Dr. Jan Moldenhauer (AfD): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, dass die AfD-Fraktion ihrer parlamentarischen Kontrollfunktion nachkommt, indem sie die regierenden Altparteien hier im Hohen Haus vor sich her treibt, dann wäre er nunmehr erbracht. Dazu berichtete die „Mitteldeutsche Zeitung“ am 28. November wie folgt - ich zitiere  :

„Die schwarz-rot-gelbe Landesregierung […] wird eine 2021 beschlossene Kreditermächtigung des Landtags über 2 Milliarden € für das sogenannte Corona-Sondervermögen nicht nutzen. Diese Rechtsgrundlage ist nach Einschätzung des Kabinetts durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts angreifbar.“

- Und weiter  :

„Ministerpräsident Reiner Haseloff […] sagte […], es gehe darum, sich vorsorglich gegen eine Klage der Landtagsopposition zu wappnen. Die AfD hat angekündigt, Sachsen-Anhalts Sondervermögen rechtlich überprüfen zu lassen.“ 

In einer Pressemitteilung vom 23. November habe ich die Sichtweise der AfD-Fraktion wie folgt zusammengefasst:

„Nach Auffassung der AfD-Fraktion ist die Zuführung von Finanzmitteln aus dem schuldenfinanzierten Corona-Sondervermögen in den Landeshaushalt […] mit dem Ziel einer Umgehung der Schuldenbremse rechtswidrig. Mit dem Ziel der Sicherstellung eines verfassungskonformen Landeshaushaltes habe ich den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst […] zur Klärung dieser Frage mit einer schriftlichen Ausarbeitung beauftragt.“

Am 27. November lag die entsprechende Stellungnahme vor. Darin äußerte der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hinsichtlich des Corona-Sondervermögens erhebliche rechtliche Zweifel. Tags darauf musste die Landesregierung nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses die Verfassungswidrigkeit des Sondervermögens einräumen.

Wir halten fest: Erneut hat die AfD-Fraktion als finanzpolitischer Verfassungsschutz agiert. Schließlich müssen wir als größte oppositionelle Kraft im Land die Verfassung vor der Übergriffigkeit der regierenden Altparteien schützen.

(Beifall bei der AfD)

Das sind wir unseren Wählern und den Bürgern im Land schuldig.

Nun plant die Landesregierung, das verfassungswidrige Corona-Sondervermögen durch einen verfassungswidrigen Nachtragshaushalt zu retten. Die Landesregierung plant also, einen nachgewiesenen Verfassungsbruch mit einem neuerlichen Verfassungsbruch zu heilen.

(Jawohl! bei der AfD)

Zu diesem Zweck soll für das Jahr 2023 rückwirkend eine rechtswidrige Coronanotlage erklärt werden. Haseloff - so berichtet die „Mitteldeutsche Zeitung“ - begründet dieses Vorgehen mit der aktuellen Coronalage. Dazu zitiert die „MZ“ den Ministerpräsidenten wie folgt:

Sie sehen ja die aktuelle Situation, dass wir einen Spitzenwert an Covid-Erkrankungen in Deutschland haben. Es gibt Handlungsbedarf. - Zitatende.

Herr Ministerpräsident, mit dieser Aussage geben Sie sich nun wirklich der Lächerlichkeit preis.

(Beifall bei der AfD)

Gegenwärtig existiert keine Notlage mit Bezug zur sogenannten Coronapandemie; folglich existiert auch keine Grundlage dafür, eine derartige Notlage zu erklären, weder rückwirkend für das Jahr 2023 noch für das Jahr 2024. Vor allem bei der rückwirkenden Erklärung der Notlage handelt es sich um groben politischen Unfug. Dieser politische Unfug ist aus der Sicht der AfD-Fraktion rechtlich nicht haltbar. Indem Sie, Herr Ministerpräsident, zur Durchsetzung Ihrer fragwürdigen politischen Ziele zu derartigen Mitteln greifen, tragen Sie dazu bei, dass eine Haushaltskrise in eine Staatskrise mündet.

In dem ursprünglichen Gesetzentwurf zum Corona-Sondervermögen in der Drs. 8/327 aus dem November 2021 findet sich bereits eine verräterische Textstelle. Darin ist von Notlagenkrediten die Rede, die - ich zitiere - „[…] der Finanzierung von Maßnahmen […] in Haushaltsjahren [dienen], in denen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Notlagenkredits nicht mehr vorliegen […]“. Mit diesem verfassungswidrigen Manöver hat die Landesregierung Schiffbruch erlitten. Nun plant sie, erneut einen Notlagenkredit in Höhe von 150 Millionen € aufzunehmen, dessen - Zitat - „tatbestandliche Voraussetzungen […] nicht mehr vorliegen“.

Für grimmige Heiterkeit sorgt dabei der folgende Umstand: Das kürzlich ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts rührt daher, dass die Bundesregierung im Jahr 2021 beschlossene und nicht verwendete Finanzmittel zur Bewältigung der sogenannten Coronapandemie rechtswidrig umgewidmet hat. Diese Umwidmung wurde vom Bund gerade deswegen vorgenommen, weil keine Coronanotlage mehr existiert. Nun versucht die Landesregierung, allen voran der Ministerpräsident, hier im Land eine Coronanotlage herbeizufabulieren, die bundesweit gar nicht mehr besteht. 

Selbst in der vorliegenden Drucksache zur Feststellung einer angeblichen außergewöhnlichen Notsituation findet sich folgende Aussage - ich zitiere  : „[…] das pandemische Geschehen [ist] zwar abgeklungen, das Land hatte aber die Folgewirkungen der Coronapandemie wirtschaftlich noch nicht überwunden.“

Und nun? - Die wirtschaftspolitischen Folgewirkungen einer Pandemie rechtfertigen doch keinesfalls die Ausrufung einer gesundheitspolitischen Notlage. Zudem steht die soeben zitierte Textstelle in diametralem Widerspruch zu der eingangs zitierten Aussage des Ministerpräsidenten, mit der dieser eine pandemische Notlage heraufbeschwören will. 

Komplettiert wird die notlagenpolitische Geisterfahrt der CDU durch den Landesvorsitzenden und Wirtschaftsminister Sven Schulze. Dazu berichtet die „Mitteldeutsche Zeitung“ - ich zitiere  : 

„Während die CDU-geführte Landesregierung die Schuldenbremse für 2023 aussetzt, fordert die CDU von der Bundesregierung das Gegenteil. ‚Man muss mit dem auskommen, was man einnimmt‘, sagte CDU-Landeschef Sven Schulze am Montagabend in der Sendung ‚Fakt ist‘ […] ‚Das muss der Staat verdammt noch mal auch hinbekommen‘.“ 

Herr Schulze, das muss die Landesregierung dann aber auch, verdammt noch mal, hinbekommen. Sie tut es aber nicht.

(Beifall bei der AfD)

In diesem Kontext kommentiert Hagen Eichler in der „MZ“ wie folgt - ich zitiere  : 

„Die Koalition will in diesem und im nächsten Jahr die erst 2020 eingeführte Schuldenbremse aussetzen.“

(Zuruf: Nein, das wollen die nicht!)

„Die CDU, die Sachsen-Anhalts Regierung anführt, bringt das in eine schwierige Lage.“ 

(Zuruf: Ach was!)

„Denn genau diese Ausnahme von der Schuldenbremse will sie der Ampelregierung in Berlin auf keinen Fall zugestehen.“ 

(Zustimmung bei der AfD)

„CDU-Landeschef Sven Schulze ist derzeit für und gegen neue Schulden zugleich - je nachdem, ob es um Magdeburg oder um Berlin geht. Redlich ist das nicht.“ 

(Beifall bei der AfD)

Kurze Anmerkung: Es ist unredlich und es ist peinlich. Hagen Eichler kommentiert weiter: 

„Wer vom Bund strikte Haushaltsdisziplin fordert, der muss sich auch im eigenen Land danach richten. Alles andere riecht nach Doppelmoral.“ 

(Unruhe)

Das riecht nicht nur nach Doppelmoral, das ist Doppelmoral. Bei der CDU herrscht also eine weithin sichtbare doppelmoralische Notlage.

(Zuruf von der CDU)

Gleichzeitig sorgt die Landesregierung mit ihrem rechtswidrigen Vorgehen für eine verfassungspolitische Notlage. 

Ich komme zum Schluss. Den untauglichen Versuch, einen aktenkundigen Verfassungsbruch mit einem neuerlichen Verfassungsbruch zu heilen, werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Wir werden erneut eine rechtliche Prüfung veranlassen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)