Nicole Anger (DIE LINKE): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Kinderschutz und Kindeswohl sind ohne Frage wichtige Aufgaben für uns. Das Bundeskinderschutzgesetz hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass es eine hohe Sensibilität für mögliche Kindeswohlgefährdungen gibt.

Auch Ärzt*innen

(Lothar Waehler, AfD: Wer?)

haben damit eine klare rechtliche Grundlage, wenn sie ein misshandeltes oder vernachlässigtes Kind in ihrer Praxis sehen. Sie können sich dann an eine sogenannte insoweit erfahrene Fachkraft, und zwar für den Kinderschutz, wenden. Auch die Datenübermittlung an das Jugendamt kann rechtssicher erfolgen.

Nicht geregelt sind allerdings - deswegen debattieren wir hier heute - die kollegiale Fallberatung vorab genauso wenig wie die Einschätzung zweier Ärzt*innen unabhängig voneinander. So könnte entweder dem Kind schneller geholfen oder aber Eltern könnten von dem Verdacht entlastet werden. Diesbezüglich, meine Damen und Herren, ist der Antrag der Koalition auf einem guten Weg. Man merkt deutlich Ihr Bemühen.

Allerdings müsste man das nicht erst noch lange prüfen. Denn das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, genauer gesagt der § 4 im Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz, ermöglicht es bereits, den ärztlichen Informationsaustausch auf Landesebene zu regeln.

Wir haben es schon gehört: Nordrhein-Westfalen und Bayern haben das bereits in ihren Heilberufegesetzen umgesetzt. Man kann aber noch hoffen, dass das MS das zeitnah in den entsprechenden Gesetzentwurf aufnehmen wird. 

Um es vorweg zu sagen: Wir werden Ihrem Antrag natürlich zustimmen, weil wir das als eine wichtige Regelung erachten, wenngleich eine Umsetzung auch ohne eine vorherige lange Prüfung erfolgen könnte und man an der Stelle somit keine wertvolle Zeit verlieren würde.

Der Antrag, meine Damen und Herren, darf aber keineswegs suggerieren, dass Kinderschutz und Kindeswohl allein eine Aufgabe von Ärzt*innen sei. Kinderschutz ist eine Aufgabe von gut funktionierenden und stabilen Netzwerken. Gerade vor dem Hintergrund der steigenden Zahlen von Meldungen von Kindeswohlgefährdungen brauchen wir im Land kontinuierliche Strukturen.

Umso fataler ist es, dass zum einen die Fachstelle zur grundlegenden Begleitung und Umsetzung von Präventionsmaßnahmen im Kontext der Prävention sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen noch immer nicht eingerichtet wurde. Trotz des vermeintlich hohen Landesinteresses wurde dies vom Sozialministerium nun auf 2025 verschoben - ein Fehler.

Darüber hinaus werden in diesem Land fachliche Expertisen wie die der Servicestelle Kinder- und Jugendschutz mit der durch das Sozialministerium geforderten und den Stimmen der Koalition im Landeshaushalt beschlossenen Beendigung der Förderung zunichtegemacht. Das, meine Damen und Herren, ist keine Stärkung des Kinder- und Jugendschutzes in diesem Land.

Liebe Kolleg*innen der Koalitionsfraktionen! Kinderschutz muss ganzheitlich gedacht werden. Die beiden Vorgehen, die ich eben nannte, stehen im deutlichen Widerspruch zu Ihrem heutigen Antrag. 

Meine Damen und Herren! Wir müssen aber auch über die Unterstützung und die Stärkung der Mitarbeitenden in den Jugendämtern reden. Sie brauchen gute Rahmenbedingungen, um zum Wohle der Kinder agieren zu können. Sie brauchen gute Rahmenbedingungen, um auch schon präventiv wirksam sein zu können.

Ihre Überlastung ist keineswegs eine neue Information für Sie hier heute. Seit Jahren wird darauf verwiesen, dass die Mitarbeitenden im Allgemeinen Sozialen Dienst mit viel zu vielen Fällen betraut sind. Sie können sich dem Wohle der Kinder gar nicht adäquat widmen.

Zudem sind zunehmend fehlende Betreuungsplätze in der Jugendhilfe zu verzeichnen. Damit kommt es zu verzögerten Inobhutnahmen und viel zu langen Verbleibzeiten von Kindern und Jugendlichen in Kinder- und Jugendnotdiensten. Auch werden Standards aufgeweicht. Man weicht mehr und mehr von Qualitätskriterien ab, wenn jetzt sogar der Wachschutz die Betreuungsaufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe übernehmen soll.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Kinderschutz ist ganzheitlich zu denken. Deswegen werden meine Fraktion und ich uns weiterhin für einen guten und vernetzten Kinderschutz sowie einen hochqualifizierten Kinderschutz in diesem Land einsetzen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)