Andreas Silbersack (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte dreht sich um das Thema Industriestrompreis. Wir sind als FDP-Fraktion selbstverständlich für wettbewerbsfähige Strompreise. Wir sehen allerdings den Industriestrompreis als sehr kritisch an.

Ich bin insofern der Bundestagsfraktion der FDP und dem Finanzminister Christian Lindner sehr dankbar dafür, dass er im Sinne der Finanzstabilitätspolitik genau darauf schaut, was sich dieses Land nach Jahren, in denen zugegebenermaßen notwendigerweise Sondervermögen in Milliardenhöhe geschnürt werden mussten, tatsächlich noch leisten kann. 

Wir müssen im Sinne einer reduzierten Inflation dazu kommen, dass wir tatsächlich Stabilitätspolitik im Bereich der Finanzen schaffen, die uns Zukunftsfähigkeit und keine ausufernde Inflation sichert, meine Damen und Herren. Dazu gehört es eben auch, dass man dann, wenn ein neues Paket auf den Weg gebracht werden soll - hier geht es um das Thema Industriestrompreis  , tatsächlich schaut, was machbar ist, was notwendig ist und was zu früh gesprungen wäre.

Wenn man sich einmal anschaut, woher das Ganze kommt, dann stellt man fest, dass sich zum Zeitpunkt des Koalitionsvertrages die Ampelkoalition darauf verständigt hatte, dass eine Brückentechnologie existiert, nämlich Gas. Diese Geschäftsgrundlage hat sich aufgrund des Angriffskrieges gegenüber der Ukraine im Jahr 2022 verändert.

Insofern können wir in der Bundesrepublik Deutschland nicht so tun, als wenn sich nichts geändert hat. Die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen für Strom, Strompreise und Gas haben sich signifikant geändert. Wir spüren das Ganze schmerzhaft. Wir kämpfen derzeit um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir wissen, dass viele Unternehmen, auch größere Unternehmen darüber nachdenken, den Standort zu verlassen.

Deshalb ist es wichtig, dass sich die Politik über die Frage, wie man die Unternehmen im Land hält, Gedanken macht. Das ist eine Pflicht, die wir erfüllen müssen und zu der wir stehen. Es bedeutet aber eben auch, dass wir schauen müssen, wenn wir uns dem Thema stellen, worüber wir eigentlich reden. Hier geht es natürlich um das Thema der energieintensiven Unternehmen. Diese energieintensiven Unternehmen sind auch die Unternehmen, die in Bezug auf den Green Deal immer zur Disposition stehen.

Ich kann mich gut an ein Gespräch beim IWH erinnern, bei dem gesagt wurde, wir werden den Green Deal bis zum Jahr 2045 am besten dadurch erreichen, dass wir die energieintensiven Industrien herausnehmen. Das können und wollen wir uns in Deutschland aber nicht leisten, meine Damen und Herren. 

Für uns in Deutschland ist es wichtig, dass wir zu unserer Industrie stehen. Deshalb ist es auch an der Zeit, darüber nachzudenken, inwieweit die Schrittigkeit angesichts der multiplen Herausforderungen, die wir weltweit, national und regional haben, die richtige ist, wenn es darum geht, den Green Deals dessen Vollendung für das Jahr 2045 definiert worden ist, zu erfüllen.

Deshalb ist es wichtig, dass man schaut, was es eigentlich bedeutet, wenn man den Industriestrompreis einführt. Nehmen wir das Beispiel des Bäckermeisters, der nicht in den Genuss der Vergünstigungen des Industriestrompreises kommen würde, ganz im Gegensatz zu einem Großunternehmen, einer industriellen Großbäckerei, die Selbigen bekommen würde. Wir müssen uns doch die Frage stellen: Ist das gerecht? Ist das verfassungsgemäß? Das sind alles Fragen, mit denen wir uns tatsächlich in dem Zusammenhang auseinandersetzen müssen.

Der Industriestrompreis kann aus unserer Sicht, also aus der Sicht der FDP, nur die absolute Ultima Ratio sei. Wir sind keine Befürworter, wenn es darum geht, hierfür zusätzliche Milliarden aufzuwenden, 

(Zustimmung bei der FDP) 

weil wir den Mittelstand eben auch im Blick haben müssen.

Was für wir ein Blick ist es, wenn wir dem einen etwas zukommen lassen und dem anderen nicht? Das ist etwas, das wir den Menschen erklären müssen. Dieses Erklären fällt auf jeden Fall schwer. Deshalb ist es wichtig, dass wir als FDP genau dort den Finger in die Wunde legen.

Man muss sich natürlich auch die Frage stellen, wie konkret denn die Höhe ist, über die wir reden. Das kann mir nicht wirklich jemand sagen. Beim Industriestrompreis weiß man nicht genau, wie lange er gelten soll. Wir machen mal Daumen und schätzen, dass er bis zum Jahr 2030 gelten soll. Wir wissen auch nicht genau, wie viele genau und in welcher Höhe. Das heißt, das ist für uns eine Blackbox. 

Jetzt sagen wir, wir haben einen großen Fonds, in dem sich mehrere Hundert Milliarden € befinden; daraus können wir das ja bezahlen. Dazu sage ich Ihnen ganz ehrlich: Auch das ist Steuergeld, und auch mit diesem Steuergeld müssen wir extrem sorgsam umgehen. 

(Zustimmung bei der FDP) 

Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass es nicht der erste Reflex sein kann, zu rufen, wir machen einen Industriestrompreis. Dabei verkenne ich nicht, dass gerade Sachsen-Anhalt mit seinem Chemieunternehmen selbstverständlich genau darauf ein Augenmerk hat. Das ist ein Stück weit unsere Lebensader. Deshalb müssen wir für die Chemieindustrie und für jede andere energieintensive Industrie Lösungen und Wege finden.

Aber darüber muss man eben reden. Dabei muss man eben auch darüber reden - das sage ich aus voller Überzeugung  , dass es ein Fehler war, das Thema Atomkraftwerke ad acta zu legen. Das sage ich heute und das wird auch zukünftig so bleiben.

Wenn Europa sich dafür entschieden hat, die Kernenergie als grüne Energie anzusehen, dann ist es für mich auch dann, wenn einige andere Länder in Europa es mitmachen, nicht erklärlich, warum wir uns in einer solchen schwierigen Situation davon verabschieden.

(Zustimmung von Stephen Gerhard Stehli, CDU)

Das ist für mich nicht erklärlich und das verstehen auch die Menschen im Land nicht, meine Damen und Herren. 

(Zuruf: Aber für uns!)

Das Gleiche gilt natürlich bei dem folgenden Thema. Ich höre jetzt, egal wie die Welt sich dreht, Ende des nächsten Jahres sollen verschiedene Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Das geschieht nicht in Sachsen-Anhalt, aber in anderen Bundesländern. Wenn der Bundeswirtschaftsminister sagt, egal, was um mich herum ist, wir werden Ende 2024 diese Kohlekraftwerke abschalten, dann ist das für mich tatsächlich lebensfremd, meine Damen und Herren. 

Wir dürfen doch nicht weiter an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen. Wir müssen doch schauen, dass wir irgendwo die Balance haben. Wir brauchen Leitplanken für unsere Energieindustrie. Wir brauchen Leitplanken für unsere Wirtschaft und damit für unser Dasein.

Das heißt, ich wäre dankbar dafür, wenn - das zielt jetzt in die Richtung des Antrages der GRÜNEN - einfach ein Stück weit mehr Balance in den Blick genommen würde. Wir können nicht ideologisch getriggert immer nur in eine Richtung schauen. Wir müssen die Welt als Ganzes betrachten. Wir können uns von bestimmten Dingen nicht verabschieden.

Wenn ich gerade jetzt in Nahost den Krieg erlebe und wenn wir das, was in Russland passiert, erleben, dann müssen wir einfach sagen, wir müssen uns irgendwo auch wehrhaft machen im Sinne von Energiefragen und Wirtschaftsfragen. Das ist Staatsräson. Wir sind dem Grundgesetz und dem Land Deutschland verpflichtet. Deshalb dürfen wir nicht zocken. Wir dürfen nicht mit diesem Land zocken. Das ist eine ganz wesentliche Aussage. Wir haben eine Verpflichtung. Natürlich haben wir die Verpflichtung. Aber wir müssen gucken, welche Schrittigkeit bei der Frage nach den erneuerbaren Energien tatsächlich möglich ist.

Die FDP hat bei der Frage, was wir denn noch tun können, außer dass wir die Technologieoffenheit in den Vordergrund stellen, offenbar andere Vorstellungen. Zu der Stromsteuer auf europäischer Ebene haben wir klare Aussagen getroffen. Wir setzen uns dafür ein, dass die heruntergeht. 

Dann haben wir gesagt, dass Direktlieferverträge, als diese Eigenstrom-PPA, nach vorn getrieben werden. Wir wollen, dass wir dort Möglichkeiten schaffen, die dazu führen, dass diejenigen, die Energie brauchen, und diejenigen, die erneuerbare Energien haben, das gemeinsam tragen können. Wir wollen natürlich auch, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren nach vorn getrieben werden. Das sind Vorschläge, die wir machen. Deshalb bitte ich einfach darum, ihnen zuzustimmen. 

Das geht auch in die Richtung dieses Antrages. Wir sind sehr skeptisch, weil es wieder ein Füllhorn ist, in das wir hineinblasen. Lassen Sie uns gemeinsam danach schauen, welche alternativen Möglichkeiten es dafür gibt. Dafür ist die FDP immer zu haben. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)