Jörg Bernstein (FDP): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gern versuchen, jetzt wieder ein bisschen Sachlichkeit in die Debatte zu bringen und

(Beifall bei der FDP, bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Daniel Roi, AfD: Gut, reicht!)

auch meine eigenen Erfahrungen einzubringen, die ich und auch meine Frau in den letzten Jahren durchaus gewonnen haben. Meine Frau arbeitet seit vielen Jahren mit Schülern aus unterschiedlichen Herkunftsländern. Wir wissen, wie wichtig es ist, sich der Unterstützung von Muttersprachlerinnen in der Kommunikation mit Schülerinnen und Schülern zu bedienen, die der deutschen Sprache noch nicht mächtig sind.

Auch als Fraktion werden wir uns dem Thema „Integration an Schulen weiter ermöglichen“ natürlich nicht verschließen. Wir werden der Überweisung des Antrages in den Bildungsausschuss zustimmen. Was erwarten wir dort? Was erwarte ganz speziell ich dort? 

Die erste Frage ist: Warum erfolgte mit dem Projekt Fachstelle Sprachmittlung Ukraine eine Fixierung auf ausschließlich eine Schülergruppe? Es wurde erwähnt, dass das Projekt vom Verein LAMSA e. V., dem Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt, getragen wird. Warum stelle ich diese Frage? 

Seit dem Jahr 2015 haben wir an unserem Berufsschulzentrum - ich gehe jetzt konkret auf meine eigenen Erfahrungen ein - Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Herkunftsländern: aus Afghanistan, dem Irak, aus Eritrea, aus Äthiopien und aus Syrien ganz viele. Wenn es um Dolmetscherleistungen ging - so erinnere ich mich  , waren es in der überwiegenden Zahl der Fälle die Eigeninitiative und die persönlichen Kontakte, um sich entsprechender Sprachmittlungsleistungen zu versichern. 

Ein Punkt, der mir in letzter Zeit vermehrt zugetragen wird, ist dabei, dass man hierbei natürlich auch eine gewisse Ungleichheit unter den Flüchtlingen schafft. Es gibt so nach dem Gefühl - Jugendliche haben dafür ein sehr feines Gespür; das haben sie mir auch gesagt - Flüchtlinge unterschiedlicher Klassen: Flüchtlinge erster Klasse und Flüchtlinge zweiter Klasse. Das sind Dinge, denke ich, die so nicht stehen gelassen werden dürfen. 

(Beifall bei der SPD)

Deshalb auch die Frage, ob es eine Evaluierung dieses Projektes, das seit Juni 2022 lief, gab. Es gab die Frage von Frau Ministerin Feußner, die schon angebracht wurde, besteht eventuell die Möglichkeit, diese Sprachmittler als DAZ-Lehrkräfte, also mit Deutsch als Zielsprache, zu gewinnen. 

(Ministerin Eva Feußner: Ja!)

Das Angebot bestand offensichtlich, aber es wurde nicht wahrgenommen. 

Was ich als sehr wichtig erachte, ist z. B. die Frage: Wie können wir gezielt Fachkräfte, die aus den entsprechenden Herkunftsländern zu uns kommen, für unsere Kindertageseinrichtungen gewinnen? Dazu muss ich leider wieder aus der Praxis ein Beispiel bringen, das mich letztens ziemlich fassungslos zurückgelassen hat. Ich war zu Besuch an meiner alten Schule. Dort hatte mir die zuständige Koordinatorin von einem Fall berichtet, in dem es um eine Auszubildende ging, die im Projekt - jetzt muss ich überlegen, wie es konkret heißt - „Praxisintegrierte Erzieherausbildung“ bei uns in Dessau eine Ausbildung begonnen hatte. Sie war Lehrkraft im Iran, hatte dort ein Bachelorstudium in französischer Literatur absolviert und hatte über mehrere Jahre als Lehrerin gearbeitet. Sie hat in einer Kita bei uns auch schon als Sprachmittlerin und Kulturmittlerin gearbeitet. Sie hatte also diese Voraussetzungen, die in der Verordnung für die Berufsbildenden Schulen, BbS-VO genannt, für die Erzieherausbildung gefordert werden - 600 Stunden in einer entsprechenden Praktikumseinrichtung und eine Berufsausbildung, ganz gleich, welcher Art, mindestens zweijährig - aus meiner Sicht vollständig absolviert. 

Nach der Prüfung durch das Landesschulamt musste diese junge Dame die Ausbildung abbrechen. Das war für mich ein Fakt, der einfach nicht fassbar war. Hierbei sind wir aber noch in der Klärung des Sachverhalts. Ich bin gespannt, was das Landesschulamt dazu sagen wird. 

Eines, denke ich, ist klar: Je besser die Sprachkenntnisse beim Schuleintritt sind, umso höher sind die Erfolge beim späteren Lernen. 

Eine weitere Frage, die bereits aufgeworfen wurde: Wie lässt sich ggf. die Finanzierung der entsprechenden Förderung in der institutionellen Förderung von LAMSA abbilden? Das sind die Punkte, die wir gern im Bildungsausschuss diskutieren möchten. - Ich danke für die Aufmerksamkeit. 

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)