Tagesordnungspunkt 21

Beratung

Zum 70. Jahrestag des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 in der „DDR“: Ein nationaler Gedenktag fordert ein würdiges Gedenken!

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/2665

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/2712


Herr Köhler wird den Antrag einbringen. - Bitte schön.


Gordon Köhler (AfD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 3. Oktober eines jeden Jahres begehen wir den Tag der Deutschen Einheit. Wir feiern die Wiedervereinigung der beiden deutschen Länder; vollzogen durch den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland am selben Tag des Jahres 1990.

In der alten Bundesrepublik - das ist sicherlich interessant - wurde der Tag der Deutschen Einheit bereits mehr als 36 Jahre lang gefeiert. Man feierte den 17. Juni. Im Jahr 1953, bereits zwei Monate nach dem Arbeiteraufstand in der DDR, wurde dieser Tag zum Feiertag erhoben und 1954 erstmals begangen. Hierbei wurden Straßen, Brücken, Plätze etc. umbenannt und ein nationaler Gedenktag zum 17. Juni ausgerufen.

Man kann also festhalten, dass bereits damalige Zeitgenossen die Bedeutung und die Dimension dieses ereignisreichen Volksaufstandes von 1953 erkannt und entsprechend gewürdigt haben. Sie haben ihn zu einem Symbol des Freiheitsdranges und des Willens zur Selbstbestimmung erhoben.

Das lädt ein, darüber zu sinnieren, was zum 17. Juni 1953 führte. Auf der zweiten Parteikonferenz im Juli 1952 ruft die SED den planmäßigen Aufbau des Sozialismus aus. Konkret hieß das die drastische Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft nach sowjetischem Vorbild. Die Landesparlamente wurden aufgelöst. Die Länder wurden aufgelöst und in Bezirke überführt.

Die Kollektivierung von Betrieben und Landwirtschaft wurden vorangetrieben und Streitkräfte aufgestellt. Der Aufbau von Schwerindustrie steht im Mittelpunkt. Die Lebensmittel- und Konsumgüterproduktion verliert nicht nur an Bedeutung, sondern auch Teile ihrer Grundlage. Verteuerung der Lebensmittel und Stromabschaltung für Privathaushalte sind die Folge.

Das Leben für viele Bürger der DDR wird spürbar erschwert - das Ergebnis von Planwirtschaft und sozialistischer Verheißung. Die Repressalien gegen Teile der Bevölkerung sind zunehmend an der Tagesordnung und die Gefängnisse in der DDR füllen sich zusehends.

Der Tod von Josef Stalin im März 1953 stellte dann eine gewisse Zäsur dar, und zwar nicht nur in der Sowjetunion. Auch für die DDR änderte sich einiges, nicht zuletzt auf Anweisungen aus der Sowjetunion.

Die Phase der Orientierungslosigkeit auf der einen und die Widersprüche auf der anderen Seite werden zum Wendepunkt; die Systemfrage wird gestellt. Im Mai und Juni kommt es zu den ersten Protesten und Streiks. Am 17. Juni selbst kommt es dann schließlich zu einer flächendeckenden Erhebung in fast allen Städten der DDR. In mehr als 700 Orten von der Großstadt über die Kreise bis aufs flache Land kam es zu Demonstrationen und Streiks. Die Forderungen waren klar: bessere Lebensbedingungen, Demokratie, Freiheit und Einheit.

Auf dem Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt selbst kam es mit Berlin zu den meisten Ereignissen. Dies ist sicherlich auch dem Umstand geschuldet, dass wir für viele Industriestandorte ein Schwerpunkt waren. Im Bezirk Halle ereigneten sich 112 Demonstration, öffentliche Kundgebungen, Streiks oder auch Aktionen gegen offizielle Personen, aber auch gegen Einrichtungen. Im Bezirk Magdeburg waren es ca. 82. In Summe waren damals Hunderttausende auf den Straßen.

Angeführt von streikenden Arbeitern des Ernst-Thälmann-Werkes, zogen etwa in Magdeburg am Morgen des 17. Juni 1953 Tausende Menschen in Richtung Innenstadt, um gegen Normerhöhungen zu protestieren. Aber schnell mischten sich freie Wahlen unter die Forderungen.

Beteiligt waren - das ist besonders zu würdigen - alle Schichten des Volkes: Arbeiter, Bauern, Handwerker, Lehrer, Gewerkschafter, Pfarrer und selbst Polizisten waren unter den Demonstranten.

In mehreren Orten gelang dann übrigens die Gefangenenbefreiung im großen Stil. Die Aufständischen stürmten Gefängnisse und Dienstgebäude. Von den ca. 1 500 Häftlingen, welche durch die Aufständischen befreit wurden, kamen dann ca. 60 in die Westzone.

Der Aufstand selbst konnte nur mithilfe sowjetischer Truppen und Panzer niedergeschlagen werden. Dabei wurden zwischen 50 und 125 Personen - davon gehen Schätzungen aus - erschossen bzw. schwer verletzt. Circa 1 500 Menschen wurden verhaftet. Es wurden Todesurteile gefällt. Tausende wurden zu häufig mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Dass viele im Zuge der Proteste wieder freigelassen wurden, sollte das Gefühl von Großzügigkeit und Nachsicht der DDR-Führung vermitteln. Die tatsächliche Reaktion war dann hingegen der Aufbau eines engmaschigen Überwachungs-, Einschüchterungs- und Unterdrückungsapparates. Es setzt eine gnadenlose Verfolgung von Oppositionellen ein, die ihren Willen zur Freiheit und Einheit Deutschlands zum Teil mit hohen Freiheitsstrafen und Schlimmerem bezahlen mussten.

Leider ist dieses so wichtige Ereignis heute nunmehr eine Randnotiz im Geschichtsunterricht und bis auf Nebensätze kaum Teil der öffentlichen Berichterstattung oder der Erinnerungskultur. Auch wenn der 17. Juni heute offizieller Gedenktag ist, so erfährt er nach unserer Auffassung nicht die Aufmerksamkeit, die ihm grundsätzlich zusteht.

Gleichwohl möchte ich im Namen der AfD-Fraktion lobend erwähnen, dass es am heutigen Morgen eine Enthüllung von Gedenkstelen zu diesem Thema vor dem Innministerium gegeben hat. Zudem wurden einige Gedenkveranstaltungen zum 70. Jahrestag durchgeführt. Das möchten wir als Schritt in die richtige Richtung werten und honorieren. Gleichwohl muss man festhalten, dass es für uns wichtig ist, dies für die Folgejahre zu verstetigen.

Gleichwohl geht es in der offiziellen Erinnerungskultur leider so zu, dass sie sich im Wesentlichen mit den negativeren Aspekten befasst. Das wollen wir aufbohren. Wir wollen eine Öffnung dieser einseitigen Erinnerungskultur und die Aufnahme weiterer Ereignisse unserer Geschichte, bspw. dem 17. Juni 1953.

Dies sollte aber Anliegen all jener sein, die den Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie für erinnerungswürdig halten und nicht nur für erinnerungswürdig, sondern auch für vorbildhaft. Gerade in Zeiten, in denen Bürger wieder Opfer von Ausspähungsversuchen von der NSA bis zum Verfassungsschutz werden, in denen die Inflation und unsinnige Verbote, wie das Verbrenner-Aus oder der Sanierungszwang oder die CO2-Steuer, den Menschen unnötig das Leben schwer machen, ist das Gedenken an die Ursachen des 17. Juni und die Taten der Helden des Volksaufstandes wichtiger denn je.

Daher fordern wir, fordere ich im Namen der AfD-Fraktion: Erstens ein klares Bekenntnis zum 17. Juni als Symbol des Freiheits- und Einheitswillens sowie als Sinnbild des Kampfes gegen totalitäre Tendenzen, Herrschaft und Unrecht, zweitens zum 70. Jahrestag und auch darüber hinaus verstetigt über die Jahre ein würdiges und öffentliches Gedenken an die Opfer und die mutigen Aufständischen des 17. Juni, drittens die Errichtung einer zentralen Gedenkstätte und viertens die Ergreifung von  Maßnahmen, die das Bewusstsein für den 17. Juni in der Bevölkerung selbst stärken. Vom Schulunterricht über Publikationen bis hin zu öffentlichen Veranstaltungen müssen entsprechende Programme manifestiert und etabliert werden.

Wir laden alle anderen Fraktionen dazu ein, die Opfer bzw. die Helden des 17. Juni in einem angemessen Gedenken zu würdigen und fortwährend über die Jahre hinweg dafür zu sorgen, dass das Bewusstsein der Öffentlichkeit für dieses wichtige und geschichtsträchtige Datum weiter verstetigt und verfestigt wird, und zwar im Bekenntnis für Freiheit, Demokratie und Einheit. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)