Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Da Kollegin Weidinger heute auf der Justizministerkonferenz weilt, darf ich in ihrer Vertretung ihre Überlegungen vortragen.

Unbenommen besteht in der Gesellschaft ein nachvollziehbares Missfallen, teilweise Empörung, wenn verurteilte Straftäter nach ihrer Strafverbüßung erneut erheblich strafrechtlich in Erscheinung treten. Dies gilt insbesondere, wenn diese Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern gerichtet sind. Gleichwohl müssen gesetzliche Änderungen verfassungsrechtlichen Grundsätzen entsprechen.

Der Antrag, eine allgemeine gesetzliche Regelung in der Strafprozessordnung zu schaffen, wonach personenbezogene Daten wie Name, Anschrift und Foto eines wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung Verurteilten auf den Internetseiten der Polizei für jeden Interessierten einsehbar veröffentlicht werden dürfen, begegnet durchgreifenden Bedenken.

Es handelt sich um die Spannungslage zwischen dem Schutz der Persönlichkeit der Betroffenen und dem Informations- und Schutzinteresse der Öffentlichkeit, der Opfer. Eine allgemeine Veröffentlichung von personenbezogenen Daten eines aus der Haft entlassenen Täters, die ihn als verurteilten Pädophilen identifizieren, ist verfassungsrechtlich unzulässig, da sie geeignet ist, eine erhebliche Beeinträchtigung des Straftäters zu bewirken, insbesondere seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu gefährden. Eine Veröffentlichung von Personendaten verurteilter Menschen wirkt bei Wiedereingliederungsbemühungen stark hemmend und kann diesen zuwiderlaufen.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Resozialisierung als das herausragende und gebotene Ziel des Strafvollzugs betont. Dem Strafgefangenen soll im Vollzug der Freiheitsstrafe die Fähigkeit vermittelt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Dabei muss nicht nur der Straffällige auf die Rückkehr in die Gesellschaft vorbereitet werden, auch die Gesellschaft muss bereit sein, ihn wieder aufzunehmen.

Verfassungsrechtlich entspricht dies dem Selbstverständnis einer Gemeinschaft, die die Menschenwürde in den Mittelpunkt ihrer Werteordnung stellt und dem Rechtsstaats- und dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet ist. Dabei dient die Resozialisierung gerade auch dem Schutz der Gemeinschaft, die ein unmittelbar eigenes Interesse daran hat, dass der Täter nicht rückfällig wird. 

Eine stigmatisierend wirkende Isolierung und Ausgrenzung aus der Gesellschaft kann bei Verurteilten schwerwiegende Folgen bewirken. Isolierung und Ausgrenzung können insbesondere die im Strafvollzug angestrebte innere Stabilisierung infrage stellen und den Willen zu neuem Anfang nehmen. 

Das allgemeine Veröffentlichen von personenbezogenen Daten von verurteilten Sexualstraftätern ist daher nicht geeignet, um Straftaten effektiv und wirksam zu verhindern, sondern steht einer Wiedereingliederung zum Schutz der öffentlichen Sicherheit stattdessen erheblich im Wege. 

(Zuruf von der AfD: Mein lieber Mann!)

Bei besonders rückfallgefährdeten Straftätern werden Fallkonferenzen initiiert und mit Vertreterinnen und Vertretern der Polizei und der Justiz werden die notwendigen Führungs-, Aufsichts- und gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen abgestimmt. Zudem kommt als gefahrenabwehrrechtliche Maßnahme auch eine Gefährderansprache durch die Polizei in Betracht, wenn konkrete Erkenntnisse vorliegen, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von der betreffenden Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.

Um potenzielle Opfer vor erneuten Taten nach der Haftentlassung zu schützen, besteht die Möglichkeit der Anordnung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung zur Überwachung der Einhaltung von aufenthaltsbezogenen Weisungen, bspw. die, sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die Anreize für die Begehung weiterer Straftaten bieten können. Diese Maßnahmen tragen maßgeblich zur Vermeidung erneuter Straftaten bei und leisten damit einen wirksamen Beitrag zum Opferschutz. Vor diesem Hintergrund sollte der Antrag abgelehnt werden.