtweg die Kenntnisse und ein objektives Bild. 

Es sind aber nicht nur klima- oder wetterbedingte Großschadensereignisse, die einen gut aufgestellten - vor allen Dingen mit gut ausgebildeten beruflichen und ehrenamtlichen sowie gut ausgestatteten Einsatzkräften  , einen gut organisierten Bevölkerungsschutz erfordern. 

Hinzu kommen große Gefahrenpotenziale - Sie kennen es aus dem Betrieb von Chemieanlagen  : technische Havarien an Gefahrgutanlagen, mögliche schwere Unfälle mit Gefahrguttransporten, mögliche Havarien an kritischer Infrastruktur mit lang anhaltenden Versorgungsausfällen und nicht zuletzt auch Risiken, die sich aus einer Veränderung, einer Verschärfung einer fragiler gewordenen geopolitischen Lage ergeben. 

Potenziert wird dies alles noch durch die großen finanziellen Herausforderungen, vor denen unsere Landkreise stehen, vor denen das Land steht; auch vor dem Hintergrund der Kürzungen, die für den Bundeshaushalt im Katastrophenschutz vorgesehen sind. 

Bevölkerungs- und Katastrophenschutz ist als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe in der gemeinsamen Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen ein zentrales Element in der Daseinsvorsorge, das aber, insbesondere auf kommunaler Ebene, zu großen Teilen von ehrenamtlichen Einsatzkräften, den Kameradinnen und Kameraden der freiwilligen Feuerwehren, den Kräften des Technischen Hilfswerks oder den Verbänden unterschiedlicher privater Hilfsorganisationen am Funktionieren gehalten wird. Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, sind eben das Rückgrat im integrierten Hilfeleistungssystem in Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Auch das wissen wir. Dort agieren keine Laien, sondern gut ausgebildete und vor allen Dingen auch hoch motivierte Einsatzkräfte. Ich denke, das ist eine besondere Stärke in der erfolgreichen Bewältigung von Krisen- und Gefahrensituationen. 

Aber sie wird auch nicht selten auf die Probe gestellt, weil z. B. eine kleine Ortsfeuerwehr ein weiteres Jahr mit einer eigentlich musealen Technik auskommen muss, ihren Dienst erbringen muss. Denn das Geld für eine längst überfällige Ersatzbeschaffung kann in den Haushalt der Gemeinde nicht eingestellt werden. 

Ich hatte in der jüngsten Debatte im vergangenen Jahr zur Neuausrichtung des Katastrophenschutzgesetzes vom Kollegen Erben das Beispiel der Gemeinde Huy im Harzkreis in die Debatte eingebracht. Die Gemeinde Huy hatte bei der Aufstellung ihres Brandschutzbedarfsplans zwar die notwendigen Substituierungen an Technik und Ausrüstung aufgeführt, das jedoch ohne Fristsetzung. Erwartungsgemäß wurde dieser Bedarfsplan natürlich von der entsprechenden Behörde des Landkreises kritisiert. Er musste überarbeitet werden. Nun liegt diese Überarbeitung vor. Aus dem Müsste ist ein Muss geworden. Allerdings fehlt dafür immer noch das Geld. 

In derselben Debatte zu einem zu reformierenden Katastrophenschutz hatte ich ebenso auf die Kritik der Landesarbeitsgemeinschaft der Hilfsorganisationen hingewiesen. Viele aus dem Plenum waren am 23. Juni vergangenen Jahres beim Parlamentarischen Abend der Hilfsorganisationen anwesend, selbstredend auch Frau Innenministerin. 

Dort wurden die aus den Erkenntnissen zur Bewältigung des Hochwassers 2013 formulierten Kritiken und Forderungen erneut vorgebracht, weil sie bis heute nur teilweise, nur ungenügend oder gar nicht berücksichtigt worden sind. 

Im Kern ging es ihnen um die Schaffung einer ständigen Institution zur zentralen Steuerung der Budgetierung mit transparenten, landesweit geltenden Fördermöglichkeiten für den Katastrophenschutz. Es ging um einen regelmäßigen Austausch im Rahmen eines Gremiums zwischen den Aufgabenträgern und den Organisationen des Katastrophenschutzes unter Führung der Landesverwaltungsbehörde. Es ging um eine engere Verzahnung und Abstimmung der Leistungserbringer in den Bereichen Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Brandschutz und Hilfeleistung sowie um eine immer noch ausstehende gesetzliche Helfergleichstellung, um Einsatzkräfte abzusichern, um aber auch die Mitarbeit im Katastrophenschutz, im Bevölkerungsschutz wesentlich attraktiver zu machen. 

Werte Kolleginnen und Kollegen! Große Schadensereignisse werden immer vor Ort bewältigt. Diese Krisenbewältigung wird mehr und mehr auch zur Daueraufgabe für freiwillige Feuerwehren und anerkannte Hilfsorganisationen. Deshalb brauchen die, die das leisten, unsere volle Unterstützung für die Vorsorge bei der finanziellen Ausstattung, bei der Beschaffung, beim Vorhalten materieller Ressourcen und personeller Kompetenzen sowie beim regelmäßigen partnerschaftlichen und fachlichen Austausch. 

Unser Antrag, werte Kolleginnen und Kollegen, ist keine Aufforderung zum Reset, zum völligen Neustart, sondern er soll ein Impuls für eine solide, umfängliche Bestandsaufnahme und einen offenen Austausch aller Verantwortlichen im Hilfeleistungssystem sein, um künftig größeren Herausforderungen einfach besser begegnen zu können. In diesem Sinne bitte ich Sie um Ihre Zustimmung für eine Überweisung in den Innenausschuss.- Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der LINKEN)