Wulf Gallert (DIE LINKE): 

Wir haben im nächsten Jahr Europawahlen, und natürlich werden wir diese Debatten führen müssen, auch was die Frage der EU-Erweiterung und die Frage der Ukraine anbelangt. Aber eines dürfte uns allen doch klar sein: Ein Antrag der AfD und eine Dreiminutendebatte in diesem Landtag ist dafür nicht der richtige Platz. Deswegen will ich mich auf etwas ganz anderes konzentrieren, nämlich darauf, dass es den Positionen der AfD an sich, übrigens auch in diesem Antrag, an jeder Logik fehlt.

Also, ich stelle fest: Zwei AfD-Redner zu demselben Thema vertreten völlig bipolare Positionen. 

Ich will beispielhaft nur auf eine Stelle hinweisen. In dem Antrag ist die Rede davon, dass man die EU davor bewahren müsse, mit einem Beitritt der Ukraine handlungsunfähig bzw. überfordert zu werden.

Ich lese einmal vor, was in dem in Magdeburg beschlossenen AfD-Wahlprogramm zur Europäischen Union steht. Darin steht: Wir halten die EU für nicht reformierbar und sehen sie als gescheitertes Projekt an.

(Zuruf von der AfD: Richtig!)

Dieses gescheiterte Projekt will man jetzt bewahren, will man schützen, indem man die Ukraine nicht aufnimmt.

(Zurufe von der AfD)

Sehen Sie denn nicht selbst, welchen logischen Widerspruch Sie hier realisieren?

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der AfD - Unruhe)

Das ist doch klar. Sie sagen, die EU sei nicht reformierbar.

(Zurufe von der AfD)

Sie wollen sie auflösen und stellen hier einen Antrag nach dem Motto „Wir müssen die EU vor der Ukraine schützen“. Das ist die typische AfD-Logik, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN - Unruhe bei der AfD)

Ich sage dazu: Mit der AfD über solche Dinge zu diskutieren ist, wie mit einer Taube Schach zu spielen. In dem Augenblick, in dem sie am Zug ist, schmeißt sie die Figuren um, scheißt aufs Brett, fliegt davon und sagt, sie habe gewonnen. Das ist das Debattenniveau der AfD.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der AfD - Unruhe bei der AfD)

Gucken Sie sich doch einmal den Antrag an. 

(Unruhe)

Im ersten Absatz steht: „Die Voraussetzungen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine sieht die EU-Kommission als nahezu erfüllt an.“ - Jetzt warnen Sie davor.

Im zweiten Absatz heißt es: 

„Alle Berichte zum Sachstand [der EU-Kommission] in den einzelnen Ländern sowie zahllose Tagungen und Konferenzen kommen zum […] Ergebnis, dass die Voraussetzungen für einen Beitritt in die EU nicht erfüllt sind.“ 

Das ist übrigens logisch. Das ist bei allen Ländern der Fall, mit denen man Beitrittsverhandlungen beginnt. Die beginnt man nämlich deshalb, weil die Voraussetzungen für einen Beitritt noch nicht klar, eindeutig und erfüllt sind. Das ist doch in sich logisch.

Ich meine, wenn Sie einmal Ihren eigenen Antrag nach logischen Kriterien prüfen würden, dann müssten Sie eigentlich sehen, dass das, was Sie hier aufgeschrieben haben, in sich völlig widersinnig ist.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Deswegen weigere ich mich, über dieses wirklich wichtige Thema „Ukrainebeitritt zur Europäischen Union“, das eine komplizierte Geschichte ist, auf der Grundlage eines solchen Murkses überhaupt zu diskutieren. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der AfD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Gallert, es gibt eine Intervention von Herrn Dr. Tillschneider. - Herr Dr. Tillschneider, bitte.

(Zuruf: So was!)

Ja, gut, jetzt geht er. Aber: Besser, er geht; denn er wird eh nichts zu antworten wissen.

(Zurufe)

Diese billige Rabulistik und dieser untaugliche Versuch, einen Widerspruch zu konstruieren, weise ich zurück. Ich erkläre es Ihnen jetzt einmal. Sie haben uns gewissermaßen vorgeworfen, dass wir die EU auflösen wollen - richtig? -

(Zuruf: Quatsch!)

und dass wir aber jetzt sozusagen die Ukraine nicht aufnehmen, um die EU zum Kollabieren zu bringen. Das ist gewissermaßen, was Sie uns vorwerfen. 

(Unruhe)

Wir stellen fest: Die Aufnahme der Ukraine in die EU würde der EU schaden. Damit wir nach Ihnen widerspruchsfrei handeln, müssten wir jetzt eigentlich sagen: „Komm, Ukraine, rein in die EU!“, damit die EU, die wir abschaffen wollen, kollabiert. Aber: Das ist Schwachsinn. So denken vielleicht Sie. So denken wir nicht. Wir denken konstruktiv.

(Lachen bei der CDU - Zurufe: Ach Quatsch! - Was soll denn das?)

Wir sagen: Die EU muss natürlich kontrolliert zurückgefahren und rückabgewickelt werden.

(Zurufe von den GRÜNEN und von der SPD)

Gerade weil sich dieses Konstrukt in einem Reformprozess befindet nach unserer Vorstellung, da wir es reduzieren und gründlich reformieren wollen, würde es doch schaden, zu diesem Zeitpunkt die Ukraine aufzunehmen. Das ist eine absolut konsistente und nicht widersprüchliche Position.

(Beifall bei der AfD - Zurufe von der AfD: Genau! - Bravo!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Gallert, wollen Sie darauf reagieren? - Nein.

(Zurufe von der AfD - Unruhe)