Wulf Gallert (DIE LINKE):

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe schon vor gut zwei Stunden zu dem Antrag zum Thema Außenwirtschaft der Koalition gesagt,

(Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD)

dass er ein sehr hohes Abstraktionsniveau beinhaltet. Im Grunde genommen lag die Latte so hoch, dass jeder darunter hindurch kam. Ich muss allerdings sagen: Dieser Antrag toppt das noch.

(Andreas Schumann, CDU: Ja!)

Im Grunde genommen fragt man sich, warum hier noch schwarze Tinte auf weißem Papier ist. Dort wird also gesagt:

„Der Landtag bittet die Landesregierung, die Mitgliedschaft Sachsen-Anhalts im European Chemical Regions Network (ECRN) zu nutzen, um: […]“

(Andreas Schumann, CDU: Ja!)

Dann kommen vier Aufforderungen. Diese vier Aufforderungen sind genau die Gründe, warum das Ding vor 17 Jahren gegründet worden ist.

(Zustimmung von Guido Henke, DIE LINKE, und bei den GRÜNEN)

Wenn man auf die Ethernetpräsentation dieses Netzwerkes guckt, dann steht dort genau das, was in diesem Antrag steht. Warum schreibt man einen Antrag, der ein Netzwerk beschreibt, das seit 17 Jahren existiert, liebe Kolleginnen und Kollegen?

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Wegen der Wichtigkeit der Bedeutung!)

Und dann wundern wir uns über eine dreitägige Sitzungsperiode. Man muss wirklich einmal klar sagen: An dieser Stelle sind die Gipfel überschritten worden.

(Zustimmung)

Es kann ja einen rationalen Grund dafür geben,

(Zuruf von Andreas Schumann, CDU)

dass man das hier aufschreibt. Offensichtlich ist die Koalition mit der Landesregierung unzufrieden.

(Ulrich Thomas, CDU: Was ist das für ein Quatsch!)

Denn warum sind wir in diesem Netzwerk? - Um genau das zu machen. Wenn nun die Koalition die Landesregierung bittet,

(Ulrich Thomas, CDU: Ja!)

ihre Aufgaben zu machen,

(Ulrich Thomas, CDU: Ja! - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

dann scheint die Landesregierung es nötig zu haben,

(Ulrich Thomas, CDU: Nein!)

- Herr Thomas  , dass die Koalition bittet: Bitte, mach deine Aufgaben.

(Ulrich Thomas, CDU: Nein, nein! - Weiterer Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

Insofern   das sage ich ausdrücklich   

(Ulrich Thomas, CDU: Das haben wir exklusiv! Sie verstehen den Antrag gar nicht!)

wünsche ich mir intensivere Beratungen der Koalitionsfraktionen mit der Regierung und nicht unbedingt solche Dinge.

(Ulrich Thomas, CDU: Zu Weihnachten, oder was?)

Daraus hätte man auch einen Selbstbefassungsantrag machen können.

(Zurufe von Dr. Falko Grube, SPD, und von Ulrich Thomas, CDU)

An dieser Stelle muss ich sagen: Wir können das ja einmal würdigen; denn dieses Netzwerk ist von seiner Entstehungsgeschichte nicht unter Mithilfe von Sachsen-Anhalt entstanden.

(Ulrich Thomas, CDU: Sie waren auch nicht dabei!)

- Ach, Herr Thomas, hören Sie doch einmal auf.

(Ulrich Thomas, CDU: Nein, ich höre nicht auf!)

- Nein, ich bin jetzt dran.

(Ulrich Thomas, CDU: Bei solch einem Quatsch kann man nicht aufhören!)

- Ich bin jetzt dran!

(Ulrich Thomas, CDU: Ja, ich bin auch dran!)

Vielleicht wissen Sie, dass es einen aus Sachsen-Anhalt gegeben hat, der tatsächlich ganz maßgeblich dieses Netzwerk initiiert, sich ausgedacht und gegründet hat.

(Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

Dieser Mann war - das will ich an dieser Stelle in aller Würdigung sagen - über lange Zeit ein hervorragender Vertreter Sachsen-Anhalts. Er hat nämlich die Brüsseler Landesvertretung des Landes Sachsen-Anhalts geleitet, und zwar der Kollege Thomas Wobben. Das war einer der absolut hochkarätigsten Netzwerker, die Sachsen-Anhalt je in Brüssel hatte. Er hat sich wahrscheinlich mehr um die Entwicklung, auch der Chemieindustrie, auf der europäischen Ebene für Sachsen-Anhalt verdient gemacht als viele Landesregierungen insgesamt. Er ist leider nicht mehr im Landesdienst. Er ist jetzt leider der Legislativdirektor des Sekretariats des Ausschusses der Regionen, aber ich bin mir sicher, auch dort wird er seine alte Heimatverbundenheit noch immer dafür nutzen, für Sachsen-Anhalt aktiv zu werden.

(Zuruf von Minister Sven Schulze)

Ich will das hier einfach einmal gesagt haben. Denn das ist jemand, der sich um die Interessen des Landes Sachsen-Anhalt in Brüssel wirklich verdient gemacht hat. Im Grunde genommen ist diese ganze Geschichte seine Idee gewesen.

Wenn die Koalitionsfraktionen also jetzt sagen: „Wir müssen das Netzwerk dafür nutzen, wofür es damals gegründet worden ist“, dann ist das für mich erst einmal eine wahnsinnig interessante Aussage.

(Ulrich Thomas, CDU: Das freut uns!)

Mehr kann ich damit nicht anfangen.

(Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

Jetzt kommen wir einmal dazu: Was ist das eigentliche Problem? Dazu haben wir natürlich klar gesagt: Es gibt bestimmte Interessenvertretungen, die im Interesse der Chemieregionen auf der Ebene Brüssels organisiert werden müssen.

Zur REACH-Richtlinie will ich ganz klar sagen: Wer wirklich der Meinung ist, dass der elementare Schutz von Menschen und Umwelt vor schädlichen, sprich giftigen, chemischen Einflüssen lediglich ein von Ideologie getriebener Bürokratismus ist, den möchte ich wirklich einmal an die Verantwortung erinnern, die wir auch als Politik haben.

(Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LINKE, von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Wenn es solche Richtlinien gibt, dann dienen sie dazu, Mensch und Umwelt zu schützen. Das ist nicht ideologiegetrieben bzw. wer Mensch- und Umweltschutz als ideologiegetrieben ausrichtet, der verrät selbst sehr viel über seine eigene Werteskala, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LINKE, von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Und ja, am Ende brauchen wir eines - das wurde hier in den letzten zwei Jahren ganz deutlich  : eine koordinierte Industriepolitik, die sich natürlich vor allen Dingen, und zwar europaweit, um die Energieversorgung kümmert. Das werden wir allerdings nur mit einer koordinierten

(Ulrich Thomas, CDU: Aber das können Sie doch nicht!)

europäischen Initiative für erneuerbare Energien hinbekommen.

(Ulrich Thomas, CDU: Das ist doch genau das, was Sie nicht können!)

Das ist sozusagen die zentrale Funktion, die auch dieses Netzwerk haben könnte.

(Ulrich Thomas, CDU: Nein!)

- Herr Thomas, wenn Sie es nicht verstehen, dann quatschen Sie doch nicht andauernd dazwischen! Das ist doch Blödsinn!

(Ulrich Thomas, CDU: Warum denn nicht?)

Die zentrale Frage für die chemische Industrie in Europa ist die

(Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

Organisation erneuerbarer Energiequellen.

(Ulrich Thomas, CDU: Das ist ja unglaublich!)

Darum müssen wir uns kümmern.

(Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

Die Achillesferse der deutschen Chemieindustrie war, dass ihre zentrale Basis in der Vergangenheit die ausdrückliche Angewiesenheit auf billige fossile Energie war.

(Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

Das zu überwinden ist die zentrale Aufgabe. - Danke, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN - Ulrich Thomas, CDU: Danke, das reicht!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Damit sind Sie am Ende Ihrer Rede mit einer geringen Überschreitung der Redezeit angelangt.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Das ist mir nicht aufgefallen.

Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Gar nicht. - Jetzt kommt Herr Hövelmann.

(Andreas Silbersack, FDP: Nein, nein, nein!)

- Ach ja, genau, es kommt eine Frage von Herrn Silbersack. Ich war hier mit der Redezeit am Werkeln.

(Zuruf: Das ist gefährlich!)

Wenn Sie es zulassen, dann kommt jetzt eine Frage von Herrn Silbersack und damit erneut etwas Redezeit.

(Ulrich Thomas, CDU: Ah, jetzt kommt es!)

- Herr Silbersack, bitte.


Andreas Silbersack (FDP):

Die Chemieindustrie in Sachsen-Anhalt und die 12 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwarten von der Politik in Sachsen-Anhalt, dass sie sich für ihre Interessen in Brüssel einsetzt.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU -Ulrich Thomas, CDU: Genau so ist es! Das hast du nur nicht verstanden!)

Sie geben hier zum Besten, dass wir die Verbotsliste der Europäischen Chemikalienagentur zur Kenntnis nehmen und akzeptieren müssen. Solche Prozesse in Brüssel dienen dazu, dass man versucht, sich diesbezüglich ins Benehmen zu setzen, weil man unterschiedliche Interessen hat. Das ist bei der ECHA in allen Verfahren so gewesen. Insofern ist meine Frage: Ist Ihre Empfehlung wirklich, dass wir als Land Sachsen-Anhalt uns nicht um die Chemieindustrie kümmern sollen und dass wir nicht einen besonderen Blick auf die Chemikalienverbotsliste haben sollen?


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Herr Silbersack, wissen Sie, das ist eine Frage auf dem Niveau von „Sind Sie für den Frieden?“

(Ulrich Thomas, CDU: Nein, die ist völlig richtig! Die Frage ist völlig berechtigt! - Andreas Silbersack, FDP: Nein! - Weiterer Zuruf von Andreas Silbersack, FDP)

- Nein, nein, nein.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Jetzt muss Herr Gallert auch antworten können.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Sie fragen mich und dann wollen Sie die Antwort nicht hören.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Gallert, das habe ich eben schon klargestellt, dass Sie jetzt reden.

(Ulrich Thomas, CDU: Geben Sie doch wirklich einmal eine Antwort!)


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Okay, wenn Sie das dem Kollegen Thomas vielleicht auch noch einmal irgendwie    

(Ulrich Thomas, CDU: Eine Antwort möchte ich hören! Nicht eine Bewertung! Sie möchten die Frage nicht beantworten!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Thomas, Sie müssen Herrn Gallert auch die Chance geben, die Antwort zu geben. - Jetzt gibt Herr Gallert eine Antwort auf die Frage.

(Ulrich Thomas, CDU: Aber er bewertet doch nur die Frage und gibt keine Antwort!)


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Sind Sie jetzt fertig?

(Ulrich Thomas, CDU: Das weiß ich noch nicht! Ich weiß ja noch nicht, was Sie sagen!)

- Okay. - Noch einmal: Natürlich ist die Frage der Zulässigkeit von Stoff und Stoffkombinationen auf der europäischen Ebene eine Aushandlungssache. Natürlich kann oder muss man auch über die einzelnen Detailfragen der REACH- bzw. anderer Richtlinien, die dazu veröffentlicht sind, mit Brüssel diskutieren. Das ist eine Aushandlungssache.

Wogegen ich mich wehren werde, das ist zu sagen: Jedwede Einschränkung für stoffliche Emissionen, für stoffliche Verbreitung und für stoffliche Herstellung in der Chemieindustrie, die in diesem Kontext diskutiert wird, ist lediglich ideologiegetrieben ist. - Nein, das ist es nicht. Wir haben eine Güterabwägung zu treffen.

(Ulrich Thomas, CDU: So ein Quatsch! - Zurufe von Kathrin Tarricone, FDP, und von Andreas Silbersack, FDP)

Zu dieser Güterabwägung gehört sehr wohl auch das Interesse von Mensch und Umwelt.

(Zuruf von Kathrin Tarricone, FDP)

Wenn Herr Thomas meint, wir haben keine Güterabwägung für den Schutz von Mensch und Umwelt zu treffen, dann ist klar, woher seine Politik kommt. - Danke.

(Zustimmung bei der LINKEN - Ulrich Thomas, CDU: Um Gottes willen!)