Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank, Frau Vizepräsidentin. - Hohes Haus! „Der heutige Tag ist ein Resultat des gestrigen. Was dieser gewollt hat, müssen wir erforschen, wenn wir zu wissen wünschen, was jener will.“ Dieses Zitat aus dem Buch „Französische Zustände“ von Heinrich Heine, das Hermann Kant seinem Roman mit dem Titel „Die Aula“ voranstellte, ist eine Mahnung für den Umgang mit historischen Ereignissen.

Nicht um ein erstarrtes Ritual geht es, sondern um die Auseinandersetzung mit dem realen historischen Geschehen, um für Gegenwart und Zukunft zu lernen, so auch und gerade im Umgang mit der DDR.

Was die SED-Führung im Juni 1953 am stärksten alarmiert hat, war, dass der Widerstand von den Arbeiterinnen und Arbeitern selbst ausging. Unzumutbare Arbeitsnormen, machtlose Gewerkschaftsleitungen, Bevormundungen im Betrieb, Wahlen nach Einheitslisten - so sah der Arbeiter- und Bauernstaat aus, den sich die mittlerweile vollkommen stalinistisch formierte Staats- und Parteiführung vorstellte.

Dass sich dagegen überall in der DDR im Juni 1953 Widerstand regte, ganze Belegschaften demonstrierten, Betriebe besetzten, das riss der DDR-Führung die Maske vom Gesicht, und zwar nicht nur die demokratische, sondern auch die sozialistische.

Deshalb musste das Märchen vom faschistischen Putschversuch in die Welt gesetzt werden. Deshalb richtete sich die Repression in der Folge insbesondere auch gegen kritische Gewerkschafter und gegen ehemalige Sozialdemokratinnen innerhalb und außerhalb der SED. Deshalb griffen die DDR-Führung und ihre sowjetischen Verbündeten zum äußersten Mittel und schlugen einen friedlichen Aufstand mit brutaler Gewalt nieder.

Unser großes Glück war es, dass diese Gewalt gegen die Proteste am 17. Juni 1953 keine Blaupause für den 9. November 1989 waren.

Das war alles andere als selbstverständlich. Dafür musste vieles zusammenkommen. Das erfolgreiche Vorbild, das andere Bewegungen wie Solidarność geboten hatten, die Tatsache, dass durch Glasnost und Perestroika kein sowjetisches Eingreifen mehr drohte, die Gewaltlosigkeit, die sich in der Parole „Keine Gewalt!“ als Leitmotiv der Demonstrationen in Leipzig und anderswo zeigte, und die Einsicht auf der anderen Seite, dass das Spiel aus war - all das hat uns im Jahr 1989 eine friedliche, eine unblutige, eine erfolgreiche Revolution beschert.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)

Wir als Koalition haben in unserem Alternativantrag aufgezeigt, wie wichtig der 17. Juni für die Geschichte von Opposition und Widerstand in der DDR war. Überall im Land, auch hier im Landtag, werden Veranstaltungen und Ausstellungen an das Geschehen erinnern. Heute Morgen wurden vor dem Innenministerium zwei Stelen enthüllt und eingeweiht; die Innenministerin sprach davon.

Lebendige Erinnerungskultur und Lernen für die Zukunft, das ist unser Ziel. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu dem Alternativantrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)