Michael Richter (Minister der Finanzen): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Fraktion DIE LINKE befasst sich mit möglichen Implikationen, die sich aus den jüngsten furchtbaren Terrorangriffen auf Israel für die Vermögensanlage des Landes Sachsen-Anhalt ergeben könnten.

Lassen Sie mich der folgenden Beratung voranstellen: Der Landtagspräsident verurteilte im Namen des Landtages am 12. Oktober den terroristischen Angriff auf den Staat Israel und die gegen seine Bürgerinnen und Bürger gerichteten Verbrechen der islamistischen Hamas auf das Schärfste. - Diese Aussage gilt uneingeschränkt weiter. Die Solidarität mit Israel besteht ungebrochen.

Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE soll die Landesregierung nun im Hinblick auf die Geldanlagen des Landes aufgefordert werden, ein Investment in Staaten und bei Firmen, die sich an der Finanzierung des völkerrechtswidrigen Angriffs auf Israel durch die Hamas und Hisbollah beteiligen, unverzüglich zu beenden.

Dieser Antrag lässt aber komplett offen, welche Staaten oder Firmen das konkret sind - vermutlich, weil auch die Antragstellerin das derzeit nicht bestimmen kann. Stattdessen fordert sie die Landesregierung auf, hierfür Kriterien und Indikatoren zu entwickeln und vorzulegen. Politische Vorstellungen, wie weit oder wie eng sie diese Kriterien fassen möchte, äußert die Antragstellerin leider gar nicht.

Die Investitionen in Länder des sogenannten Nahen Ostens betragen derzeit ca. 2,6 % der Gesamtanlagen des Landes bzw. umgerechnet ca. 109 Millionen €. Investitionen in ausgewählte Länder dieser Region sind für langfristig orientierte professionelle Geldanlagen und Geldanleger völlig normal und spiegeln die wichtigen und in großem Umfang vorhandenen politischen, wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Verflechtungen wider, die unser Land in dieser Region hat.

Meine Damen und Herren! Die Krise in Nahost ist einer der komplexesten Konflikte auf dieser Erde. Aus meiner Sicht ist es illusorisch zu glauben, dass die Welt so einfach wäre, wie es dieser Antrag suggeriert.

(Beifall bei der FDP)

Leider veröffentlichen Terrororganisationen keinerlei Bilanz, Jahresabschlüsse oder Register, aus denen die Herkunft ihrer Finanzierungsmittel hervorgeht. Hierzu gibt es Mutmaßungen. Sollten wir zu diesem Zeitpunkt weitreichenden Entscheidungen auf der Basis von Mutmaßungen treffen?

Was mit diesem Antrag gefordert wird, ist eine digitale Entscheidung für oder gegen Investitionen in Länder, ohne diese konkret zu benennen bzw. überhaupt Kriterien dafür zu benennen. Ein vollständiges Investitionsverbot und die Veräußerung bestehender Investitionen sind ein scharfes Schwert und bedeuten übersetzt in die reale Wirtschaftspolitik, dass man keinerlei wirtschaftliche oder politische Verflechtungen mit diesen Ländern mehr anstrebt.

Aus dem Blickwinkel Sachsen-Anhalts und der Bundesrepublik Deutschland erkenne ich diese vollständige Isolierung nicht, auch nicht in Bezug auf Länder wie Saudi-Arabien oder Katar, meine Damen und Herren, wo die Bundesrepublik jüngst lang laufende Energie- und Wirtschaftsverträge abgeschlossen hat und wichtige diplomatische Verbindungen bestehen.

(Beifall bei der FDP)

Da, wo nachweislich völkerrechtswidrige Kriege geführt werden, handelt das Land zügig. So haben wir z. B. Investitionen in Russland am 24. Februar 2023 sofort eingestellt und alle Vermögenswerte veräußert.

Meine Damen und Herren! Ja, das Land Sachsen-Anhalt investiert global breit diversifiziert. Das Land berücksichtigt aber auch Nachhaltigkeitskriterien bei der Auswahl von Investments. Das Land hat sich bewusst dagegen entschieden, die Länder und die Unternehmen auf dieser Welt dogmatisch in Gut und Böse zu unterteilen. Vielmehr sollten dort, wo Möglichkeiten gesehen werden, Transformationen zu mehr Nachhaltigkeit eingefordert und stringent begleitet werden. 

Aus diesen vorgetragenen Gründen empfehle ich, den Antrag abzulehnen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich werde bei den nächsten Redebeiträgen     

(Kristin Heiß, DIE LINKE, steht am Saalmikrofon)

- Es gibt eine Frage? - Herr Minister, es gibt eine Frage von Frau Heiß. - Ich wollte mich gerade darüber auslassen, dass man bei den nächsten Redebeiträgen vielleicht nicht ganz so scharf auf das Ende der Redezeit schauen muss; denn der Beitrag war auch etwas länger. - Frau Heiß.

(Guido Kosmehl, FDP: Wir haben auch ein bisschen später angefangen!)


Kristin Heiß (DIE LINKE): 

Vielen Dank, Frau Keding. - Vielen Dank für den Beitrag, Herr Richter. In Teilen haben wir uns inhaltlich überschnitten. Mich wundert nur etwas. Sie haben sich jetzt darüber beschwert, dass der Antrag relativ unkonkret ist, was die bestimmten Kriterien angeht. Nun wissen wir, wissen Sie und ich sehr gut, dass das Land sich sogar einen externen Berater gegeben hat, der das Land bei Anlagen berät und diesbezüglich bestimmte Kriterien erfüllt.

Insofern verstehe ich das Problem nicht, wenn Sie sagen, der Antrag ist Ihnen zu offen. Wenn wir den Antrag etwas dezidierter gestellt hätten, dann hätten Sie gesagt: Das sind Kriterien, die wir gar nicht erfüllen können. Das funktioniert so also nicht.

Meine Frage lautet, Herr Richter: Was ist der Unterschied, wenn wir Katar anführen, das die Hamas nachweislich finanziert? Warum können wir Katar nicht ausschließen, wohingegen das Land Sachsen-Anhalt in Bezug auf Russland - das haben Sie selbst gesagt - am Tag des Angriffs auf die Ukraine sofort Konsequenzen gezogen hat?

(Guido Kosmehl, FDP: Weil Russland den Krieg führt und nicht Katar!)


Michael Richter (Minister der Finanzen): 

Katar führt den Krieg nicht. Wo kommen Sie im Übrigen mit Ihrer Gewissheit her, dass die Hamas von denen tatsächlich finanziell unterstützt wird? - Wir können das so nicht sagen.

(Zustimmung - Wulf Gallert, DIE LINKE: Oh, Leute! - Marco Tullner, CDU: Das ist aber eine mutige Aussage!)


Kristin Heiß (DIE LINKE): 

Ich habe das akustisch nicht verstanden, Herr Richter.


Michael Richter (Minister der Finanzen): 

Wir haben nicht den Nachweis, dass Katar die Hamas wirklich ausdrücklich finanziell unterstützt.

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Oh, Leute! Mann! - Zuruf: Das kann ja wohl nicht wahr sein!)