Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Die Vorfreude. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Sziborra-Seidlitz, also von Desinteresse zu sprechen bzw. die Anschuldigung, die Sie hier erhoben haben, nämlich dass eine desinteressierte Haltung bestand, weise ich von mir, und zwar energisch.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das sind haltlose Unterstellungen. Erstens - darauf komme ich gleich in meinem Redebeitrag zu sprechen - wissen Sie genau, wie die Schulsozialarbeit zugeordnet wird, nämlich dem SGB VIII.

(Zustimmung bei der CDU - Lachen)

Zweitens. Das können Sie im Gesetz auch eindeutig nachlesen: Unabhängig davon, dass die Schulsozialarbeit dem SGB VIII zugeordnet ist, sind die rein finanztechnischen Sachen dem Bildungsministerium zugeordnet worden. Und ich setze mich massiv dafür ein.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe inhaltlich überhaupt keinen Einfluss auf die Schulsozialarbeit. Das ist auch das Prinzip der Schulsozialarbeit. Sie haben nicht mal verstanden, was Schulsozialarbeit bedeutet, nicht mal ansatzweise.

(Zurufe: Jawohl!)

Denn Schulsozialarbeit ist nicht ein Teil der Schule, sondern - die arbeiten zwar eng mit der Schule zusammen - das ist ein Teil der Jugendhilfe.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Zuruf von der CDU: Jawohl!)

Und wenn Sie das Prinzip nicht verstehen, dann kann ich Ihnen auch nicht mehr helfen, tut mir leid.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Danke für den Redebeitrag! - Ulrich Thomas, CDU: Hören Sie doch mal zu! - Siegfried Borgwardt, CDU: Es gibt doch noch mehr zu bedenken! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Jetzt hören Sie mal zu, genau!

(Zuruf von der CDU: Sie interessiert das nicht hier!)

Ich sage es noch mal klar und eindeutig:

(Unruhe - Stefan Ruland, CDU: Ihr Sozialarbeiter bei den GRÜNEN!)

Der Landesregierung sind die Bedeutsamkeit und die Wirkung der Schulsozialarbeit in der Schule sehr bewusst. Und dafür arbeiten wir alle hier gemeinsam mit der Koalition.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Und das habe ich hier in dem Haus schon mehrfach zum Ausdruck gebracht und nachdrücklich immer wieder betont. Ich sage es jetzt noch mal insbesondere für Sie: Schulsozialarbeit ist eine Teilmenge der Jugendsozialarbeit. Sie ist für unsere Schullandschaft natürlich auch immens wichtig, keine Frage.

Ob und in welchem Umfang sie aber eine Landesaufgabe ist, ist auf der Grundlage der bundesgesetzlichen Vorgaben - da können Sie jetzt bitte nachlesen - gemäß § 2 und § 13a SGB VIII - Aufgaben der Jugendhilfe - ist die Einfügung „Schulsozialarbeit“ zu beurteilen. Und dann lesen Sie es bitte nach, damit Sie wissen, wo die Schulsozialarbeit verortet ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Gesetzesbegründung zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz KJSG, vorliegend in der Bundesdrucksache 19/28870, ist auf den Seiten 90 ff. zu entnehmen, dass die Aufnahme der Schulschulsozialarbeit ausdrücklich - ich betone noch mal das Wort „ausdrücklich“ - als Regelangebot im SGB VIII beschlossen worden ist. Das können Sie auch nachlesen.

Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung der Schulsozialarbeit als Leistung der Kinder- und Jugendhilfe hat der Bund klarstellend einen rechtlichen Rahmen für die Gewährung von Leistungen der Schulsozialarbeit im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe definiert.

Wie es sich zeigt, ist in den Ländern mit wenigen Ausnahmen die Schulsozialarbeit rechtlich auch dort verankert worden. Die Übersicht kann ich Ihnen gern mal geben; dann können Sie mal schauen. Außer in zwei Ländern ist das in allen anderen Ländern dort auch entsprechend verortet. Warum sollen wir hier im Land anders handeln, wenn das Bundesgesetz das vorgibt?

(Zurufe von Sebastian Striegel, GRÜNE - Zustimmung bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns ja auch darüber einig, dass die veränderten Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen und die Veränderungen im System der Kinder- und Jugendhilfe und in der Schule funktionierende Kooperationsbeziehungen zwischen beiden Systemen erfordern. § 13a Satz 2 SGB VIII beinhaltet daher eine Konkretisierung der ohnehin bestehenden Kooperationsregelungen in § 81 SGB VIII.

Vor diesem Hintergrund plant mein Haus, die seit dem Jahr 2014 bestehende Kooperationsvereinbarung „Jugendhilfe-Schule“ wieder mit Leben zu füllen. Eine Denkfabrik zur zukünftigen Ausrichtung soll insbesondere dazu dienen, die aktuelle Situation und die Sichtweisen der Schulen und der Jugendhilfe abzubilden und Vorschläge der Beteiligten aufzugreifen und im Interesse der Kinder und Jugendlichen auch zusammenzuführen.

Also wir haben sozusagen auch ein großes Interesse daran, dass eine gemeinschaftliche Arbeit wird und ist; das ist es ja schon. Aber man kann ja immer noch sozusagen in einer Art Denkfabrik oder wie auch immer, Arbeitskreis, wie man das auch immer zusammenfasst, auch noch mal darüber diskutieren, wie man solche Dinge optimieren kann.

Wir sind uns auch darüber einig, dass Schulsozialarbeit insgesamt und aktuell im Rahmen des ESF-Programms „Schulerfolg sichern“ eine wichtige Maßnahme gegen die nach wie vor hohen Quoten bei Schülerinnen und Schülern ohne einen ersten anerkannten Schulabschluss ist. Der Erfolg des ESF-Programms ist durch mehrere Studien belegt worden.

Ein Teil zur Lösung des Lehrkräftemangels ist dies jedoch nicht. Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter haben eine wichtige und originäre Aufgabe und sind keinesfalls dafür da, irgendwelche Lehrkräfte zu ersetzen oder auch unsere Lehrkräfte von unterrichtsfernen Aufgaben bzw. von Pausenaufsichten zu entlasten.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich gebe Ihnen recht, dass eine verlässliche Finanzierung der Schulsozialarbeit als Teil der Jugendsozialarbeit von unerlässlicher Bedeutung ist. Die Fakten zur Finanzierung des ESF-Programms „Schulerfolg sichern“ sind aber ebenfalls nicht neu. Über die haben wir hier, glaube ich, schon mindestens zwei oder drei Mal diskutiert. Im Rahmen des ESF+-Programm „Schulerfolg sichern“ ist eine kommunale Finanzierungsbeteiligung in der EU-Förderperiode für den Zeitraum 2021 bis 2027 erforderlich, wenn die ESF+-geförderte Schulsozialarbeit im Landkreis bzw. in der kreisfreien Stadt zum Einsatz kommen soll.

Die Notwendigkeit einer Kofinanzierung durch den örtlichen Träger der Jugendhilfe ist seit Anfang 2020 den entsprechenden kommunalen Gebietskörperschaften bekannt. Der Hinweis bzw. die Forderung der Kommunen, dass dann auch deren Prioritätenlisten entsprechend umgesetzt werden, kommen wir gerne nach. Aber wie wir wissen, haben wir eine Jury - das hat die EU-VB vorgeschrieben  , und hieran wollen wir auch noch einmal mit der Jury arbeiten. Sofern die Konzepte den Kriterien entsprechen, wird sich auch die Jury natürlich nicht den Prioritätenlisten der Landkreise entgegenstellen.

Außerdem gewährt das Land gemäß § 31 KJHG den Kommunen jährlich insgesamt 8 Millionen € zur Förderung der Ausgaben für Fachkräfte und für örtliche Maßnahmen der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, der Jugendsozialarbeit und des Jugendschutzes gemäß §§ 11 bis 14 SGB VIII. Das heißt, diese Mittel können von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe unter anderem - sie müssen das nicht tun, aber sie können es - zur Finanzierung dieser kommunalen Beteiligung an der Schulsozialarbeit verwendet werden.

Das Land muss also gemeinsam mit den Kommunen einen Diskurs führen zu der Frage, wie künftig und auch zukünftig nach der ESF+-Förderung, die irgendwann wahrscheinlich auch mal auslaufen wird, Schulsozialarbeit konzeptionell und auch finanziell ausgestaltet werden soll.

(Zustimmung bei der CDU)

Dafür tragen wir hier gemeinsam Verantwortung. Jetzt haben wir noch das ESF-Programm bis zum Jahr 2027. Und über die Frage, wie es in Zukunft weitergehen soll, müssen wir uns hier natürlich gemeinsam verständigen. Und das werden wir tun, im Kabinett genauso wie im Parlament, das sicherlich hier auch seinen Teil dazu beitragen will und wird. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Frau Ministerin. - Es gibt zwei Nachfragen. Als erste Fragestellerin spricht Frau Lüddemann.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Ich will noch mal an den Anfang Ihrer Rede zurückkommen. Tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass Sie uns als einreichender Fraktion vorwerfen, dass Sie jetzt hier reden müssen.

(Lachen bei den GRÜNEN)


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Nein.

(Guido Kosmehl, FDP: Nee!)


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Okay,


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Nein.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

weil Sie werden mir vermutlich darin recht geben,

(Tobias Rausch, AfD: Ach, Mensch!)

dass die Redebeitragsverteilung im Rahmen der Landesregierung eine Aufgabe der Landesregierung ist. Und wir haben Sie jetzt nicht gezwungen, in diesen Redebeitrag zu gehen.

(Guido Kosmehl, FDP: Nein, haben Sie auch nicht! - Tobias Rausch, AfD: Haben Sie aber nur gesagt! - Das ist billig!)


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Sehr geehrte Frau Lüddemann, wenn Sie den Redebeitrag Ihrer Kollegin Frau Sziborra-Seidlitz gehört hätten, dann wüssten Sie, dass Sie gesagt hat, ich hätte ein Desinteresse. Sie hat nur von Schule, von der Bildungsministerin gesprochen.

(Guido Kosmehl, FDP: Nee, nicht die ganze Zeit! - Sven Rosomkiewicz, CDU: Nicht die ganze Zeit!)

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das stimmt, ich bin kurz danach gekommen!)

Sie hat die ganze Zeit nur mich kritisiert. Deshalb muss ich an der Stelle sagen: Deshalb habe ich jetzt mal versucht, klarzustellen, dass die Zuständigkeit    

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Wir haben eine gemeinsame Verantwortung. Das habe ich, glaube ich, in meinem Redebeitrag gesagt.

(Zustimmung bei der CDU)

Und die Zuständigkeit liegt nicht allein bei der Schule, sondern im Sozialministerium genauso wie bei uns in der Schule, weil wir eng miteinander kooperieren müssen. - So.

(Zustimmung bei der CDU)

Und ich lasse mich da auch nicht auseinanderdividieren, von Ihnen schon gleich gar nicht.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Frau Feußner. - Frau Anger.

(Zustimmung bei der LINKEN)


Nicole Anger (DIE LINKE):

Frau Ministerin, ich habe Sie in der Tat, denke ich, richtig verstanden, dass Sie beabsichtigen, § 31 des Ausführungsgesetzes zum KJHG soweit aufzumachen, dass die Schulsozialarbeit damit von den Kommunen kofinanziert werden kann. Ist Ihnen bewusst - da können mit meinetwegen mit Ja oder Nein antworten -, dass die Schulsozialarbeit

(Zurufe: Oh! - Kathrin Tarricone, FDP: Danke!)

etwa 6,5 Millionen € als Kofinanzierung braucht, nach § 31 des Ausführungsgesetzes zum KJHG ein bisschen mehr als 8 Millionen € zur Verfügung gestellt werden und dass wir dann im ganzen Land eine kaputte Landschaft bei der Jugendarbeit, also geschlossene Jugendklubs etc. haben werden, wenn Sie das machen?

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Ja, Frau Feußner!)


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Es gibt die Möglichkeit, auch dieses Geld zu verwenden. Wie das der Landkreis macht, ist seine Sache. Ich kann mich doch nicht in die kommunale Selbstverwaltung des Landkreises einmischen.

(Zustimmung bei der CDU - Guido Kosmehl, FDP: Jawohl!)

Es gibt aber die Möglichkeit. Wenn die Kommune sagt, ich will dieses Geld für die Kofinanzierung der Schulsozialarbeit verwenden, dann können Sie das tun. Sie müssen es aber nicht tun. Sie können es auch darüber hinaus erbringen. Es ist eine kommunale Aufgabe. Die Aufgabe Schulsozialarbeit gehört zur Jugendhilfe.

Wir können uns drehen und wenden, wie wir wollen.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Nein!)

Es ist so.

(Nicole Anger, DIE LINKE: Nein! - Hendrik Lange, DIE LINKE: Nein! - Nicole Anger, DIE LINKE: Wir können es heilen! - Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE - Zustimmung)

- Dann schauen Sie doch einmal ins Bundesgesetz hinein, wenn Sie es mir nicht glauben. Ja? - Es ist so. Damit liegt es auch in der Verantwortung der Kommunen. Wir sind doch als Land bereit dazu, einen gewissen Teil beizutragen. Das machen auch andere Länder. Wir werden als Land die 20 % auch weiter tragen, gar keine Frage.

Wie es künftig wird, wenn die ESF-Finanzierung nicht mehr da ist, darüber müssen wir uns unterhalten. Das habe ich eben gesagt. Ich sehe uns als Land auch in der Pflicht; denn wir werden sicherlich auch dann einen gewissen Beitrag zur Unterstützung der Kommunen leisten, keine Frage, weil es uns sehr wichtig ist, weil es uns wirklich wichtig ist.

(Beifall bei der CDU)