Eva von Angern (DIE LINKE): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der vorliegende Antrag der Koalition ist wichtig und richtig. Die Betreuung von und der Umgang mit Opfern von Gewalttaten ist eine äußerst sensible Thematik. Es ist gut, dass wir uns heute damit beschäftigen. 

Neben dem formalen Verfahrensweg auf der einen Seite geht es aber eben auf der anderen Seite unweigerlich um die Berücksichtigung 

(Es ist ein Niesen zu hören)

- Gesundheit - der Opfersicht. Dabei muss die Perspektive der Betroffenen unbedingt gestärkt werden. Dies muss letztendlich auch zu einem veränderten Verwaltungshandeln - dazu ist gerade viel von meinen Vorrednern gesagt worden - führen.

Dass die Realität leider eine gänzlich andere ist als die, die wir uns wünschen, hat uns hier im Landtag insbesondere noch einmal eine Petition vor Augen geführt, die das Verfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz thematisiert hat und die vom Petitionsausschuss auch an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Verbraucherschutz überwiesen worden ist und über die dort auch beraten worden ist. 

Ausgangspunkt für die Initiierung dieser Petition war eine Veröffentlichung des Weißen Rings e. V., wonach das OEG weitgehend unbekannt sei. Es gibt Statistiken, die aussagen, 76 % der Befragten haben davon noch nie etwas gehört. Dass zu viele Anträge abgelehnt werden und dass in der Petition unter anderem eine Monitoringstelle, eine statistische Erhebung sowie eine unabhängige Beschwerdestelle gefordert werden, das ist vorliegend dem Plenum bekannt.

Das Gesetz, über das wir hier reden - ich möchte noch einmal daran erinnern - existiert bereits seit dem Jahr 1976 und wird jetzt reformiert. Das heißt, seit dem Jahr 1976 ist der Umgang damit sehr wohl bekannt. Die Fakten des Weißen Rings haben es jetzt noch einmal deutlich gemacht. Ich will aus der Gesetzesbegründung hervorheben, dass das Ziel des OEG ist und sein muss, soziale Härten für Opfer zu vermeiden und ein soziales Absinken der Opfer zu verhindern. Ganz konkret: Es geht um eine vollständige wirtschaftliche Sicherung der persönlichen Lebensverhältnisse.

Ich möchte es noch einmal sagen: Opfer von Gewalt werden oft von einem Tag auf den anderen ohne eigenes Verschulden erwerbsunfähig, hilflos oder gar pflegebedürftig. Deswegen muss genau das im Vordergrund stehen, Opfer von Straftaten bzw. deren Angehörige auf niedrigschwellige Weise und ohne einen zusätzlichen Leidensweg zu schaffen in ihrer Situation zu unterstützen. Das ist die Theorie. Die Praxis sieht anders aus, seit Jahren sieht sie anders aus.

Es gibt bereits Evaluationen, es gibt bereits Ergebnisse, die nachweisen, dass die Gewaltopfer eben nicht von den Dingen, die das OEG vorschreibt, tatsächlich profitieren. Gewaltopfer als Rechteinhaberinnen haben keine Kenntnis über die ihnen zustehenden Rechte und Ansprüche. Das Antragsverfahren selbst wird von Opfern als katastrophal und demütigend beschrieben. Eine Vielzahl der Anträge wird abgelehnt. Dies wirft die Frage auf, welche Gründe dazu führen.

Bei zu wenigen Anträgen ist es schnell ausgemacht: Die wenigsten der Opfer kennen das Opferentschädigungsgesetz - eine Katastrophe.

Bei den Ablehnungen muss man ganz nüchtern feststellen, wer nicht durch eine Juristin oder durch einen Juristen oder durch einen Opferschutzverband begleitet wird, der scheitert. Das ist System, meine Damen und Herren.

Die Hürden sind auch benannt worden. Sie führen regelmäßig dazu, dass Opfer zum zweiten Mal viktimisiert werden, durch das Verfahren traumatisiert werden - ein völlig inakzeptabler Umstand.

Eigentlich - darin gebe ich der antragstellenden Fraktion recht - ist das Gesetz mit einem hervorragenden Leistungskatalog versehen. Aber die Anwendung, die Umsetzung, ist konträr und hemmend. In vielen Fällen macht die Anwendung des Opferentschädigungsgesetzes ein Opfer erneut zum Opfer. Deswegen fordern wir, das OEG öffentlichkeitswirksam in der Breite bekannt zu machen und die Verfahrensabläufe zu verbessern. Ich finde, Frau Godenrath, man muss auch einmal sagen, liebe Verwaltung, ja, ihr müsst anders handeln. Muss auch einmal jemandem wehtun. Das ist auch nicht schlimm. Das ist übrigens auch unser Job als Abgeordnete.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Es ist auch wichtig, dass diejenigen, die in Opferhilfe tätig sind, miteinander vernetzt werden, die Chance haben, sich miteinander zu vernetzen. Auch das kostet Geld. Wir brauchen eine höhere Sensibilität bei allen, die mit Opfern zu tun haben, d. h. auch bei den Beamtinnen und Beamten, die vermeintlich nur nach Aktenlage entscheiden. Wir brauchen - auch darin unterstützen wir Sie - eine Monitoringstelle, eine Erfassung der Daten.

Ich finde, es ist Zeit, nicht mehr zu evaluieren, sondern tatsächlich konkrete Schritte anzugehen. Das eine ist das, was mit dem neuen SGB XIV, das am 1. Januar 2024 in Kraft tritt, und mit den Fallmanagern schon geschehen ist. Sie wissen, wir haben hierzu als Rechtsausschuss gemeinsam mit dem Sozialausschuss eine Anhörung durchgeführt. Dabei sind auch weitere Themen genannt worden wie der Umgang mit psychischer Gewalt im Zusammenhang mit dem OEG. Darüber müssen wir sprechen. Wir müssen unbedingt mehr Geld in dem Härtefallfonds für Sachsen-Anhalt zur Verfügung stellen. Als Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt - ich sage es auch noch einmal ganz zum Schluss - fordern wir eine hauptamtliche Opferhilfebeauftragte, wie es in anderen Ländern schon geschieht und sehr wirksam geschieht. - Im Sinne der Opfer vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)