Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Öffentliche Haushalte müssen in der Lage sein, notwendige Investitionen in Strukturwandel und Klimaschutz an den Start zu bringen, um nachhaltige Grundlagen für kommende Generationen zu legen, ohne dass unsere Haushalte aus dem Ruder laufen. 

(Zuruf von der FDP)

Dafür reicht es nicht nur zu postulieren, Berlin möge Gelder senden, egal wie, und ohne sich an der Lösungsfindung zu beteiligen. 

Wenn wir es nicht schaffen, tatsächlich nachhaltig zu wirtschaften   damit meine ich, Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen und geringere Schulden zu machen  , gehen wir dunklen und schwierigen Zeiten entgegen. 

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Das, was ich mir für Sachsen-Anhalt wünsche, ist, mutig und mit Lust auf Zukunft für eine wirkliche Transformation unserer Regionen im Strukturwandel und für Lebensqualität auch für nachfolgende Generationen zu streiten und dass tatsächlich sichtbar wird, auf welchen Idealzustand wir uns zumindest sukzessive zubewegen. 

Wir haben in den Ausschüssen Änderungsanträge zum Haushalt gestellt, wir haben Änderungsanträge im Plenum gestellt, um zu zeigen, an welchen Stellen wir andere Akzente setzen würden. 

Wir sind nicht so vermessen zu sagen, dass wir als Opposition in der Lage wären, hier einen alternativen Haushalt aufzustellen. Denn   damit will ich sehr deutlich unterstützen, was die Kollegin Heiß gesagt hat   das ist für eine Oppositionsfraktion schlicht und ergreifend nicht möglich. Wir haben nicht die Informationen, wir haben nicht die Mittel, wir haben nicht den Hintergrund. 

(Zurufe von der CDU)

Das ist nicht möglich. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Unruhe)

Wir wollen Akzente setzen, bspw. indem wir mehr Ökolandbau ermöglichen. Wir wollen Mobilitätsmanager in den Kreisen, um den Umweltverbund voranzubringen. Wir wollen Ortschaftsratsbudgets einführen, damit die Menschen vor Ort tatsächlich merken: Wenn ich hier eine Idee habe, dann kann die auch vor Ort umgesetzt werden. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir wollen, dass mehr Gewässer renaturiert werden können. Wir wollen Revierbudgets für die Polizei. Wir wollen einen Notfallfonds zur Finanzierung der Schulsozialarbeit. 

Aber auch ganz praktisch kann der Haushalt, der hier vorgelegt worden ist, nicht der unsere sein; denn der Landtag gibt die Steuerung wesentlicher Gelder ab. Das muss man sehr deutlich festhalten. Den überschaubaren Bodensatz nicht verausgabter Mittel als globale Minderausgabe heranzuziehen, das ist unstrittig, das wurde immer so gemacht. Das haben wir damals in der Kenia-Koalition auch gemacht. Aber dass das round about 3 % des Haushalts sind, das ist wirklich viel. Das ist zu viel. Das überspannt den Bogen.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Inzwischen ist dieser Satz viermal größer als der Boden. Das kann nicht sein. Mittel in Höhe von 440 Millionen € sind, je nach Lesart, doppelt verplant oder fehlen. Beides ist gleich schlecht. Woher genau das Geld zum Ende des Jahres kommen soll, entscheidet die Landesregierung fernab vom Haushaltsgesetzgeber. Die Haushaltsgesetzgebung   das ist vielen gar nicht mehr bewusst   war früher die Königsdisziplin. Der Landtag hat großen Wert darauf gelegt, der Landesregierung zu zeigen, wo Schwerpunkte gesetzt werden, und der Landesregierung auch Grenzen zu setzen. Das vermisse ich deutlich. 

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Ein von meiner Fraktion in Auftrag gegebenes Gutachten bei den Juristinnen und Juristen des Landtags, dem Gesetzgebungs  und Beratungsdienst, fragt nach der Herleitung einer solchen großen GMA. Diese Frage haben wir, respektive der Kollege Meister, mehrfach an das Finanzministerium herangetragen, ohne auch nur irgendeine Art der Darlegung, geschweige denn eine adäquate Begründung oder Antwort zu bekommen. Im Gegenteil: Letztlich fehlen dem Haushalt am Ende noch einmal 4,8 Millionen €, und diese werden auch, völlig ohne Erklärung, aufgeschlagen. Das ist schwierig, wirklich schwierig. 

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Das Zahlenwerk sollte schlüssig und ausgewogen sein. Das haben die Juristinnen und Juristen aufgeschrieben. Das entspricht aber leider nicht der vorgelegten Tatsache. 

Sie schließen die Lücke im Haushalt einfach nach Bedarf aus dem Nichts und hoffen, dass am Ende alles gut wird. Ich frage mich wirklich, warum die Kolleginnen und Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen das so mitmachen, warum sie ihre Entscheidungsgewalt freiwillig abgeben, sich selbst beschneiden. Das erschließt sich mir nicht. Millionen um Millionen in Sondervermögen, GMA etc. werden einfach dem Zugriff des Landtags entzogen. Ich verstehe es nicht. 

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Hinzu kommen Landeskredite für den nötigen Ausbau des Hightech-Parks in Höhe von 250 Millionen €, für die neue Baugesellschaft des Landes, die IPS GmbH, in Höhe von 190 Millionen €. Das ist auch so ein Ding. Wir haben den BLSA; wenn das nicht richtig läuft, muss man das reformieren. Aber jetzt noch eine weitere Institution mit einem Wasserkopf danebenzusetzen, die außerhalb des Zugriffs des Landtags ist, das finde ich wirklich schwierig. 

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE - Zurufe von Jörg Bernstein, FDP, und von Jan Scharfenort, AfD)

Zur finanzpolitischen Ehrlichkeit gehört auch, dass die Mittel in Höhe von 44,4 Millionen € aus der Konjunkturrücklage entnommen werden. Das ist, vorsichtig gesagt, neu kreierter Spielraum. So viel war noch nie im Landeshaushalt. Das ist aber, wenn man es ernsthaft bewerten will, kein Spielraum, sondern ein Spiel im Abseits, ein Spiel, bei dem wir GRÜNE nicht mitstimmen werden. 

In dem Bereich, der die Menschen in den letzten Monaten fast am intensivsten bewegt hat, Energiewende und Energiesicherheit, verlässt sich die Landesregierung fast ausschließlich auf die Ampel in Berlin. Wir könnten hierbei einiges tun. Ich will ein Beispiel nennen   wir haben leider die kürzeste Redezeit  : Wir könnten einen Bürgerenergiefonds auflegen. Das wäre eine gute Idee, um die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende vor Ort zu stärken, ihnen die ersten eigenen Schritte in der Planungs  und Startphase zu erleichtern und finanzielle Risiken zu senken. So hätte man auch das stark verbesserungswürdige Solarförderprogramm weiterentwickeln müssen - stattdessen ist es beerdigt worden. 

Ein zweites Beispiel. Ich habe schon gestern gesagt, dass man die Dauer und die Kosten der Genehmigungsverfahren im Land deutlich ändern müsste. Wir haben vorgeschlagen, eine Servicestelle für die Landkreise einzurichten. Auch die Netzbetreiber brauchten das Land als zuverlässige Unterstützung. Es brauchte ein Bürgschaftsprogramm wie bspw. in Schleswig-Holstein, das die finanzielle Sicherheit für den Ausbau im Land schafft. Dadurch würde dann auch richtig Geld mit grünem Strom fließen, während bei dieser Landesregierung dröge das gestrige Verwaltungshandeln so langsam wie die Erkenntnis tröpfelt, dass dies Teil einer zukunftsfähigen Aufstellung des Landes sein könnte - könnte! 

Es wäre also zielführend, Wirtschaftsförderung an die Dekarbonisierung und an den Klimaschutz zu koppeln. 

(Zuruf: Oh!)

Das ist auch ein Antrag, den wir gestellt haben. Das ist ein Antrag, der nicht einmal Geld kostet, aber Geld in Zukunftsinvestitionen lenken würde. 

Zum Ökolandbau habe ich schon gesprochen; das werde ich jetzt aufgrund meiner kurzen Redezeit lassen. 

Aber ich will vielleicht noch etwas zu einem unserer grünen Lieblingsprojekte sagen, und zwar zur gesetzlichen Grundlage für Beihilfen im Ausführungsgesetz zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Ah! bei der CDU)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich über die große Begeisterung. Das ist ein Wiedergänger, den ich Ihnen nicht ersparen kann. - Die entsprechende gesetzliche Grundlage lief nämlich zum 31. Dezember 2020 aus. Jahr für Jahr sprechen wir mit großer Freude darüber. Die Kosten für die Tierkörperbeseitigung im Land werden Jahr für Jahr bei den Steuerzahlenden in diesem Land abgeladen, anstatt bei den Verursachern. 

Auch die unnötige, weil effektlose Pürzelprämie wird damit rausgeballert. Ich könnte noch viele Beispiele nennen. Sie werden verstehen, wir können diesem Haushalt nicht zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Danke, Frau Lüddemann. Es gibt zwei Nachfragen. - Als Erster Herr Roi. 


Daniel Roi (AfD):

Vielen Dank für die Bereitschaft, die Frage zu beantworten. Eigentlich wollte ich Sie fragen, was der Mobilitätsmanager machen soll, ob der auch Bus fährt. Aber das können Sie vielleicht auch beantworten. 

Meine Frage geht in Richtung Ihrer Änderungsanträge. Sie haben unter anderem beantragt, im Vorwort eines entsprechenden Einzelplans festzuhalten, dass der Kohleausstieg vorgezogen wird, und dafür das Jahr 2030 ins Spiel gebracht. In Sachsen-Anhalt endet der Kohleabbau Mitte der 2030er-Jahre. 

Nun ist es so, dass Ihre Partei - leider - im Bund regiert und dort den Wirtschaftsminister stellt. Seitdem Sie an der Regierung sind, haben Sie 19 Kohlekraftwerke wieder ans Netz gebracht. Das finden wir gut; denn ansonsten würde hier der Strom ausgehen. 

(Lachen bei der AfD)

Aber Herr Habeck musste nun kürzlich im Energieausschuss des Bundestages gestehen, dass höchstwahrscheinlich auch nach 2030 Kohlekraftwerke vonnöten sind, weil wir unsere Grundlast eben nicht immer sicherstellen können. Der Strombedarf wird bis 2030 um 50 % steigen. Haben Sie das einmal zur Kenntnis genommen? Warum stellen Sie hier solche Anträge, mit denen Sie den Kohleausstieg noch weiter vorziehen wollen, obwohl wir in unserem Industrieland, gerade in Sachsen-Anhalt mit unserer Chemieindustrie, von dem Kohlestrom abhängig sind, auch über das Jahr 2030 hinaus? Nehmen Sie das irgendwann einmal zur Kenntnis? Oder wie lange wollen Sie das noch ausblenden? Das ist meine Frage. 

(Beifall bei der AfD) 


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Ich habe bisher nicht gesagt, dass ich Ihre Frage beantworten werde. 

(Lachen bei der AfD - Frank Otto Lizureck, AfD: Der war gut!) 

Ich will es aber trotzdem tun. Das Jahr 2034 ist tatsächlich das Datum, das hierbei in Rede steht. Verschiedene Landesregierungen und regierungstragende Koalitionen haben zur Kenntnis genommen, dass ab dann in dem Gebiet, auf dem Sachsen-Anhalt liegt, kein weiteres Braunkohleabbaufeld mehr erschlossen werden soll. Also 2023 ist das Jahr, um das es geht.

Wir sind der Meinung, dass man das bis dahin mit großen Anstrengungen, die ohne Zweifel nötig sind, aus erneuerbaren Energien darstellen kann. Dass man im Übergang bis dahin Kohlekraftwerke, die noch am Netz sind, weiterlaufen lässt, wenn es denn Schwierigkeiten gibt, wie es Habeck vorsieht, das ist ein Gebot der Notwendigkeit.

(Jörg Bernstein, FDP: Ach so!) 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Dann eine Intervention von Herrn Feuerborn. - Bitte.


Olaf Feuerborn (CDU): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin Lüddemann, Sie haben vorhin angesprochen, dass Sie die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft im Ökolandbau ausbauen wollen. Ich frage mich, wie konstruktiv das ist. Heute Morgen standen die Bauern vorm Landtag. Erklären Sie denen einmal, warum gerade das grüne Landwirtschaftsministerium die Vergünstigungen über die Gasölbeihilfe, also die Rückvergütung der Dieselsteuer, und auch die Kfz-Steuervergünstigung zurückführt. 

Insbesondere im Ökolandbau benötigt der Landwirt 25 % mehr Diesel als der konventionelle Landwirt, und dem streichen Sie dann auch noch die Mittel, mit denen er wettbewerbsfähig sein könnte. 

(Marco Tullner, CDU: Jetzt sind wir einmal gespannt auf die Antwort! - Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Kollege Tullner, es freut mich sehr, dass Sie jetzt sehr aufmerksam sind und das hier auch noch aktenkundig machen. Das ist große Klasse. 

(Daniel Roi, AfD: Macht das dann auch der Mobilitätsmanager? - Thomas Staudt, CDU: Die gehen nicht pleite, die machen zu!) 

Zum Bund. Zu der Frage, die Sie gestellt haben. Tatsächlich ist das eine Entscheidung - das muss ich hier so deutlich sagen  , die uns überrascht hat. Das habe ich so nicht kommen sehen. Ich hätte eher an die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs gedacht. Das habe ich gestern oder vorgestern hier auch so vorgetragen. 

(Tobias Rausch, AfD: Es wird nicht besser! - Zurufe von der CDU und von der FDP) 

Ich hätte eher etwas in dieser Richtung erwartet. Das kommt nicht - darauf lege ich Wert - vom Bundeslandwirtschaftsminister, 

(Kathrin Tarricone, FDP: Das ist sogar nachweisbar! - Daniel Roi, AfD: Sie lügen auf offener Bühne! - Zuruf von der AfD: Natürlich! Lüge! - Weitere Zurufe von der CDU und von der FDP)

sondern das ist eine gemeinsame Entscheidung der Spitzen der Ampelkoalition im Bund. 

(Ulrich Thomas, CDU: Also von Herrn Habeck! - Ah! bei der CDU - Zuruf von Kathrin Tarricone, FDP)

Das ist also etwas, das sowohl die SPD, die FDP und die GRÜNEN gemeinsam entschieden haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Jörg Bernstein, FDP: Nein, der Vorschlag kam aus dem Haus! - Zuruf von Kathrin Tarricone, FDP)

Und mit dieser Entscheidung werden wir jetzt leben müssen, ob uns hier das gefällt oder nicht.

(Ulrich Thomas, CDU: Nein, werden wir nicht!) 

Denn im Bundeshaushalt     Ich glaube, im Plenarsaal dürfen keine Fotos gemacht werden. 

(Ulrich Thomas, CDU: Wenn Sie es nur glauben, wissen Sie es ja nicht!)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Nein.

(Stefan Ruland, CDU: Das war ein Selfie!)


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Das war kein Selfie; es hat geblitzt. Ich habe es gesehen. 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Nein, das geht nicht.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Ich glaube, die Ernsthaftigkeit ist jetzt durch.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)