Guido Heuer (CDU): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zwei, drei Dinge. Ich bedanke mich erst einmal bei der SPD und der FDP; denn das waren Reden, die dem Thema gerecht geworden sind.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP) 

Bei den anderen drei Fraktionen kamen die typischen Stereotype. Bei den einen war das Thema Migration permanent präsent, bei den anderen waren Strukturwandel bzw. Umweltschutz, Klima usw. immer präsent. Ja, das muss man so sagen. Bei der LINKEN waren die Ressentiments zwischen Ost und West einfach permanent vertreten. 

Ich muss aber einmal fragen: Wie definiert man heute eigentlich „Ossi“? Was ist eigentlich ein waschechter Ossi? Katja Pähle hat das vorhin schon gefragt. Was ist das eigentlich? Ist das einer, der seit 30 Jahren hier lebt, der seit 1990 hier arbeitet und beim Wiederaufbau mitgetan hat? Oder ist das ein Geburtsrecht? Was ist das eigentlich? Liebe LINKE, 33 Jahre nach der Wende sollten wir damit wirklich aufhören.

Ich hätte in einer solchen Rede auch gern einmal gehört, dass die LINKE anerkennt, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Auch das vermisse ich hier seit Jahren - seit Jahren!

(Eva von Angern, DIE LINKE: Das stand in den Koalitionsverträgen, Herr Heuer! Das stand in den Koalitionsverträgen genau so drin! Lesen!)

- Okay.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP - Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE - Unruhe) 

Dann wurde hier mehrmals erwähnt - mir hallt noch im Ohr, was der Kollege Meister vorhin gesagt hat  , wir sollen den Menschen nicht vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. Das war etwas für Dieter Nuhr, ganz ehrlich. 

Nichtsdestotrotz, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Linksfraktion, welche aus der direkten Nachfolge der SED geboren ist, Sie beantragten eine Debatte zur Wiedervereinigung und deren Folgen. Sie kritisieren die Folgen, für deren Gründe Sie und Ihre Alt-Genossen verantwortlich sind. 

(Zustimmung bei der CDU - Beifall bei der FDP - Ulrich Siegmund, AfD, lacht)

Sie reden 33 Jahre nach der Wende noch immer von dunklen Ländern. 

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE) 

Diese Aktuelle Debatte hat den Titel „Sonntagsreden ersetzen keine Anerkennung“ und doch haben wir hier immer die gleichen linken Tragödien gehört. 

(Zuruf von der CDU: Ja! - Xenia Sabrina Schüßler, CDU, lacht) 

Das begann schon in der letzten Woche, als wir Ihren Antrag zu der Aktuellen Debatte gelesen haben. Die Wirtschaft ist Ihnen ein Dorn im Auge; das hat vorhin übrigens auch der Kollege Lange bewiesen. Sie stellen Ostdeutschland und unser Bundesland als einen reinen Billiglohnsektor dar, ziehen geplante Investitionen in unserem Land durch den Kakao und stellen die Arbeit von mehr als 30 Jahren demokratisch legitimierter Politik infrage. Die Menschen in Sachsen-Anhalt, sehr geehrte LINKE, haben in den letzten 30 Jahren Ihrer Partei nie einen Regierungsauftrag gegeben, und das ganz sicher aus gutem Grunde. 

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Ich glaube nicht, dass das dem Ansehen unseres Hauses gerecht wird, meine Damen und Herren. Ihre Schwarzmalerei ist ungerecht, traurig und verwischt die Tatsachen bis zur Unkenntlichkeit. 

Lassen Sie mich versuchen, ein ausgewogeneres Bild zu zeichnen und die Wiedervereinigung als das darzustellen, was sie war: ein historisches Ereignis und eine Zäsur in der Weltgeschichte, der Grundstein für den Wiederaufbau der ehemaligen DDR und die Befreiung von Millionen Menschen aus dem Unrecht der SED und des Sozialismus. 

Wir haben auch in diesem Jahr am 3. Oktober den Tag der Deutschen Einheit gefeiert, zum 33. Mal. Ich sage bewusst „gefeiert“; denn nichts anderes als ein Tag der Freude und des Feierns ist der Jahrestag des Inkrafttretens des Einigungsvertrages. Die fünf neu gegründeten Länder der ehemaligen DDR traten der Bundesrepublik Deutschland bei. Darauf können wir stolz sein, und das gemeinsam. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Denn dem voraus gingen der Mut und das Streben nach Freiheit von ostdeutschen Frauen und Männern. 

Die Menschen in der DDR gingen dabei ein enormes Risiko ein. Man sieht noch heute in Russland oder Weißrussland, wie Diktaturen mit Demonstranten umgehen. Doch das hielt die Menschen im Herbst 1989 nicht davon ab, auf die Straße zu gehen, um für grundlegende Reformen zu demonstrieren. Allein am 30. Oktober 1989 gingen 200 000 Menschen in Leipzig, 50 000 Menschen in Halle, 20 000 Menschen in Chemnitz, damals noch Karl-Marx-Stadt, und 15 000 Menschen in Magdeburg auf die Straße. „Wir sind ein Volk“ war die Parole, damals noch nicht verunglimpft durch Pegida und Co. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Oh!) 

Das hallt bis heute in unseren Ohren. Es ist unsere Pflicht und unsere Verantwortung, diesen Mut im Gedächtnis zu behalten und daran zu erinnern.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Linksfraktion, wenn man Ihren Antrag liest, könnte man meinen, die Wiedervereinigung wurde den Menschen von oben aufgezwungen. Doch sie war eine logische Konsequenz der Misswirtschaft und des menschenverachtenden Selbstverständnisses der SED-Führung. Sie war die Folge der Angst vor Demokratie und des starren Festhaltens an einem Plan, der von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Der Fall der Mauer und der Fall des Eisernen Vorhangs haben gezeigt, dass Diktatur, Angst und Zwang keine Grundlage für eine erfolgreiche Gesellschaft sein können. 

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Im Namen meiner Fraktion sage ich hier ganz deutlich, dass ich dankbar bin für den Mut der Menschen, die sich dem Unrecht entgegengestellt haben, deren Wunsch nach Freiheit und nach Einigkeit größer war als die Angst vor den Staatsorganen der DDR, vor den Waffen der Polizei und dem Gefängnis. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP) 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Folgen der Wiedervereinigung waren tief greifend und global. Die Menschen in Ostdeutschland erleben jetzt gerade ihre zweite Zäsur. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Politik sind seit damals bis heute spürbar. 

Die Wirtschaft der DDR lag nach der Wiedervereinigung am Boden, marode Betriebe und heruntergewirtschaftete Unternehmen konnten dem Transformationsdruck nicht standhalten. In den Wendejahren 1989 und 1990 war schlicht der jahrzehntelange SED-Betrug am eigenen Volk aufgeflogen. Die DDR war schlichtweg bankrott. 

Mit der Wiedervereinigung mussten die Bürgerinnen und Bürger im Osten Deutschlands schlagartig einen Wandel durchleben, der kaum härter hätte ausfallen können, das ist überhaupt keine Frage. Ein jeder von uns hier im Saal kann dazu seine eigene Geschichte erzählen. Erfahrungen aus der Familie, von Freunden oder Bekannten hat ein jeder von uns im Ohr. 

Doch wir dürfen dabei nicht vergessen, dass dieser Wandel auch enorme Chancen in sich barg, Chancen, die wir bis heute genutzt haben. Die Väter der Einheit, allen voran der damalige Kanzler Helmut Kohl, schrieben sich auf die Fahnen, dass es im gesamtdeutschen Interesse sein muss, das wirtschaftliche Ost-West-Gefälle zu überwinden. Schuld an diesem Gefälle war jedoch nicht die Wiedervereinigung, wie es Ihr Antrag, liebe LINKE, vermuten lässt, schuld daran waren die ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen der ehemaligen DDR und deren Scheitern. 

Lassen Sie mich an dieser Stelle sagen, dass natürlich der damalige Transformationsprozess auch negative Folgen für zahlreiche Menschen in Ostdeutschland hatte. 

Das will keiner in meiner Fraktion auch nur annähernd leugnen. Viele Arbeitsplätze gingen verloren. Betriebe mussten schließen. Zukunftsängste machten sich breit. Die Folgen waren neben der Freude über die gewonnene Freiheit häufig auch Enttäuschung und das Gefühl ausgebliebener Anerkennung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Landtagsfraktion steht für die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West. Wir folgen damit der Tradition unserer Gründerväter. Ich will Ihnen an dieser Stelle sagen, dass wir in den letzten 33 Jahren gemeinsam Unglaubliches geleistet haben.

Die wirtschaftliche Bilanz ist bei allen noch bestehenden Herausforderungen beeindruckend. Die Anzahl der Arbeitslosen in den neuen Bundesländern weist den niedrigsten Stand seit 1991 auf. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich mehr als verdoppelt. Der Bruttodurchschnittslohn in Ostdeutschland ist in den letzten 30 Jahren enorm gestiegen. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit lag der Durchschnittslohn in Ostdeutschland im Jahr 1996 noch bei 1 820 € pro Monat. Dieser Wert lag im Jahr 2020 bei 2 790 €.

Der deutlichste Indikator für den Aufschwung Ost ist die konstante Steigerung des Bruttoinlandsproduktes. Dieses stieg in Ostdeutschland seit 1990 jedes Jahr an und hat sich mittlerweile im Vergleich zum Jahr 1990 verdoppelt.

Lassen Sie uns auch einen Blick über die wirtschaftlichen Erfolge hinaus wagen. Die Infrastruktur wurde nach der Wende grundlegend saniert. Zahlreiche Straßen, Brücken und Wasserstraßen wurden gebaut, saniert und den Anforderungen an eine moderne Gesellschaft angepasst. Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar war der Zustand der Autobahnen in Sachsen-Anhalt im Jahr 1990,

(Zuruf von Kathrin Tarricone, FDP)

200 km ohne Standstreifen, ohne Schutzplanken und mit verschlissener Asphaltdecke. Die stammten noch aus den 70er-Jahren. Die Autobahn A 14 maß lediglich 17 km und endete in Halle-Peißen. Eine Fahrt von Magdeburg nach Halle dauerte nicht selten drei Stunden. Gab es im Jahr 1990 nur knapp 200 km Autobahn auf dem Gebiet Sachsen-Anhalts, wuchs das Autobahnnetz seitdem auf über 460 km.

(Zuruf von der CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Ja, und Sie achten bitte darauf, dass die Redezeit nicht so weit anwächst.


Guido Heuer (CDU): 

Dabei gilt vor allem die Autobahn A 2 heute als eine der wichtigsten Ost-West-Verbindungen.

Auch die Lebensqualität und die Umweltfaktoren haben sich seit 1990 enorm verbessert. War es zu DDR-Zeiten in Bitterfeld, Leuna oder Halle noch kaum denkbar, die Wäsche draußen zu trocknen, ist mittlerweile die Luftqualität so gut wie noch nie. - Leider muss ich jetzt zum Ende kommen, Frau Präsidentin.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Ja.


Guido Heuer (CDU): 

Abschließend möchte ich nur eines sagen: Wir können stolz sein auf die letzten 33 Jahre. Unsere Politiker sind weder korrupt noch sonst irgendetwas. „Verwahrlost“ war der Begriff. Wir werden gemeinsam, diese Koalition wird dieses Land Sachsen-Anhalt weiter nach vorn bringen. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)