Sebastian Striegel (GRÜNE):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die Schulen in unserem Land sich in einem kritischen Zustand befinden, haben wir in den letzten Monaten hier im Landtag eindrücklich in mehreren Debatten festhalten können. Ich muss es hier in aller Deutlichkeit sagen: Durch unser Schulsystem in Sachsen-Anhalt werden Kinder aussortiert, die im schulfähigen Alter Startschwierigkeiten haben. Kinder, die während der Schulzeit einen Leistungseinbruch zeigen, werden zurückgelassen. Jugendliche, die keine Unterstützung von zu Hause erhalten, werden aufgegeben und ohne Schulabschluss in eine stetig kompliziertere Welt entlassen. Dieses Bildungssystem ist leider immer noch auf dem Prinzip „Ausgrenzung“ aufgebaut.

(Angela Gorr, CDU: Na ja!)

In einem Land, in dem jedes vierte Kind und jeder dritte junge Erwachsene von Armut betroffen ist, das schon vor, aber besonders auch nach 1990 eine immens hohe Abwanderung erlebt hat und das in Deutschland bislang das zweitniedrigste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf hat, brauchen wir bessere Bildungsteilhabe und mehr Zukunftschancen. Das Kapital in unserem Land sind die Menschen in Sachsen-Anhalt, und zwar junge Menschen, Menschen, die heute schon hier leben, und solche, die sich erfolgreich neu hier beheimaten können.

Es ist höchste Zeit, dass die Koalition begreift, dass das Universum Schule auch wie ein solches genutzt wird. Es dient nicht nur der Bildungs- und Wissensvermittlung, sondern auch der Vermittlung von Sozialkompetenz und der Bildung verantwortungsbewusster Persönlichkeiten. Dafür brauchen wir endlich bessere Rahmenbedingungen. Private Sicherheitsdienste sind dafür überhaupt keine Lösung.

Die sogenannten Brennpunktschulen müssen vielmehr zu Schwerpunktschulen werden, in denen durch eine überdurchschnittlich gute Personal- und Sachmittelausstattung, durch mehr Sprachförderung, durch besseres ganztägiges Lernen und durch mehr außerschulische Lernorte Nachteile ausgeglichen werden. Jedes Kind in Sachsen-Anhalt soll einen Abschluss erreichen können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Jugendkriminalität befand sich über einen Zeitraum von gut 20 Jahren in einem deutlichen Abwärtstrend - ganz im Gegenteil im Übrigen zu der seit Jahren ansteigenden Kriminalität von Senior*innen, die bislang medial kaum eine Rolle spielt.

(Thomas Staudt, CDU, lacht)

Aktuell aber sehen wir steigende Zahlen im Bereich der Kriminalität junger Menschen. Die Innenministerin hat darauf hingewiesen. Das ist auch in Sachsen-Anhalt und insbesondere in Halle zu beobachten. Die Unsicherheit, die durch vermehrte Raubüberfälle, Diebstähle, Bedrohung und Einschüchterung an einer Reihe von Orten besonders für junge Menschen entstanden ist, ist real.

Wir GRÜNEN sagen: Alle Menschen sollen sich sicher fühlen und insbesondere rund um die eigene Schule oder das Elternhaus soll kein junger Mensch in Angst vor Kriminalität leben müssen. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist unser Anspruch. Wir werden das Notwendige tun, um die öffentliche Sicherheit für alle Menschen zu gewährleisten. 

Sicherheitsdienste an Schulen können dazu nichts beitragen. Dafür sind sie weder ausgebildet noch mit entsprechender Kompetenz ausgestattet. Ganz ehrlich, Herr Tillschneider, wenn unmittelbarer Zwang durch einen Sicherheitsdienst in einer solchen Schule angewendet werden würde, dann ist dies eine Vorstellung, die mir richtig, richtig Sorge macht. 

(Beifall bei den GRÜNEN - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Mir macht es Sorgen, wenn Lehrer zusammengeschlagen werden!)

Wir erwarten, dass man das Geld besser in die Hand nimmt und endlich zu einer flächendeckenden Schulsozialarbeit kommt und Programme zur Präventionsarbeit an Schulen ausgebaut werden; denn Risikofaktoren für kriminelles Verhalten bei Kindern und Jugendlichen sind insbesondere Gewalterfahrung - ich könnte mir vorstellen, Gewalterfahrung im Übrigen auch durch solche Sicherheitsdienste - und Mobbing - im Übrigen nicht nur in der Familie  , Armut und - das ist in diesem Kontext ganz zentral - die fehlende Integration in das Bildungssystem, männlichkeitsorientierte Wertvorstellungen

(Florian Schröder, AfD, lacht - Ulrich Siegmund, AfD: Als ob Sie sich mit Männlichkeit auskennen!)

und das Vorliegen des psychologischen Merkmals der emotionalen Unbeteiligtheit. Hierbei gilt es anzusetzen und nicht bei den Sicherheitsdiensten. 

Die Bundesregierung hat die Kindergrundsicherung auf den Weg gebracht, die zu einer effektiven Verbesserung der finanziellen Situation von vielen Familien in Sachsen-Anhalt führen wird. Als Land müssen wir nun endlich für Bildungsgerechtigkeit und für echte Chancen und Zukunftsperspektiven der Kinder und Jugendlichen sorgen. 

Im November werden wir uns im Rechtsausschuss mit dem Thema beschäftigen, wie die Kommunen und das Land eine wirksame Strategie und gute Angebote für Jugendliche umsetzen können. Der Unsicherheitsantrag der AfD schafft in Sachen Jugendkriminalität keinerlei Lösung und jede Menge neue Probleme. Wir lehnen ihn ab. 

Dem Alternativantrag der Koalition werden wir im Übrigen zustimmen, weil er in die richtige Richtung geht. Wir erwarten allerdings von der Koalition, dass sie endlich das Thema Schulsozialarbeit zufriedenstellend löst. Dabei braucht die Stadt Halle echte Unterstützung. Das kann sie nicht allein leisten. 

Ganz ehrlich, Frau Gorr, wenn Sie die Stadt Halle an dieser Stelle in der Prävention von Jugendkriminalität schwächen, in dem Sie dafür sorgen, dass Schulsozialarbeit nicht fortgesetzt werden kann, dann haben Sie tatsächlich eine Mitverantwortung für dieses Problem. - Herzlichen Dank. 

(Beifall bei den GRÜNEN)