Aktuelle Debatte

Rassistische Pläne zur Vertreibung von Zuwanderern und Deutschen: Bedrohung des inneren Friedens, Gefährdung von Verfassungsordnung und Wohlstand

Antrag Fraktion SPD - Drs. 8/3628


Die Redezeit beträgt je Fraktion zehn Minuten, die der Landesregierung ebenfalls. Es wurde die folgende Reihenfolge vereinbart: SPD, AfD, FDP, DIE LINKE, GRÜNE und CDU. Zunächst hat die Antragstellerin das Wort. Für die SPD spricht Frau Dr. Katja Pähle. - Bitte sehr.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Katja Pähle (SPD): 

Vielen Dank. Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Debatte zu beantragen war für uns als Sozialdemokraten eine Selbstverständlichkeit. Es ist unabweisbar, dass der Landtag über die ungeheuerlichen Pläne spricht, die heute vor genau zwei Monaten in der Nähe von Potsdam bei einem Treffen notorischer Rechtsextremisten beraten wurden.

Nachdem die journalistische Rechercheplattform „Correctiv“ die Inhalte und Teilnehmer dieser Veranstaltung enthüllt hat, kann ein deutsches Parlament dazu nicht schweigen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Und ich sage es ganz deutlich: Das gilt erst recht für einen Landtag, in dem an herausgehobener Stelle als Fraktionsvorsitzender jemand sitzt, der die rassistischen Ziele des Potsdamer Treffens offensichtlich teilt und unterstützt.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Wörtlich!)

Allerdings ist unser Antrag in einem wichtigen Punkt veraltet: Tausende von Menschen haben gegen die Pläne protestiert; das haben wir geschrieben. Das stimmt natürlich nicht mehr.

(Olaf Meister, GRÜNE: Das ist richtig!)

Und wir korrigieren uns mit großer Freude. Viele Hunderttausend Menschen,

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

weit mehr als eine Million haben überall in Deutschland gegen die Gefahr von rechts demonstriert. Die große demokratische Mehrheit in unserem Land hat Flagge gezeigt und zeigt Flagge, und zwar in Ost und West, auch in Sachsen-Anhalt.

In Magdeburg, in Burg, in Dessau und ganz besonders in meiner Heimatstadt Halle, in der am letzten Samstag eine Kundgebung mit mehr als 16 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern stattfand, haben die Menschen deutlich gezeigt, was sie von den menschenverachtenden Plänen halten. Das war und ist eine große Genugtuung für die Demokratinnen und Demokraten.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN) 

Und das gibt Anlass zu Optimismus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was im Hotel bei Potsdam besprochen wurde, ist aus den Presseveröffentlichungen hinlänglich bekannt. Es ist aber wichtig festzuhalten, worum es dort nicht ging: Es ging nicht um die Abschiebung von Menschen, die in Deutschland um Asyl nachgesucht haben, die in einem rechtsstaatlichen Verfahren keinen solchen Schutz erhalten haben und die deshalb zur Ausreise verpflichtet sind.

Vielmehr geht es unter dem zynischen Begriff „Remigration“ um die massenhafte Deportation von Ausländerinnen und Ausländern, die ein verbrieftes Recht haben, in Deutschland zu leben. Es geht um die Ausweisung und Ausbürgerung auch von Deutschen, die selbst oder deren Eltern zugewandert sind und eingebürgert wurden. Und es geht darum, Deutsche auch ohne Migrationsgeschichte gleich mit loszuwerden, weil sie politisch missliebig sind.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Dieser sogenannte Masterplan, in Potsdam maßgeblich vorgebracht von Martin Sellner aus Österreich, ist getragen von der biologischen Vorstellung eines homogenen deutschen Volkskörpers, den es nie gegeben hat und nie geben wird.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Die Teilnehmer des Potsdamer Treffens wollen nach ihren kruden Vorstellungen sortieren, wer dazugehört und wer nicht. Dieser Ansatz ist unbestreitbar verfassungswidrig. Er folgt einem ausschließlich an ethnischen Kategorien orientierten Begriff des Volkes, den das Bundesverfassungsgericht im zweiten NPD-Verbotsverfahren als verfassungsrechtlich unhaltbar und als Missachtung der Menschenwürde eingeordnet hat.

Es ist kein Wunder, dass viele Historiker und Politikwissenschaftler hier eine direkte Traditionslinie zum Nationalsozialismus sehen. Das, was in Potsdam verhandelt wurde, ist fundamental gegen die Interessen unseres Volkes gerichtet,

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

weil seine Umsetzung den Zusammenbruch der Volkswirtschaft und die völlige internationale Isolierung Deutschlands auslösen würde. Die Menschen, die am Wochenende demonstriert haben, haben diesen Plan als das erkannt, was er ist, nämlich eine Kampfansage an alle, denen die Werte des Grundgesetzes wichtig sind.

Sie, Herr Siegmund, haben zwei Dinge geschafft: Sie haben durch Ihre Teilnahme in Potsdam für alle sichtbar gemacht, dass die AfD ein fester Bestandteil einer rechtsextremen Formation ist, die die Axt an die demokratische Grundordnung unseres Landes legt. Und Sie haben mit der Aussage - ich zitiere aus den Veröffentlichungen - „Das Straßenbild müsse sich ändern, ausländische Restaurants unter Druck gesetzt werden.“,

(Ulrich Siegmund, AfD: Alles falsch, Schwachsinn!) 

geschafft, dass wirklich jeder und jedem plastisch klargemacht wurde: AfD-Politik macht unser Land ärmer, unser Leben trister und sogar unser Essen langweiliger.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Deutschland steht an einem Scheideweg. Es geht darum, ob unser Land seinen weltoffenen Charakter behält und eine sichere Heimat für alle ist, die hier leben. Es geht darum, ob wir Zuwanderung stärken und die Menschen willkommen heißen, die unseren Arbeitsmarkt beleben und die wir dringend brauchen,

(Ein Abgeordneter der AfD lacht) 

in Schulen, Gastronomie, Forschung, Industrie und auch sonst fast überall - der Wirtschaftsminister ist dazu vorhin gefragt worden  ,

(Zurufe von der AfD) 

oder ob es eine rassistische Minderheit schafft, durch Drohszenarien wie das von Potsdam, Menschen zu ängstigen, die sich schon jetzt in Deutschland häufig nicht mehr sicher fühlen, und ob dadurch womöglich auch Menschen von der Einwanderung nach Deutschland abgeschreckt werden, die Menschen, die Intel händeringend erwartet, genauso wie der Malermeister von nebenan.

Auf der Bundesebene sind in jüngster Zeit wichtige Weichen für Zuwanderung gestellt worden mit dem neuen Einwanderungsrecht, weil für die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften viele Hürden abgebaut und Verfahren beschleunigt werden müssen, und auch mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht; denn auch derjenige, der vergebens Asyl beantragt hat, ist deswegen noch längst nicht illegal, sondern ein Mensch mit Stärken und Potenzialen, auch für den Arbeitsmarkt.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Und mit dem gerade verabschiedeten Staatsbürgerschaftsrecht zeigen wir deutlich: Wer dauerhaft hier lebt und unsere Rechtsordnung anerkennt, kann Deutscher oder Deutsche werden und bleibt es auch.

(Zuruf von der AfD)

Dieser Kurs muss fortgesetzt werden, damit auch die Länder und die Kommunen diesen Rechtsrahmen nutzen können, um ihren Beitrag zur Arbeitskräftezuwanderung und für eine erfolgreiche Integration leisten zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um den weltoffenen Charakter und die Ausstrahlung Deutschlands nach außen haben sich die Demonstrantinnen und Demonstranten vom Wochenende verdient gemacht. Und es geht weiter: heute auch hier auf dem Domplatz vor dem Landtag.

Allein in Sachsen-Anhalt sind zudem Kundgebungen in Stapelburg, Seehausen, Tangermünde, Tangerhütte, Stendal, Sangerhausen, Blankenburg, Quedlinburg, Lutherstadt Wittenberg, Aschersleben, Naumburg, Weißenfels, Schönebeck, Zeitz und Schnellroda angekündigt worden.

(Eva von Angern, DIE LINKE: In Gardelegen auch!)

Das ist der viel beschworene Aufstand der Anständigen. - Ich höre gerade, es gibt noch andere Orte.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Ja!)

Das ist der viel beschworene Aufstand der Anständigen. Und die anständigen Bürgerinnen und Bürger haben ein klares Signal gesetzt: Bis hierher und nicht weiter!

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Aber wehrhafte Demokratie ist nicht nur eine Sache der Zivilgesellschaft. Auch der Staat ist gefordert, und zwar nicht nur der Verfassungsschutz. Der Rechtsstaat hat ein breites Instrumentarium, um seine Feinde in die Schranken zu weisen:

Das Verbot und die Auflösung verfassungsfeindlicher Organisationen. In diesem Zusammenhang hat die Diskussion über die Junge Alternative bereits begonnen.

Ein Einreiseverbot für Ausländer, die in Deutschland unsere Staatsordnung bekämpfen. Was für islamistische Gefährder gilt, ist für einen rassistischen Agitator wie Martin Sellner, ehrlich gesagt, auch nur recht und billig.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU, von Andreas Silbersack, FDP, und von Guido Kosmehl, FDP)

Dabei können Grenzkontrollen wirklich etwas bringen. 

Das Austrocknen staatlicher Finanzquellen für verfassungsfeindliche Parteien. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu bereits im zweiten NPD-Verfahren den Weg gewiesen. Wie wir seit dem Urteil vom Dienstag wissen, funktioniert das auch.

Natürlich müssen die zuständigen Verfassungsorgane auch die Aussicht auf ein Verbotsverfahren gegen die AfD prüfen. Die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes haben dieses Instrument nicht geschaffen, damit es in Zeiten von Bedrohung im Grundgesetz verstaubt. Aber ein Parteiverbot, das sage ich ganz deutlich, ist keine politische Waffe,

(Zuruf von der AfD: Eben doch!)

sondern eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ausschließlich nach Recht und Gesetz.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Was wir hier im Landtag tun können und tun müssen, das werden wir diskutieren, wenn der Abwahlantrag gegen Herrn Siegmund als Vorsitzender des Sozialausschusses zur Abstimmung kommt.

Wenn wir im nächsten Monat, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, hier im Landtag zusammenkommen, wird die Sitzung durch einen Festakt aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums zur Gründung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold im Jahr 1924 unterbrochen.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Pähle, kommen Sie bitte zum Ende.



Dr. Katja Pähle (SPD):

Ein kurzes Zitat noch. Zu den Politikern, die auch im Reichsbanner aktiv waren, gehört Josef Wirth, Vertreter des Christlichen Zentrums und ehemaliger Reichskanzler. Bereits im Jahr 1922 prägte er folgendes Zitat, und ich will es gerne hier wiederholen: 

„Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. Da steht der Feind - und darüber ist kein Zweifel: Dieser Feind steht rechts.“

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Sven Czekalla, CDU, von Andreas Silbersack, FDP, und von Guido Kosmehl, FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Pähle, es gibt zwei Fragewünsche, von Herrn Köhler, AfD, und von Herrn Tillschneider, AfD. Wollen Sie die beantworten? - Offensichtlich ja. - Herr Köhler, Sie haben die Chance, ihre Frage zu stellen. - Bitte sehr.


Gordon Köhler (AfD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Frau Dr. Pähle, wenn ich zu unserem nördlichen Nachbarn, nach Dänemark, schaue, dann muss ich feststellen, dass man dort die Asylzahlen auf Null drücken möchte. Es gab dort den Plan, dass Dänemark kein Platz für illegale Migration ist. Es wurden dort Ruanda-Pläne diskutiert. Es gab sogar ein Schmuckgesetz, nach welchem Asylbewerbern der Schmuck an der Grenze ab einem bestimmten Wert abgenommen wird. Jetzt möchte ich von Ihnen wissen, ob Sie diese Asylpolitik der dänischen Sozialdemokraten ebenfalls für rassistisch halten.

(Beifall bei der AfD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Herr Köhler, seit den Veröffentlichungen von „Correctiv“ befindet sich die AfD in einem Prozess von „das ist anders gemeint“, „das haben wir so nicht gesagt“, „die Bilder auf den Straßen sind KI-gesteuert“, „das sind alles Fake News“, „Diskutanten und Demonstranten werden durch Medien instrumentalisiert“.

(Dr. Jan Moldenhauer, AfD: Sie sollen die Frage beantworten!)

Was Sie hier machen, ist genau das Gleiche, nur auf einer anderen Ebene.

(Ulrich Siegmund, AfD, lacht)

Ich sage Ihnen ganz deutlich - das habe ich in meinem Redebeitrag auch gesagt  : 

(Daniel Roi, AfD: Antworten Sie doch einfach!)

- Herr Roi, das entscheide ich.

Rechtsstaatliche Rahmensetzungen, auch hier in Deutschland, z. B. für die Ausreiseverpflichtung und Abschiebung von abgewiesenen Asylbewerbern, ist auch sozialdemokratische Fassung.

Was Sie dort besprochen haben, nicht Sie in Person, sondern die Vertreter in Potsdam unter Anwesenheit Ihres Fraktionsvorsitzenden, ist kein rechtsstaatliches Verfahren. Es ist der bewusste Plan der Deportation von Menschen, die ein Recht haben, hier zu bleiben. Und das ist der Unterschied.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Tillschneider, Sie haben das Wort.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Frau Pähle, Sie wissen ja sehr genau, was auf diesem Treffen besprochen wurde. Sie wissen es genauer, als „Correctiv“ es mittlerweile zu behaupten wagt.

(Oliver Kirchner, AfD, lacht)

Deshalb frage ich Sie, haben Sie eigene Quellen oder waren Sie selbst dabei?

(Beifall bei der AfD)


Dr. Katja Pähle (SPD):

Herr Tillschneider, Ihre süffisante Art nach dem Motto, ob ich da selbst dabei war, habe ich wohl wahrgenommen. Ganz ehrlich: Sagen Sie mir ein Zitat aus meiner Rede, von dem Sie meinen, ich weiß mehr, als „Correctiv“ veröffentlicht hat.

(Zuruf von Ulrich Siegmund, AfD)

Wenn Sie mir das nachweisen können, dann können wir weiter diskutieren. - Herzlichen Dank. 

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)