Michael Richter (Minister der Finanzen): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der LINKEN sieht vor, dass der Staat eingreifen soll, um die Preisentwicklung in gesamten Bereichen zu regulieren. Da der Staat die Preise nicht diktiert, soll das Ziel durch Steuersenkungen erreicht werden. 

Die Auswirkungen der Inflation, die steigenden Preise sind nicht wegzudiskutieren. Ich habe deshalb absolut Verständnis für die Förderung nach spürbaren Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden von verschiedenen Seiten vorgetragen.

Nach den Maßgaben der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie wären ein Nullsteuersatz auf Grundnahrungsmittel und eine Verlängerung der Absenkung der Umsatzsteuer auf Fernwärme und Gas auf 7 % möglich. Rechtlich wäre eine Umsetzung der Forderung also zulässig. Sie haben zwei Länder benannt.

Einen Antrag auf Absenkung der Umsatzsteuer auf Grundnahrungsmittel auf 0 % hat die Fraktion DIE LINKE bereits im vergangenen Jahr auf Bundesebene eingebracht. Über die Änderung der bundesgesetzlichen Regelung wurde dort bereits diskutiert. Der Vorschlag wurde abgelehnt. Das zeigt, dass es wichtige Gründe dafür gibt, die Forderungen differenzierter zu betrachten.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen einige Punkte nennen, warum ich bei allem Verständnis die Vorschläge kritisch sehe. 

Erstens. Der Antrag sieht vor, dass ein Katalog entwickelt werden soll, der die Grundnahrungsmittel zeitgemäß definiert, Grundnahrungsmittel wie Getreide, Obst und Gemüse, Fleisch, Fisch oder Milchprodukte. Geht man gedanklich die Supermarktregale durch, lässt sich feststellen, dass die Produkte dort weitgehend nicht in dieser Reinform auftauchen. Abgrenzungsstreitigkeiten wären vorprogrammiert. Ihnen allen sind vermutlich Beispiele aus dem deutschen Umsatzsteuerrecht für unterschiedliche Steuersätze bekannt, die manchmal zum Schmunzeln führen, häufig aber auch auf Unverständnis stoßen. Es würde neues Streitpotenzial eröffnet.

Zweitens. Der Antrag sieht außerdem vor, dass wohl zur Gegenfinanzierung eine Übergewinnsteuer eingeführt werden soll

(Beifall bei der LINKEN)

zur Abschöpfung der durch den Krieg und dessen Folgen bedingten Gewinne von Lebensmittelkonzernen. Über eine Übergewinnbesteuerung haben wir hier bereits diskutiert. Bei Gas- und Stromanbietern wurde der Versuch EU-weit gestartet. Ob diese Initiative erfolgreich ist, wird noch zu prüfen sein.

EU-weit eine Übergewinnsteuer in der Lebensmittelindustrie einzuführen, halte ich für nicht administrierbar und eine entsprechende Einigung für aussichtslos.

(Zustimmung von Ulrich Thomas, CDU)

Eine rein nationale Übergewinnsteuer würde allerdings unsere Konzerne im internationalen Wettbewerb benachteiligen und würde auch der Höhe nach nicht annähernd für eine Gegenfinanzierung ausreichen.

(Ulrich Thomas, CDU: Richtig!)

Drittens. Ein Nullsteuersatz auf Grundnahrungsmittel würde in Deutschland zu Steuermindereinnahmen   jetzt komme ich einmal zu Beträgen, die im Raum stehen   in Höhe von rund 12 Milliarden € führen,

(Ulrich Thomas, CDU: Hört, hört! Unglaublich!)

und zwar dauerhaft; denn nach einem Abklingen der Inflation würde der Steuersatz wohl kaum wieder auf den ermäßigten Satz von 7 % angehoben werden. Die Verstetigung der Absenkung der Umsatzsteuer auf Fernwärme und Gas würde zu weiteren Steuermindereinnahmen in Höhe von mehr als 6 Milliarden € jährlich führen. Die Gegenfinanzierung dieser Mindereinnahmen ist, wie bereits von mir ausgeführt, nicht tragfähig.

(Zustimmung bei der FDP und von Ulrich Thomas, CDU)

Meine Damen und Herren! Für das Land Sachsen-Anhalt würden mit den vorgeschlagenen Umsatzsteuersenkungen Steuerausfälle in Höhe von gut 200 Millionen € jährlich im Raum stehen.

(Ulrich Thomas, CDU: Um Gottes willen!)

Sie werden deswegen verstehen, dass ich als Finanzminister dieses Landes einem solchen Vorschlag skeptisch gegenüberstehe. Ich sehe im Augenblick nicht die Möglichkeit, in dieser Größenordnung eine Gegenfinanzierung überhaupt darstellen zu können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)