Matthias Redlich (CDU):

Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Überschrift des Antrags „Führerscheinzuschuss für Sachsen-Anhalts Auszubildende“ klingt gut. Danach folgt aber zunächst     Ja, was eigentlich? Mit „Der Landtag möge beschließen: I. Der Landtag stellt fest: …“ leitet die AfD eine einseitige Prosa ein, die im Kern eine Istsituation beschreiben soll. 

Ja, wir haben es gehört, die Zahl der Ausbildungsverträge ist rückläufig. Diesen Fakt muss der Landtag aber nicht feststellen. Doch was ist denn der Hauptgrund dafür? Ist es eine fehlende Attraktivität der Berufsausbildung, wie es der Antragstext der AfD suggeriert? Oder ist es vielleicht der Umstand, dass sich im gleichen Zeitraum die Anzahl der jungen Erwachsenen im Hauptausbildungsalter zwischen 15 und 20 Jahren von rund 175 000 auf 87 000 halbiert hat, wie es Prof. Willingmann auch schon erläutert hat? Ich vermute ja, Letzteres könnte einen Einfluss haben. Aber in Ihrem Antrag liest man von einem Geburtendefizit nichts. 

Selbst in der Begründung fabuliert man lieber in AfD-Manier gegen Arbeitsmarktmigration. 

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ihr Antragstext legt gleichzeitig dar, dass Parlament und Regierung sich der bestehenden Herausforderungen angenommen haben und handeln. In Ihrem Beschlusstext soll der Landtag feststellen, dass wir als Deutschland-Koalition einen Antrag eingebracht haben, um eine wohnortnahe Beschulung aufrechtzuerhalten. In der Begründung zu Ihrem Antrag verweisen Sie auf Wirtschaftsminister Sven Schulze und dessen Initiativen und zählen von uns bereits eingeleitete Maßnahmen wie Praktikumsgutscheine auf. Kurioser geht es kaum, aber vielen Dank für diese Anerkennung unserer Arbeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Ein konkreter Antrag ist auf den ersten anderthalb Seiten nicht zu erkennen. Am Ende des ersten Teils heißt es lediglich, der Landtag möge feststellen, dass eine Förderung des Individualverkehrs die Attraktivität von Ausbildungsberufen erhöhen würde. Studien und Analysen gingen zwar bisher davon aus, dass Arbeitsmarktperspektiven, Berufsanforderungen, die Vielfalt der Ausbildung und vor allem die Verwendungsmöglichkeiten danach sowie Verdienstmöglichkeiten und das Image eines Berufes die wesentlichen Faktoren sind, die die Attraktivität von Berufsfeldern bestimmen. Aber eines stimmt natürlich: Ganz besonders in ländlichen Regionen ist die eigene Mobilität ein wichtiger Faktor, um insbesondere junge Menschen vor Ort zu halten.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Kommen wir zu den inhaltlichen Forderungen. Unter Punkt II Nr. 1 fordern Sie die Einführung eines Führerscheinzuschusses - Herr Lieschke hat es erläutert: 50 %, maximal 1 500 € - für Auszubildende einzuführen. Ich betone ausdrücklich: für alle Auszubildenden mit Wohnort in Sachsen-Anhalt, sofern sich deren Ausbildungsstätte also hier befindet. 

Soziale Faktoren finden sich in Ihrem Antrag aber nicht. Die Kosten schätzen Sie auf 15 Millionen €. Woher Sie diese Mittel nehmen wollen, wenn Sie dem Haushalt nicht einmal zustimmen, ist fraglich. Fakt ist, dass derzeit mehr als 80 % der jungen Menschen in unserem Land auch ohne einen solchen Anreiz einen Führerschein erwerben. Viele davon leben eben auch in ländlichen Regionen.

Ich befürchte, Ihr Zuschuss produziert dadurch vor allem Mitnahmeeffekte. Die existierenden Fehlanreize haben Sie selbst erkannt. In der Antragsbegründung fordern Sie - eigentlich hätte das in den Antragstext gehört, aber lassen wir das und konzentrieren wir uns auf den inhaltlichen Aspekt  , den - ich zitiere - „Zuschuss an eine Beendigung der regulären Ausbildungszeit zu knüpfen“. Das Ansinnen klingt logisch und soll dafür sorgen, dass die Ausbildung nicht vorzeitig abgebrochen wird. Doch kann dieses Ziel, wie Sie es formulieren, erreicht werden? Denn in der regulären Ausbildungszeit kann man mit der Ausbildung fertig sein, man muss es aber nicht. Die reguläre Ausbildungszeit kann zudem zwei, drei oder auch dreieinhalb Jahre betragen. 

Die steuerlichen Fragen eines geldwerten Vorteils hat der Kollege Keindorf bereits aufgeworfen. Und was ist, wenn ein Auszubildender seine Ausbildung in einem Betrieb beginnt und in einem anderen abschließt?

(Zuruf von Nadine Koppehel, AfD)

Insgesamt scheint mir ein Führerscheinzuschuss, wie ihn die AfD hier vorschlägt, mit sehr viel Aufwand, aber einem vergleichsweise geringen Nutzen verbunden zu sein. Die Überschrift klingt gut. Die Idee ist nicht neu. Als CDU-Fraktion sehen wir aber die von Ihnen geschätzten 15 Millionen € plus die Verwaltungskosten bei diesem Projekt mit Blick auf die Effektivität und Effizienz eher kritisch. Zur Lösung der Kernprobleme haben wir als Koalition andere, zielgenaue und wirksame Maßnahmen bereits eingeleitet.

(Tobias Rausch, AfD: Aha, welche denn?)

Aber lassen Sie uns im Ausschuss gern dazu beraten. Uns ist das Thema wichtig, deswegen werden wir für eine Überweisung stimmen, auch wenn der Antrag handwerkliche und inhaltliche Fehler aufweist. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD - Tobias Rausch, AfD: Das war so eine tolle Rede!)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Redlich. Die Federführung soll an welchen Ausschuss gehen? 


Matthias Redlich (CDU):

Soziales.