Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE): 

Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte LINKE! Ja, der Eigenanteil an den Pflegeheimkosten steigt und, ja, es ist ungerecht, wenn längst überfällige Tarifsteigerungen und die Auswirkungen der Pflegekräftekrise vor allem die Heimbewohnerinnen ausgleichen sollen. Dadurch verschärft sich eine schon lange andauernde Entwicklung. Dass Kosten steigen, ist quasi normal. Seit dem Jahr 2017 sind die Zuschüsse der Pflegekassen zur stationären Pflege aber eben nicht mitgestiegen. Das ist problematisch. Seitdem werden zwischen 125 € bei Pflegegrad 1 und 2 005 € bei Pflegegrad 5 gezahlt. Die Lücke zwischen den faktischen Pflegekosten für die Betroffenen und den Auszahlungen der Kassen wurde natürlich immer größer.

Nun ist es aber nicht so, als ob die Ampelkoalition nichts getan hätte, um dieses Problem zu lösen. Seit dem Jahr 2022 zahlen die Pflegekassen Zuschüsse zum Eigenanteil an den Pflegekosten - das hat die Ministerin gerade schon erwähnt. Diese Zuschüsse sind nach der Aufenthaltsdauer gestaffelt und liegen zwischen 5 % und 70 %. 

Die Prozentsätze steigen am 1. Januar 2024 im ersten Jahr des Wohnens auf 15 % statt bisher 5 %, im zweiten Jahr auf 30 % statt bisher 25 % und im dritten Jahr auf 50 % statt bisher 45 %. Ab dem vierten Jahr steigen sie auf 75 % statt bisher 70 %. Die Bewohnerinnen werden also gerade im ersten Jahr im Heim eine erkennbare Absenkung ihres Eigenanteils verzeichnen können.

Am 1. Januar 2025 und am 1. Januar 2028 werden die Geld- und Sachleistungen in Anlehnung an die Preisentwicklung dynamisiert. Gleichzeitig gibt es eine Selbstverpflichtung der Regierung, für die langfristige Leistungsdynamisierung noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge zu erarbeiten. 

Das heißt natürlich nicht, dass alles gut ist in Sachen Pflege und Pflegeversicherung. Die Forderung nach einer Pflegevollversicherung - das haben wir heute schon mehrfach gehört - und, damit verknüpft, nach einer Pflegebürgerversicherung ist weiterhin gültig und klare grüne Position. Sie haben uns an dieser Stelle wirklich ganz auf Ihrer Seite,

(Beifall bei den GRÜNEN)

auch wenn Sie in Ihrem Antrag zur Bürgerversicherung merkwürdig stumm bleiben. Auf Bundesebene ist das Thema Bürgerversicherung leider gleich zu Beginn der Koalitionsverhandlungen gestrichen worden. Das haben wir alle beobachten können. 

Solange sich keine Mehrheiten für eine wirkliche Neuausrichtung der Pflegeversicherung finden, werden alle Debatten über Vollversicherung, Leistungsausbau oder Sockel-Spitze-Tausch - alle, die gestern aufgepasst haben, wissen, was das ist - vergebliche Liebesmüh sein. Das Mindeste wäre, dass man quasi Fremdkosten aus der Pflegeversicherung streichen würde, wie die Rentenansprüche der pflegenden Angehörigen. Dazu hat der Bundesrat einen aktuellen Beschluss gefasst. Auch eine moderate Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze kann ich mir persönlich sehr gut vorstellen. Immerhin ist diese bei der Renten- und Arbeitslosenversicherung deutlich höher angesetzt als im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung. 

Selbst wenn man an die Beitragsbemessungsgrenze herangehen sollte, wird die Pflegeversicherung langfristig nicht ohne einen Steuerzuschuss auskommen, so, wie sie jetzt gestrickt ist. Dafür ist die demografische Entwicklung einfach zu massiv. Auf Bundesebene besteht zwischen uns im Grunde große Übereinkunft.

Bei Ihren konkreten Forderungen an das Land habe ich allerdings einige Bedenken. Investitionskostenübernahme durch das Land: Ja, dazu fordern wir GRÜNEN durchaus auch etwas. Wir haben als GRÜNE kürzlich eine konkrete Forderung erhoben nach Investitionen zur Anpassung an die Klimakrise. Ich hätte mir auch ein konkretes Investitionsprogramm vorstellen können, wenn man die Einzelzimmerquote bei der Musterbauordnung tatsächlich scharf gestellt hätte, für einen generellen Einstieg des Landes in die Investitionskostenförderung. Dazu hätte ich zumindest noch Beratungsbedarf. Daher hätte ich über den Antrag sehr gern im Ausschuss weiter beraten.

Ein Landespflegegeld, das, wie Sie schreiben, Heimbewohner je nach Einkommen beantragen können, würde, so, wie ich es sehe, eigentlich gar nicht so viel an der aktuellen Situation ändern. Mit der Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch gibt es bereits eine bedarfsgeprüfte Sozialleistung. Ein Landespflegegeld wäre dann quasi nur ein anderer Haushaltstitel bei Einzelplan 05 und es wäre ggf. ein anderes Amt zuständig, aber für die Bewohnerinnen würde sich am Ende, unter dem Strich nicht viel ändern. Haushalterisch wäre es linke Tasche, rechte Tasche. 

Die Sinnhaftigkeit, es etwa Mecklenburg-Vorpommern mit seinem Pflegewohngeld gleichzutun und ein solches Landespflegegeld einzuführen, erschließt sich mir, wie dargestellt, nicht. Aber auch das hätte ich gern im Ausschuss weiter vertieft und darüber gern beraten. Beim Alternativantrag der Koalitionsfraktionen habe ich die leise Ahnung, dass das nicht kommen wird. Das tut mir persönlich sehr leid. Das Thema hätte es verdient. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)