Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Stromsperren stellen ganz ohne Zweifel eine große Härte für betroffene Haushalte dar. Herr Gallert hat völlig zu Recht beschrieben, dass wir in Sachsen-Anhalt, was die Exekution dieser Sperren betrifft, einen traurigen Spitzenplatz einnehmen. 

Aber die allermeisten Sperrungen wären jedenfalls vermeidbar. Dies gilt auch für einkommensschwache Haushalte. Denn im Jahr 2021 ist noch einmal zugunsten der Stromkunden die Grundversorgungsverordnung geändert worden. 

Wenn wir darauf schauen, dann gehen einer tatsächlichen Sperre zahlreiche Schritte voraus, in denen immer wieder Maßnahmen und Reaktionen des Kunden möglich sind. Unabhängig davon - das wissen wir alle  , dass man normalerweise Rechnungen zu bezahlen hat, hat der Lieferant nicht nur zu mahnen, sondern er muss eine Sperrung der Lieferung mit einer Frist von vier Wochen androhen, dem Kunden dann mit der Sperrandrohung Hilfsangebote unterbreiten respektive darüber informieren. 

Diese Hilfsangebote müssen ohne Mehrkosten nutzbar sein. Eine Unterbrechung der Stromlieferung ist sodann acht Tage vorher anzukündigen und zugleich eine Abwendungsvereinbarung anzubieten, und dies alles in einfacher, verständlicher Form. 

Nein, lieber Herr Gallert, es muss bei uns niemand wegen Energieschulden im Winter frieren, spätestens mit dem Hinweis des Versorgers auf konkrete Hilfsangebote. Wer aus welchen Gründen auch immer diese Hilfsangebote nicht annimmt, dem hilft auch ein Härtefallfonds nichts. 

(Andreas Silbersack, FDP: So ist es!)

Die Zahlen der Bundesnetzagentur zeigen, dass nur etwa jede 20. Sperrandrohung tatsächlich zu einer Sperrung führt. Dieses abgestufte System, das ja eine Folge der Tatsache ist - das will ich durchaus für Sie konzedieren  , dass Sie diesen Antrag seit Jahren in nahezu jedem Landesparlament und immer wieder im Bundestag stellen, hat zu Veränderungen geführt. Genau zu diesen Veränderungen, die ich gerade meine, zu diesem abgestuften Verfahren. Deshalb halte ich nichts davon, a priori und abstrakt Stromsperren zu verbieten. 

Die Energieversorger stehen in einem harten Wettbewerb. Wir wissen, dass viele Energieversorger von sich aus auf Stromsperren verzichten, obwohl sie vollzogen werden könnten. Aber sie weisen eben auch darauf hin, dass wir Stromsperren nicht nur bei zahlungsunfähigen, sondern eben auch bei zahlungsunwilligen Kunden brauchen, und zwar als Maßnahme, um diese Unwilligkeit zu überwinden. 

Deshalb - das ist an Ihrem Antrag durchaus zu begrüßen - sind Sie wenigstens so weit, zu erkennen, dass, selbst wenn man ein Stromsperrenverbot vorsieht, die dadurch nicht bezahlten Rechnungen, normalerweise nach der Systematik der Energielieferung, von den anderen getragen werden müssten. Das ist keine sehr soziale Leistung. Aber so funktioniert bei uns die Energiebepreisung. Dafür schlagen Sie nun einen Härtefallfonds vor. Aber auch dieser würde nach Ihrer Systematik den zahlungsunwilligen Kunden begünstigen.

Dann haben wir uns erkundigt, wie es eigentlich mit den Angeboten der Verbraucherzentrale in Sachsen-Anhalt aussieht. Diese wichtige Arbeit, von der Sie sprechen - sie zu loben, ist allemal richtig  , ist anerkannt; sie ist aber auch bekannt.

Die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt unterbreitet an etwa 40 Standorten im Land entsprechende Beratungsangebote, in denen unter anderem auch rechtliche Prüfungen vorgenommen werden und auch Maßnahmen zur Vermeidung von Sperrungen.

Nach Auskunft der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt sind die Beraterinnen und Berater sensibilisiert für diese spezielle Thematik. Ich betone: Es gibt nach Auskunft der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt keinen Beratungsstau im Bereich Stromsperren. 

Ein großes Problem - das sage ich vor allen Dingen, weil ich in der letzten Stunde die Nachrichten über die Einigung in der Ampel verfolgt habe - stellen die Übertragungsnetzentgelte dar. Wenn das, was wir gerade auf dem Ticker lesen können, zutrifft, nämlich dass der Zuschuss zur Dämpfung der steigenden Übertragungsnetzentgelte, den Sie angesprochen haben, tatsächlich ein Teil des Konsolidierungsprogramms ist, auf das sich die Ampel, die Ampelspitzen, verständigt hat, dann entfallen tatsächlich Bundesmittel in Höhe von 5,6 Milliarden €, die dazu beitragen würden, dass wir alle, Unternehmerinnen und Unternehmer, Verbraucherinnen und Verbraucher, ein Stück weit von weiter steigenden Netzentgelten entlastet werden würden. - Ich will es an dieser Stelle gar nicht weiter bewerten, weil ich auch nur die erste Tickermeldung dazu habe. 

Das wäre, ohne Frage, außerordentlich misslich.

(Zuruf von Angela Gorr, CDU)

Ich sage es deutlich, auch als Mitglied der Partei, die dieser Ampel vorsteht: Das wäre an dieser Stelle wirklich ein Schlag ins Kontor. 

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Die Übertragungsnetzentgelte müssen in unserem Land gerechter gestaltet werden. Dafür war dieser Zuschuss wichtig, der aus dem KTF bezahlt werden sollte. Insoweit kann man auch noch einmal jenen gratulieren, die sich darüber freuen, dass das KTF-Urteil gefällt wurde. - Was für ein Mist. Wir merken es jetzt unmittelbar bei uns. 

Sollte es tatsächlich so kommen, dann wird es an dieser Stelle zu einer Mehrbelastung aller Haushalte führen. Ein Ärgernis ohnegleichen, es ändert aber nichts daran: Stromsperren sollte man nicht verbieten. - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Prof. Willingmann. - Es gibt eine Frage von Herrn Gebhardt. - Herr Gebhardt, bitte. 


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, ich habe zwei Fragen. Die erste ist: Sie haben ja den traurigen Spitzenplatz Sachsen-Anhalts erwähnt. Welchen Grund sehen Sie denn, warum sich Sachsen-Anhalt auf diesem traurigen Spitzenplatz befindet? 

Sie haben soeben argumentiert, warum Sie unseren Antrag inhaltlich ablehnen. Meine zweite Frage ist: Welche Möglichkeit sehen Sie denn, wie wir von diesem traurigen Spitzenplatz herunterkommen können? 


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Die Frage ist vollkommen berechtigt. Natürlich versuchen auch wir, uns das irgendwie klarzumachen. Wir stellen fest, dass tatsächlich ein bereits gut vorhandenes Netz von Beratungsangebote nicht genutzt wird. Das ist ein Dilemma. 

(Andreas Silbersack, FDP: So ist es! - Zuruf von Alexander Räuscher, CDU)

Das wird aber nicht dadurch besser, dass man mehr Beratungsangebote unterbreitet, sondern dass man dafür sorgt, dass das Vorhandene ausgelastet wird. Hier liegt im Moment der Hase im Pfeffer. 

Das ist unsere Begründung dafür. Denn es müsste - ich habe ja gerade die Systematik erklärt, auch die juristische - angesichts dieser Systematik nicht abgeschaltet werden. Die Beratungsangebote werden nicht in Anspruch genommen. Wir müssen sie möglicherweise noch bekannter machen. Aber wenn ich die Auslastung insgesamt bei der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt betrachte, dann liegt es nicht daran, dass deren Angebote nicht bekannt seien. Wir müssen hinnehmen, dass sie nicht in Anspruch genommen werden.