Andreas Henke (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Solange ich als Kommunalpolitiker zurückdenken kann - das sind mittlerweile mehr als 33 Jahre  , wird über die Höhe der Kommunalfinanzen gestritten. Für die eine Seite ist es nie genug, für die andere Seite ist es mehr als ausreichend.

(Zuruf von Guido Heuer, CDU)

- Guido, das klären wir an anderer Stelle. - Ein Beleg für die ersteren sind die unausgeglichen 23er-Haushalte fast aller Landkreise im Land. Exemplarisch dafür steht die Klage des Landrates Markus Bauer aus dem Salzlandkreis. Gestern Abend hatten wir eine Sitzung des Kreistags im Landkreis Harz und haben die Nachtragshaushaltssatzung beschlossen. Es sind 10 Millionen € Defizit für dieses Jahr. Im Landkreis Mansfeld-Südharz sind es etwa 20 Millionen € in diesem Jahr. Für das nächste Jahr haben sie sogar 25 Millionen € Defizit prognostiziert.

Die kommunalen Betriebe im Landkreis Harz und die öffentlichen Kliniken haben Defizite. Die Verkehrsbetriebe haben ein Defizit. Der Eigenbetrieb Kreismusikschule hat ein Defizit und muss jetzt konsolidieren. Das heißt, er muss Personal abbauen und Gebühren erhöhen. Das ist alles nicht mehr lustig.

Da ist es auch wenig hilfreich, darauf hinzuweisen, dass sich die Landkreise doch über eine höhere Kreisumlage besserstellen können. Zum einen sind die Kommunen in einer genauso schlechten Lage wie die Landkreise, überwiegend zumindest. Zum anderen ist es schwer vermittelbar in Richtung der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker und erst recht in Richtung der Menschen des Landes.

Trotz aller Kritik am vorherigen Deubel-Gutachten, werte Kolleginnen und Kollegen, hatte der Verfasser festgestellt, dass die Finanzmittel der Städte und Gemeinde unzureichend waren. Viel geändert hat sich an dieser Situation bis heute nichts. Nun soll nach Vorstellungen der Koalition und der Landesregierung ein Gutachten in zwei Schritten klären, ob erstens die Verteilung der Landesmittel gerecht erfolgt, und ob zweitens, sofern alle kommunalen Jahresabschlüsse vorliegen, die Zuweisungen insgesamt doch ausreichend sind.

Zum Letzteren hat der Landesrechnungshof bereits im Jahr 2021 kritisch angemerkt, es sei doch genug Geld im System, und davor gewarnt, den Kommunen noch mehr Geld zu geben. Wenn es so ist, dass tatsächlich genug Geld im System ist, dann ist es offensichtlich nicht an der richtigen Stelle.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit anderen Worten: Die Kommunen bleiben in einer chronischen strukturellen Schieflage. Sie hangeln sich weiter von einer Haushaltskonsolidierung zur anderen. Sie können kaum noch Fördermittel für notwendige, dringende Investitionen zum Einsatz bringen, weil sie in ihren Haushalten noch nicht einmal die Eigenmittel sicherstellen können. Wie sollen sie an der Stelle erst die großen transformatorischen Aufgaben Klimaschutz, Mobilität, Wärme-, Energiewende, Flüchtlingskrise etc. bewältigen?

Das Fatale: Ein besonderer Spardruck - das habe ich gerade im Hinblick auf die Kreismusikschule gesagt - schwebt immer über den kulturellen und den sozialen Daseinsvorsorgeaufgaben. In dem Bewusstsein, dass unser Land auch nur so stark und so resilient sein kann, wie es die Kommunen dieses Landes sind, hat die Landesregierung aber immerhin ins Auge gefasst, dass die Kommunen in der Tat mehr Geld brauchen. Das ist anzuerkennen. Zum dritten Mal wird die Finanzausgleichsmasse steigen, aber - auch das müssen wir feststellen - auch wenn ich versuche, den Mangel gerechter zu verteilen, bleibt es trotzdem ein Mangel.

(Beifall bei der LINKEN)

In diesem Sinne muss es gelingen, zeitnah das zweite Gutachten folgen und in diesem Rahmen bewerten zu lassen: a) Reicht das Geld, das wir den Kommunen zur Verfügung stellen, in der Tat? b) Brauchen wir noch einen großen Nachschlag für die Kommunen, damit sie durch die schweren Zeiten kommen? - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Henke, vielen Dank. Es gibt eine Frage von Herrn Kosmehl, wenn Sie sie zulassen, und eine Intervention von Herrn Scharfenort. - Bitte, Herr Kosmehl.


Guido Kosmehl (FDP):

Vielen Dank, Herr Kollege. Ich will mich gar nicht mit Ihnen zum Thema Mangelverwaltung auseinandersetzen. An dieser Stelle haben Sie vielleicht mehr Erfahrung.

(Ulrich Siegmund, AfD, lacht)

Sie haben den Rechnungshof zitiert, der gesagt hat: Eigentlich ist genügend Geld im System. Dann stellt sich doch die Frage, ob wir es falsch verteilen. Ich habe von Ihnen in Ihrer Rede nichts gehört, wie sich die Linksfraktion zur Verteilung zwischen den kommunalen Gruppen positioniert. Sie reden immer davon, dass die Kommunen zu wenig Geld haben. Wir stellen fest, dass es an einigen Stellen vielleicht ein bisschen mehr gibt. Sie haben aber auch gesagt, dass es nicht gerecht verteilt ist. Wie stellen Sie sich das denn vor? Wo würden Sie den Hebel ansetzen?


Andreas Henke (DIE LINKE):

Den Hebel setzen wir zunächst an, um überhaupt erst einmal mehr Geld in das System zu bekommen. Wenn die Decke zu kurz ist, dann nützt es doch gar nichts, sie in die eine oder in die andere Richtung zu ziehen. Wenn nicht mehr Geld im Finanzausgleichssystem ist, dann brauchen wir über die Verteilung nicht zu reden.

(Ulrich Siegmund, AfD: Woher kommt das Geld?)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Kosmehl hat noch eine Nachfrage, aber es ist eine Dreiminutendebatte.


Guido Kosmehl (FDP):

Eine kurze Nachfrage. - Nennen Sie einmal einen Betrag.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Das hat er doch schon gesagt!)

Was wollen Sie? Der Minister hat ja die Erhöhungen in den letzten Jahren, die auch Sie anerkannt haben, dargestellt.


Andreas Henke (DIE LINKE):

Ja, in einem ersten Schritt sollten es zusätzliche Mittel in Höhe von 500 Millionen € sein.

(Zustimmung bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Jetzt kommt Herr Scharfenort mit der Intervention.


Jan Scharfenort (AfD):

Herr Henke, ich teile größtenteils Ihre Analyse, aber das Dilemma, dass sowohl der Landeshaushalt als auch die kommunalen Haushalte letztendlich klamm sind, können wir auch damit nicht lösen. Sie haben die Probleme, z. B. die Transformation, angesprochen - das ist noch nicht einmal abgebildet  , welche enorm viel Geld kosten werden. Ein weiteres Problem ist die Migration. Dieses Dilemma werden wir weder hier im Landeshaushalt noch bei den Kommunen auflösen können. An dieser Stelle müssen wir die Probleme strukturell angehen und diese endlich lösen, sonst werden wir weiter ins Minus laufen, und zwar sowohl im Landeshaushalt als auch bei den Kommunen. Daran führt kein Weg vorbei.

Nun sind wir beim Thema Binnenverteilung. Das ist eigentlich ein Thema der vertikalen Verteilung. Dort sehe ich aber eine Tendenz, die eigentlich nicht so gewollt war - das sagte schon Ihr Vorredner  , nämlich dass wieder eher die Mittelzentren begünstigt oder als Sieger hervorgehen werden. Sehen Sie das tendenziell auch so? Ich meine, das so auszumachen, wenn ich mir die Unterlagen angucke. Auch ich sehe das durchaus als Kritikpunkt.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Henke, wollen Sie reagieren?


Andreas Henke (DIE LINKE):

Ich will gleich mit dem Letzteren beginnen. Wir reden viel über gleichwertige Lebensverhältnisse.

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Deshalb bin ich kein Freund davon, auf der einen Seite die Mittelzentren besserzustellen und auf der anderen Seite die kleinen Städte, Grundzentren und Gemeinden zu vernachlässigen.

Zu dem anderen angesprochenen Punkt. Die drei großen kommunalen Spitzenverbände auf der Bundesebene, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Deutsche Landkreistag, haben in einer jüngsten Prognose im Sommer dieses Jahres geäußert, dass voraussichtlich in diesem Jahr alle Städte, Gemeinden und Landkreise auf ein Defizit im Finanzierungssaldo von mehr als 6 Milliarden € zusteuern. Sie haben für das kommende Jahr fast 10 Milliarden € prognostiziert. Das zeigt, dass die Binnenverteilung, also von der obersten staatlichen Ebene bis nach unten, überhaupt nicht funktioniert. Wir als Linkspartei haben an dieser Stelle schon mehrfach entsprechende Vorschläge dafür gemacht, wo Geld generiert werden kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)