Andreas Silbersack (FDP):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema friedliche Revolution sollte uns emotional immer wieder daran erinnern, warum wir hier eigentlich sitzen. 

Wir haben es denjenigen zu verdanken, die 1990 in der DDR auf die Straße gegangen sind. 

(Andreas Schumann, CDU: Bitte schön!)

Ich bin all denjenigen dankbar, die sich dafür eingesetzt haben, und zwar egal, ob es in der DDR oder in der Bundesrepublik Deutschland war.

Ich möchte an der Stelle gern an Hans-Dietrich Genscher erinnern; vielleicht lässt sich der eine oder andere von der Emotionalität des Augenblicks einfangen, wenn er an den 30. September 1989 denkt. Vielleicht kommen Sie von der AfD mit Ihrem Kompass, den ich nicht einordnen kann, dazu, dass uns Deutsche diese emotionalen Momente miteinander verbunden haben. Es treibt auch heute noch vielen Tränen in die Augen, wenn sie an die Worte von Hans-Dietrich Genscher zurückdenken, die er auf dem Prager Balkon sprach: Wir sind heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise genehmigt wurde. 

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD) 

Meine Damen und Herren! Das war ein Höhepunkt von Einigkeit und Recht und Freiheit. 

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD) 

Herr Siegmund, all das, was Sie hier veranstaltet haben, zeigt Ihre Geschichtsvergessenheit, Ihre absolute Geschichtsvergessenheit. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Warum?)

Sie treten die friedliche Revolution mit Füßen. Sie entehren    

(Ulrich Siegmund, AfD: Warum?)

- Weil Sie sich des Themas in keiner Weise bemächtigt haben. Sie verwenden das Thema als Steigbügelhalter für Ihre Plattitüden. 

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD - Oliver Kirchner, AfD: Das ist Quatsch!)

Nicht anderes tun Sie. 

(Unruhe bei der AfD)

Es geht um das Thema - Sie alle haben in der Schule das Fach Deutsch belegt - 

(Zurufe von der AfD)

der friedlichen Revolution und deren Folge in den neuen Bundesländern. 

Wie geht es den Menschen? Wie geht es den Rentnern? - Das ist Inhalt. Sie haben einfach das Thema verfehlt. Sie haben es als Steigbügelhalter für Ihre Plattitüden verwendet. Das kann ich nur noch einmal wiederholen, meine Damen und Herren. 

(Oliver Kirchner, AfD: Sonntagsrede! - Zuruf von der AfD: Das ist die Überschrift Ihrer Platte!)

Ich appelliere an Sie, sich an diese emotionalen Momente der Wiedervereinigung tatsächlich zu erinnern. Wenn Sie es nicht können, dann wenden Sie sich an Ihre Eltern; denn dann wird klar, dass es wertvoll ist. Wir haben gemerkt, wie sehr wir tatsächlich zusammenstehen. Wenn Sie diese Erinnerung in sich aufrufen würden, dann würden solche Momente, die Sie gerade erzeugt haben, in diesem Hause nicht entstehen, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Die deutsche Teilung war für viele ein Leid. Der Anfang danach war nicht für jeden ein Glücksmoment. Jede Biografie nach 1990 ist anders damit umgegangen. 

Es richtig, dass das Vermögen - das steht in dem Antrag - nicht so verteilt ist, wie man es sich wünscht. - Frau von Angern, ich möchte Sie fragen, was passiert wäre, wenn viele Westdeutsche nicht in ostdeutsche Städten investiert hätten und 

(Eva von Angern, DIE LINKE: Was wäre denn passiert?) 

wenn es die AfA in Höhe von 50 % nicht gegeben hätte? 

(Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)

Dann würde Magdeburg nicht so aussehen, wie es aussieht. Magdeburg ist eine blühende Stadt. 

(Dr. Falko Grube, SPD: Und das von einem Hallenser!)

Das ist in anderen Städten auch so. Das hat dazu geführt, dass tatsächlich Investitionen getätigt wurden. 

Eines möchte Ihnen noch sagen: Ihr gesamter Antrag enthält null Optimismus, null Dankbarkeit. Er enthält nichts von den Werten, die geschaffen wurden. Das ist gegenüber dem Erreichten einfach respektlos, meine Damen und Herren. Das muss ich wirklich so sagen. 

Wenn Menschen aus Osteuropa, bspw. aus Polen, Rumänien oder Bulgarien - das sage ich ganz bewusst   zuschauen würden, die nichts anderes erlebt haben als den Fall des Eisernen Vorhangs, und diese Diskussion hören würden und mit der Entwicklung vergleichen, die sie selbst erlebt haben, dann sollten Sie sich - das muss ich ganz ehrlich sagen - ein Stück weit schämen, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der FDP) 

Ich glaube, es ist nicht alles richtig gelaufen. Man kann viele Dinge kritisieren, aber diese Bundesrepublik Deutschland, und zwar Ost und West gemeinsam, hat sich bemüht, dieses Land zu einen. Es wurden Millionen Euro bzw. D-Mark in dieses Land gesteckt. Das führte nicht zur Gerechtigkeit bei jedem Einzelnen. 

Ich kenne es aus meiner eigenen familiären Erfahrung heraus, dass das Rentenniveau nicht dort ist, wo es sein könnte. Diesbezüglich sollten wir eher zusammenstehen und nicht Teilendes, sondern Verbindendes suchen. Es ist Teil einer solchen Diskussion, dass wir das Land Sachsen-Anhalt mit Optimismus nach vorn bringen wollen. 

Dass die Vermögenssituation so ist, wie sie ist, hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass Vermögen aufgebaut werden muss. Selbstverständlich ist dies in der alten Bundesrepublik nach 1945 besser gelungen und es hat länger gedauert. Das ist nun einmal der Lauf der Geschichte. 

Unsere Aufgabe ist es, wenn ich bspw. an Intel denke, werthaltige Arbeitsplätze zu schaffen, damit sich die Vermögensituation in Ostdeutschland verbessert. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Dafür brauchen wir Optimismus. 

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen Innovationen. Wir brauchen Leute, die nach vorn gehen. Wir brauchen Leistung, die sich lohnt. Das sind die Dinge. 

(Zustimmung bei der FDP)

Wir müssen die Dinge der Zukunft mit breiter Brust angehen und nicht mit Larmoyanz in die Vergangenheit schauen. Das funktioniert nicht, meine Damen und Herren.

Deshalb wird der Weg, den Sie gehen, glaube ich, nicht funktionieren. Sie können doch selbst nicht zufrieden in die Vergangenheit schauen. Sie müssen sich die Frage stellen, was dieses Land vorwärts bringt. Dieses Land hat eines der größten Probleme im Bereich der Demografie. Wir brauchen mehr Geburten. Wir brauchen Zuversicht. Wir brauchen Optimismus. 

Wenn von links und von rechts über den Weltuntergang geredet wird, dann vermittelt dies den Menschen in diesem Land keinen Optimismus. Ich bin der Koalition dankbar, dass wir durch Investitionen und andere Themen genau das für dieses Land tun, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle über das Buch von Dirk Oschmann, über das man sicherlich geteilter Meinung sein kann, mit dem Titel „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ sprechen. Der ein oder andere hat es vielleicht gelesen. Ich kann Ihnen sagen, dass ich im Jahr 1989 abgehauen bin. Wenn ich das Buch lese und dieses Teilende darin spüre, dann muss ich einfach sagen: Das ist nicht mein Buch; das ist nicht meine Realität. 

Ich bin ostdeutsch sozialisiert. Meine Familie ist ostdeutsch sozialisiert. Wir machen uns aber damit nicht gemein, weil wir uns nicht als Ostdeutsche fühlen, sondern wir fühlen uns als Deutsche, wir fühlen uns als Sachsen-Anhalter und ich fühle mich als Hallenser. - Vielen Dank, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)